Süddeutsche Zeitung

Asylstreit der Union:"Hoffentlich bleibt unser Innenminister bei der Linie"

An der CSU-Basis befürworten viele den strikten Kurs von Parteichef Seehofer in der Asylpolitik. Dass die Koalition daran zerbricht, glaubt fast niemand. Doch manche mahnen zur Mäßigung.

Von Maximlian Gerl, Claudia Henzler, Matthias Köpf und Dietrich Mittler

Der Asylstreit zwischen CSU und CDU ist vertagt, die Fronten bleiben dennoch verhärtet. Gelingt es Bundeskanzlerin Angela Merkel in zwei Wochen nicht, eine europäische Lösung zu finden, will Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer Flüchtlinge an der Grenze zurückweisen lassen. Das könnte den Bruch der Koalition bedeuten. Der CSU-Vorstand gab Seehofer für seine Pläne volle Rückendeckung und auch an der CSU-Basis gibt es lobende Worte. Wenngleich manche den Ton zu scharf finden, in dem die Debatte geführt wird.

Ralph Osterloh, Vorsitzender des Ortsverbandes Adelsried im Kreis Augsburg, sieht es "kurz und knackig" so: Sowohl Seehofer als auch Merkel hätten recht - Seehofer bei der Frage der Zurückweisung von bereits in anderen EU-Staaten registrierten Flüchtlinge direkt an der deutschen Grenze. "Aber das, was die Kanzlerin sagt, entspricht wiederum mehr dem C in unseren Parteinamen", sagt Osterloh. Was ihn aber derzeit geradezu "wahnsinnig ärgert", ist, dass alle Streitigkeiten in der Öffentlichkeit ausgetragen würden. Einen Bruch der Koalition befürchtet er indes nicht. "Ich schätze beide Akteure so ein, dass sie genau wissen, dass ein solcher Bruch das Ende von beiden Parteien wäre."

Matthias Eggerl, JU-Kreisvorsitzender im Landkreis Rosenheim, hat nach eigenen Worten in den vergangenen Tagen mit der Politik der CSU-Spitze gehadert, "vor allem in der Wortwahl". Der 22-Jährige sieht sich in der Flüchtlingspolitik eher an der Seite von CSU-Vordenker Alois Glück und betrachtet Angela Merkels Entscheidung von 2015, Flüchtlinge unbürokratisch ins Land zu lassen, als einen "aus menschlicher und moralischer Sicht wichtigen Schritt", den dann aber andere Staaten ausgenutzt und Asylbewerber nach Deutschland durchgewunken hätten. Das Problem müsse man nun "primär europapolitisch lösen", was aber bis Ende des Monats "leider unrealistisch" sei. Seehofer spielt aus Eggerls Sicht "ein sehr riskantes Spiel". Er habe hohe Erwartungen geweckt und müsse zeigen, dass die CSU "nicht wieder nur große Töne spuckt, wie man's ja die letzten Jahre öfter gemacht hat". Dabei sollte die CSU ein Scheitern der Koalition schon deswegen nicht riskieren, "weil sie sonst gar nicht in diese Koalition hätte eintreten dürfen". Außerdem sei bei einem Bruch zu befürchten, "dass wir damit die AfD noch weiter stärken".

Christine Bötsch, Fraktionsvorsitzende im Würzburger Stadtrat, findet nicht, dass die Parteispitze das Thema Asyl zu hoch hängt. "Es geht nicht darum, ob man die Landtagswahl gewinnt. Es geht darum, dass dieses Thema bei der Bevölkerung einen Nerv trifft", sagt die Juristin. "Die Leute erwarten, dass wir Recht einhalten und durchsetzen." Ihrem Eindruck nach fänden es viele richtig, dass die CSU das Thema vorantreibe. "Drei Jahre lang ist wenig passiert. Jetzt müssen wir wirklich agieren." Man könne natürlich darüber streiten, wie viel Druck dabei aufgebaut werden darf. "Wir sehen schon auch die Verdienste der Bundeskanzlerin. Ich halte es nicht für aussichtslos, dass sie es schafft, eine europäische Lösung zu finden."

