Süddeutsche Zeitung

Mitten in Bayern:Lust und Frust der Sprachvereine

Heimatminister Albert Füracker zeichnet 14 Organisationen für ihr Bemühen um den Erhalt der Dialekte aus. Ob das noch etwas hilft? Alles ist im Wandel, und dabei kommen auch Sprachbewahrer schnell unter die Räder.

Von Hans Kratzer

Menschen aus gut 200 Nationen leben im heutigen Bayern. Man kann sich ausmalen, wie viele Sprachen hier im Alltag gesprochen werden. Freilich, sprachliche Vielfalt prägt Bayern schon seit dem Altertum. In das hiesige Idiom ist das Latein der Römer eingeflossen, das Italienisch der Barockzeit, das Französisch der napoleonischen Ära und das Schlesisch der Vertriebenen. In kaum einem anderen Bundesland sind so viele Sprachvarietäten zu hören.

Im Zuge der anschwellenden Modernisierung reifte dann die Überzeugung, Dialekte seien ein Ausdruck von Rückständigkeit und ein Bildungshindernis. "Dassd fei schee redst!" Solche Sprüche gaben viele Eltern nun ihren Kindern mit. Heimische Sprachvarietäten galten nichts mehr und ihre Sprecher als minderbemittelt. Nicht einmal davon ließ man sich beeindrucken, dass eine Koryphäe wie der Schweizer Nobelpreisträger Kurt Wüthrich seine Vorträge in der dortigen Mundart hielt. In Bayern durchlaufen die meisten Kinder die streng genormte Sprachmühle der Kindergärten und Schulen und lernen, dass sie jegliche tonale Färbung ablegen müssen, wenn sie schulischen und beruflichen Erfolg haben wollen.

Als die Schwindsucht der Dialekte nicht mehr zu überhören war, erkannte die bayerische Staatsregierung, dass den Mundarten eine Identifikationskraft innewohnt. 2017 rief sie einen Bayerischen Dialektpreis ins Leben, der auch in diesem Jahr wieder vergeben wurde. Am Montag ehrte Heimatminister Albert Füracker 14 Vereine, die sich laut Heimatministerium um die Dialektpflege verdient gemacht haben.

Es fehlte nicht an großen Worten. "Dialekt ist die Sprache der Heimat und Ausdruck regionaler Identität!", sagte Füracker bei der Verleihung in Nürnberg. Er lobte die Preisträger als "großartige Vorbilder in Gestaltung und Bewahrung unserer Heimat und Kultur".

Gelten sie wirklich alle als großartige Vorbilder, all jene Fördervereine, Sprachwahrer und Arbeitskreise, die da ausgezeichnet wurden? Zweifel sind erlaubt, wie ein Blick auf den Preisträger Bund Bairische Sprache belegt. Der hat seinen Vereinssitz seit 2011 in der Bayerwaldgemeinde Konzell und macht mit der alljährlichen Verleihung der Bairischen Sprachwurzel bundesweit Werbung für den Dialekt wie auch für Konzell, das auf seiner Homepage 23 Ortsvereine aufzählt. Der 24. Verein, der Bund Bairische Sprache, wird nicht genannt. Er hat, dialektal formuliert, offensichtlich an Orsch zu weit unten.

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