Deutschtests für Kindergartenkinder„Bürokratischer Irrsinn, diagnostischer Unsinn“

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Alle 2400 Grundschulen in Bayern müssen die Sprachtests bis Anfang Mai durchführen, Vorbereitung und Umsetzung waren vielerorts offenbar chaotisch.
Alle 2400 Grundschulen in Bayern müssen die Sprachtests bis Anfang Mai durchführen, Vorbereitung und Umsetzung waren vielerorts offenbar chaotisch. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Der Bayerische Lehrerverband hat eine klare Meinung zu den ersten Deutschtests für Tausende bayerische Kindergartenkinder und hinterfragt die Effizienz des Verfahrens. Dass die Elternbriefe komplex und kaum verständlich sind, macht die Sache nicht leichter.

Von Anna Günther

Die Tests an sich seien nicht das Problem, erklären dieser Tage viele Kritiker: Noch bis Anfang Mai laufen die Deutschtests für Kindergartenkinder zum ersten Mal an allen bayerischen Grundschulen. Das Aber kommt meist prompt.

Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), nannte das Testverfahren am Montag „bürokratischen Irrsinn und diagnostischen Unsinn“. Der Test sei „exzellent“ und es sei normal, dass der erste Durchlauf eines neuen Instruments „ruckle“. Aber: „Schade, dass ein so pädagogisch wertvolles Instrument so in den Sand gesetzt wird.“

Zwar sind noch gar nicht alle Kindergartenkinder getestet worden, die in diesen Wochen die sogenannte Sprachstandserhebung durchlaufen. In Kultusministerium geht man von einem Drittel, also etwa 40 000 aller 120 000 angeschriebenen Mädchen und Buben aus, die 2026 in die Grundschule kommen. Und dann, das ist das Ziel, auf ähnlichem Niveau Deutsch sprechen können. Das Zwischenfazit des BLLV fällt allerdings verheerend aus.

Schul-Assistentinnen erzählten in der BLLV-Pressekonferenz von diversen Briefen an Eltern, die sie neben dem üblichen Schulbetrieb selbst entwerfen und als Einschreiben zur Post bringen mussten. Vordrucke in einfacher Sprache gab es nicht. Dass sie alle Familien um eine Antwort auf Papier und im Original bitten musste, die das Kita-Zertifikat per E-Mail geschickt hatten, nannte eine Verwaltungskraft gar „peinlich“. Lehrerinnen berichteten von tränenüberströmten, verängstigten Eltern und selbst von Deutsch-Muttersprachlern, die die komplexen Schreiben nicht verstanden haben. Eine Beratungslehrerin erzählte von verlorener Zeit, weil Familien nicht zum Testtermin erschienen oder Kinder vergebens kamen, weil sie das Zertifikat der Kita ja hatten und gar nicht getestet werden mussten.

Das größte Problem neben der Bürokratie war offenbar das Personalproblem: 90 Prozent der 273 vom BLLV befragten Beratungslehrkräfte und Psychologen führten die Tests in ihrer eigentlichen Unterrichts- oder in ihrer Freizeit durch, Honorar oder Anrechnungsstunden bekamen die wenigsten. Sie fehlten dann außerdem in ihren Klassen oder Deutschförderkursen für Grund- und Mittelschüler. Zudem fürchtet der BLLV, dass aufgrund von Personalmangel an Kitas und Schulen nach dem Test keine oder kaum Sprachförderung folgt.

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Eigentlich sollen alle Kinder, die den Deutschtest nicht schaffen, ein Jahr lang gezielt gefördert und dann bei der Anmeldung für die Grundschule erneut getestet werden. Wer dann nicht besteht, muss länger in der Kita bleiben. Das könnte in Kommunen zum Problem werden, in denen Kita-Plätze Mangelware sind. Unbeantwortet ist offenbar auch, was passiert, wenn diese Förder-Kinder keinen Kitaplatz bekommen.

„Wir beschuldigen keine Testentwickler, wir beschuldigen nicht das Kultusministerium. Es geben alle mehr als machbar ist“, sagte Fleischmann. Aber: Die Frage sei, wie effizient das Verfahren ist. Sie forderte eine professionelle Evaluation des Prozesses und Verbesserungen etwa beim Datenschutz sowie mehr zeitlichen Vorlauf.

Das Hauptproblem sah Fleischmann in der rasanten Umsetzung dieses Projektes: „Wir sind gegen Schnellschüsse und dagegen, dass der Ministerpräsident sich ganz schnell ein pädagogisches Instrument überlegt“ und dann damit Wahlkampf mache, dass Kinder, die kein Deutsch können, nicht in die Schule gehen sollen. Markus Söders Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) hatte die Deutschtests im Sommer noch als gute Tat verkauft, um allen Kindern einen guten Schulstart zu ermöglichen. Der Test gilt wie die Grundschulreform als Reaktion auf das miserable Abschneiden deutscher Kinder in der jüngsten Pisa-Studie.

Im Kultusministerium verweist man stets darauf, dass an den Grundschulen bald genug Personal vorhanden sei, wenn von Herbst 2025 an mehr Lehrkräfte aus den Unis kommen, als für den Schulbetrieb benötigt werden. Aber die Kritik aus der Praxis kam bei Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) offenbar an. Sie versprach am Montag eine „Optimierungsphase“ fürs Testverfahren, wofür bayernweit Rückmeldungen gesammelt würden. Grundsätzlich waren sich dann alle einig: „Kein Kind darf verloren gehen!“, sagte Stolz. Mit den Sprachtests sollten so früh wie möglich Kinder mit Förderbedarf gefunden und unterstützt werden.

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