Süddeutsche Zeitung

Denkmalschutz:Was nützt die Altstadt, wenn sie tot ist?

  • In der Altstadt der fränkischen Stadt Feuchtwangen stehen etliche Läden leer. Viele Gebäude müssten saniert werden.
  • Nun will die Stadt gegensteuern und plant vier moderne Neubauten. Für die soll ein ganzer denkmalgeschützter Häuserblock weichen.
  • Denkmalschützer sind beunruhigt, die Stadt verweist drauf, dass bei den Neubauten gewisse Auflagen einzuhalten sind.

Von Claudia Henzler, Feuchtwangen

Wie Perlen an einer Kette reihen sich an der romantischen Straße die Städte Rothenburg, Feuchtwangen und Dinkelsbühl. Feuchtwangen rühmt sich einer Altstadt aus "sehenswerten Bürgerhäusern", "altfränkischen Fachwerkbauten" sowie dem "weithin als Festsaal Frankens" bekannten Marktplatz. Direkt angrenzend an diesen Festsaal findet man den Klostergarten, Schauplatz der überregional bekannten Kreuzgangspiele.

Sehr malerisch alles, doch wenn man sich nur zweihundert Meter vom Marktplatz entfernt, kann man sehen, dass die Stadt mit ganz erheblichen Problemen zu kämpfen hat: Etliche Häuser der denkmalgeschützten Altstadt sind sanierungsbedürftig, viele Läden stehen leer, andere beheimaten neuerdings ein Tattoostudio und eine Spielhalle. Diesem Abwärtstrend will die Stadt einen positiven Impuls entgegensetzen. Sie plant vier moderne Neubauten und will dafür einen ganzen Häuserblock innerhalb des denkmalgeschützten Altstadtensembles opfern. Denkmalschützer sind in heller Aufregung. Sie warnen davor, kulturelles Erbe unwiederbringlich zu zerstören. Aus Sicht der Stadt geht es zugespitzt um die Frage: Was nützt es, eine Altstadt zu haben, wenn sie tot ist?

Gestritten wird über ein 1700 Quadratmeter großes Areal, auf dem sieben Häuser stehen, darunter ein Gasthaus, eine ehemalige Metzgerei und ein früheres Elektrogeschäft. Metzgerei und Elektroladen mit ihren auffälligen Giebeln gelten als Einzeldenkmäler, eines der Häuser stammt aus dem Jahr 1717. Das dritte Einzeldenkmal ist eine Scheune, die auf 1681 datiert wird. Der Abriss kommt aus Sicht des Landesamtes für Denkmalschutz nicht in Frage, es plädiert für eine bestandswahrende Lösung.

Die Behörde betont, dass sie der Stadt dafür Unterstützung angeboten hat. Frevelhaft ist aus Sicht der Denkmalschützer auch der Plan, den Neubau mit einer Tiefgarage für bis zu 50 Autos auszustatten. Denn Feuchtwangen ist innerhalb der mittelalterlichen Stadtbefestigung auch noch ein Bodendenkmal. "In diesem Bereich ist mit einer hohen Dichte an qualitätsvollen Überresten aus der Frühzeit der Stadt zu rechnen", erklärt das Landesamt. Eine Tiefgarage würde dieses Archiv zerstören. Auch der Bayerische Landesverein für Heimatpflege lehnt das Projekt ab und warnt: "Der Totalabbruch hätte Signalwirkung auf die benachbarten Quartiere."

Bürgermeister Patrick Ruh (CSU) verteidigt die Abrisspläne: Feuchtwangen sei zwar eine blühende Kommune - leider aber nur außerhalb der Altstadt. "In den letzten zwanzig Jahren ist die soziale Struktur aus dem Gleichgewicht gekommen", sagt er. Den Mittelstand zieht es in Neubaugebiete, in denen sie ihren Traum vom Eigenheim mit Garten verwirklichen. In die renovierungsbedürftigen Häuser der Altstadt mieten sich Bewohner ein, die mehr Wert auf niedrige Kosten als auf Komfort legen. Auch die Läden sind offenbar nicht mehr attraktiv: zu klein, zu wenig Parkplätze vor der Haustür. Und unterhalb der Altstadt locken die großen Einkaufsmärkte.

"Es gibt einen immensen Sanierungsstau", sagt Ruh über die Altstadt. Etwa 40 Objekte, so schätzt er, seien sanierungsbedürftig. Die Stadt habe vieles versucht, um das Problem in den Griff zu kriegen. Die Altstadt ist als Sanierungsgebiet ausgewiesen, die Eigentümer bekommen also Zuschüsse, wenn sie in ihre Häuser investieren. Doch das Interesse ist gering, was Ruh mit den niedrigen Mieten erklärt. Der Bürgermeister selbst hat in den vergangenen Jahren immer wieder mal versucht, Feuchtwanger Firmen davon zu überzeugen, ihre Büros doch in der Altstadt einzurichten. Vergebens: "Da gab's nur Absagen." Ab und zu gelinge es zwar, einen Arzt anzuwerben, aber: "Für drei Nutzer, die rausgehen, findet man einen Neuen", sagt Ruh. Er fühle sich wie ein Sisyphos, dem beim Bergaufrollen rechts und links die Kugeln entgegenkommen.

Nun aber hat der Bürgermeister ein Unternehmen gefunden, das in die Altstadt will: Die Diakonie soll einer der Mieter im Neubauprojekt werden. Geplant sind vier Häuser, die um einen Innenhof angeordnet werden und Platz für etwa 60 Wohnungen und Appartements für Alte, Alleinerziehende und Singles bieten - die Stadt spricht von einem Mehrgenerationenprojekt. Außerdem sollen etwa 400 Quadratmeter Gewerbefläche für den sozialen Dienstleister entstehen.

Die Stadt hat das Areal an einen Investor verkauft, der sich im Gegenzug verpflichtet hat, gewisse Auflagen einzuhalten. Ruh versichert, dass sich die Neubauten harmonisch ins Stadtbild einfügen werden, eine genehmigungsfähige Planung oder gar ein Bauantrag lägen noch nicht vor. Erste Entwürfe der beauftragten Architekten zeigen jedoch eine sehr moderne Gestaltung, die sich mit einheitlich cremefarbenen Fassaden, großen Fenstern und grauen Dächern ohne Überstand deutlich abheben. Ruh verweist auch darauf, dass schon früher in die Altstadt eingegriffen wurde: Oben, am einzig erhaltenen Stadttor, wurde vor etwa 15 Jahren eine moderne Sparkasse gebaut. Und unweit des Marktplatzes befindet sich sogar eine Tiefgarage.

Noch sind weder Abriss noch Neubau beschlossen, da wurden schon die Fenster aus zwei der denkmalgeschützten Häuser entfernt. Da war der Investor offenbar etwas übereifrig, Ruh versichert jedenfalls, dass dies nicht abgesprochen und die Entscheidung noch nicht gefallen sei. Die liegt bei der Unteren Denkmalschutzbehörde, die direkt in der Stadtverwaltung angesiedelt ist. Ruhs Haltung ist klar: "Wenn es nicht wirtschaftlich sanierbar ist, ist ein Abbruch grundsätzlich möglich", sagt der Bürgermeister. Aus Sicht des Landesamtes können wirtschaftliche Gründe bei stadteigenen Denkmälern "grundsätzlich kein Argument für einen Abbruch sein". Es hat die Möglichkeit, nach einer positiven Entscheidung die Bezirksregierung und den Landesdenkmalrat anzurufen.

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SZ vom 08.06.2018/huy
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