Thomas Baumgartner, Bürgermeister der Gemeinde Chamerau in der Oberpfalz, sagt: "Das Thema brennt den Leuten schon länger unter den Nägeln." Insofern komme die jetzige Debatte "ein bisschen spät", Stichwort: Kontrolle. "Wir wissen ja gar nicht, wer ist alles im Land." Baumgartner sagt, er engagiere sich in einem Asylhelferkreis. In den vergangenen Jahren habe er zweimal erlebt, dass Geflüchtete unter falschen Namen in der Gemeinde lebten. "Wir waren natürlich persönlich enttäuscht." Auch darum finde er die Haltung seiner Partei richtig und notwendig. "Hoffentlich bleibt unser Innenminister bei der Linie." In einem Punkt allerdings würde Baumgartner gerne Nachbesserungen sehen: bei den Arbeitserlaubnissen. Viele Flüchtlinge wollten arbeiten, dürften aber nicht. "Niemand nimmt hier jemanden etwas weg, bei uns in der Gegend sind 1000 Lehrstellen unbesetzt", sagt Baumgartner.

Tobias Paintner, CSU-Geschäftsführer des Bundeswahlkreises Kempten-Lindau-Oberallgäu, steht in der Asyldebatte voll hinter Horst Seehofer. "Wir wollen, dass hier endlich was passiert", sagt Paintner. Dass an der Asylfrage die Koalition in Berlin zerbrechen könnte, wie etwa der frühere Kultusminister Hans Maier warnt, glaubt Paintner nicht. Merkel und Seehofer seien erfahren genug, es darauf nicht ankommen zu lassen. "Die wollen ja alle regieren, und schließlich hat man lange darum gerungen, diese Regierung zu bilden", sagte Paintner. Überdies: Jeder habe gewusst, wo er bei der CSU dran ist: "Horst Seehofer hat immer klare Kante gezeigt und gesagt, dass er das Asylrecht in Deutschland auf Kurs bringen will."

Harald Haase, stellvertretender Ortsvorsitzender in Zwiesel, ist von der Linie seiner Partei überzeugt - und setzt doch auf Pragmatismus. "Ich bin kein Freund davon, stündlich Wasserstandsmeldungen zu verbreiten", sagt er und bemüht ein Sprichwort: "Meist wird nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird." Haase kandidiert auf einem Listenplatz für den Landtag, "vielleicht bin ich deshalb zu subjektiv", sagt er, aber: Er sei wichtig, endlich eine Lösung in der Asylfrage zu finden. Auch einen Kompromiss zwischen Seehofer und Merkel halte er für möglich: Seehofers Masterplan umfasse 63 Punkte, "nur einer davon ist ein Streitthema". Außerdem habe die Koalition einen Regierungsauftrag zu erfüllen. "Weder der Innenminister noch die Kanzlerin können sich leisten, die Fraktionsgemeinschaft aufzukündigen."

Für Thomas Schwarzenberger, Bürgermeister der Gemeinde Krün im Landkreis Garmisch-Partenkirchen, ist es "schon sehr wichtig, "dass wir die Gesetze, die bis 2015 gegolten haben, wieder umsetzen". Mit einer schnellen europäischen Lösung, wie er sie eigentlich für nötig hielte, rechnet Schwarzenberger nicht, "weil man akzeptieren muss, dass bestimmte Nachbarn das nicht wollen". Also müsse eben die Bundesrepublik handeln. Die Flüchtlingsfrage löse bei den Menschen viele Ängste aus und überdecke alle anderen politischen Fragen. "Irgendwie müssen wir da zu einem Ende kommen", sagt Schwarzenberger, denn sonst stelle sich für die CSU die Frage "ob's insgesamt noch einen Sinn macht". Was ein mögliches Ende der Koalition betrifft, so hält er es frei mit FDP-Chef Christian Lindner: "Lieber nicht regieren, als die falsche Politik machen."

Horst Dremel, CSU-Ortsvorsitzender und Zweiter Bürgermeister der Stadt Scheßlitz, ist Polizist und kandidiert im Stimmkreis Bamberg-Land erstmals für den Landtag: "Natürlich gibt es noch sehr viele andere wichtige Themen. Aber ich sehe, wenn ich draußen bin, etwa bei Veranstaltungen und auf Kirchweihen, dass das Thema Asyl nach wie vor wie ein Damoklesschwert über allem hängt. Erst wenn das gelöst ist, können wir uns wieder stärker um die anderen Themen kümmern." Der Koalitionsstreit, sagt er, sei natürlich "ein knallharter Weg" gewesen. "Aber vielleicht hat es den Donnerschlag von Horst Seehofer gebraucht. Ich glaube nicht, dass die Koalition daran zerbricht. Dass es mal Misstöne gibt, gehört aus meiner Sicht zur Politik."

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SZ vom 20.06.2018/jana
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