Dialekt:Lernt sprechen, Kinder - aber bloß kein Hochdeutsch!

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In Schulen sollen die Kinder wieder mehr Dialekt lernen. (Foto: Catherina Hess)

Das fordert der Bayernbund und unterstützt deshalb Schulen mit Material zum Bairischlernen. Und manchmal hat das Dialektsprechen noch einen praktischen Nebeneffekt.

Von Matthias Köpf, Chieming

Im Pausenhof der Grund- und Mittelschule in Chieming steht ein Maibaum neben den obligatorischen Fahnenmasten, und wenn es drinnen in der Aula losgehen soll, dann sagt der Schulleiter "Jetz pack ma's". Die Erst- und Zweitklässler singen zur Ziehharmonika einen Zwiefachen, und einer steuert extra einen Juchzer bei.

Das helle Jauchzen mit Kopfstimme kann der Rektor hörbar auch, obwohl Alexander Fietz keiner ist, der unbedingt im Trachtenjanker auftreten müsste - nicht einmal an einem Tag, an dem der Schulamtsdirektor aus Traunstein und die Herren vom Bayernbund nach Chieming gekommen sind, um zu erläutern, wozu ihre Bemühungen um den Dialekt an Bayerns Schulen in den vergangenen Jahren geführt haben.

"Freude an der Mundart" heißt das Projekt, das sich Helmut Wittmann als vergleichsweise frisch pensionierter Ministerialdirigent aus dem Münchner Kultusministerium im Jahr 2010 für den Bayernbund vorgenommen hat. Dieser fast 100 Jahre alte und inzwischen auch nicht mehr allzu königstreue Verein sieht sich der bayerischen Geschichte, der Kultur des Landes und damit eben auch der bairischen Mundart verpflichtet.

Nach einigen beispielhaften Projekten an rund 20 Schulen und Kindergärten ließ der Bayernbund 2014 und 2015 insgesamt 7000 Exemplare einer mehr als 200-seitigen Materialiensammlung an alle Grund-, Mittel- und Realschulen sowie Gymnasien in Ober- und Niederbayern und der Oberpfalz verteilen. Hier in Altbayern sollen die Schüler in der Schule eben Bairisch sprechen und nicht Schwäbisch oder Fränkisch - und schon gar nicht die mehr oder weniger ortlose Schrift- und Standardsprache, von der manche den Dialekt so sehr bedroht sehen.

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Doch gar so schlecht geht es dem Bairischen gar nicht mehr, sagt Helmut Wittmann, auch und gerade an den Schulen. Auf den Fragebögen, die er zum Abschluss seines Projekts an alle Grundschulen geschickt hat, werde die Handreichung des Bayernbunds als hilfreich bewertet. Bei Fragen nach dem Stellenwert der Mundart an den Schulen sei man auf eine große Aufgeschlossenheit und viel pädagogisches Engagement gestoßen.

Während allerdings in der 5000-Einwohner-Gemeinde Chieming der Trachtenverein keine Nachwuchsprobleme hat und viele Schüler den Dialekt noch von daheim mit in die Schule bringen, gibt es auch Stadt-Schulen, in denen bis zu 80 Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund haben. Dort seien Bemühungen ums Bairische, wie sie inzwischen im Grundschul-Lehrplan verankert sind, mit einigen Schwierigkeiten verbunden.

Dass das Dialektsprechen Schülern keineswegs schadet, sondern eher nützt, ist in der Forschung ohnehin Konsens. Und so sind auch die Zeiten vorbei, in denen der heutige Schulamtsleiter Otto Mayer als junger Lehrer vom Seminarleiter ermahnt wurde, dass er noch an seinem Dialekt arbeiten müsse - was damals im Sinne von ablegen gemeint war. Inzwischen gelte es, allen Dialektsprechern Wertschätzung entgegenzubringen, denn Mundart vermittle ein Heimat- und Wohlgefühl, das bei jedem Lernen hilfreich sei.

Dass die Lehrer selbst den passenden Dialekt sprechen, ist nicht Bedingung und auch kaum zu erwarten, wenn junge Beamte kreuz und quer durchs Land versetzt werden - oft von Franken nach Oberbayern, wo die Unis vor lauter Exzellenz und Drittmittel-Gier weit weniger Lehrer ausbilden als nötig. Aber integriert wird ja auch in Chieming. Seit Herbst 30 Flüchtlingskinder und immer wieder Lehrer aus Franken.

© SZ vom 07.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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