Nürnberg:Einzigartigem Denkmal droht Abriss - und keiner merkt's

Nürnberg: Historische Ansicht der alten Rennbahn in Nürberg-Reichelsdorf, die nun abgerissen werden soll.

Historische Ansicht der alten Rennbahn in Nürberg-Reichelsdorf, die nun abgerissen werden soll.

(Foto: Archiv Manfred Marr)

Nürnbergs Stadtrat stimmt für den Abbruch der historischen Rennbahn in Reichelsdorf. Der Aufschrei bleibt aus, weil kaum jemand Notiz davon nimmt. Über einen exemplarischen Fall.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Kleine, nicht-repräsentative Umfrage unter alteingesessenen Nürnbergern aus den vergangenen Tagen: Ob ihnen die Rennbahn in Nürnberg-Reichelsdorf etwas sage? Zu beobachten war stets dieselbe Reaktion. Also bitte, diese historische Bahn kenne doch fast jeder. Einer sagte es so: "Die gehört zur Identität der Stadt."

Dass freilich der Stadtplanungsausschuss noch kurz vor Weihnachten zusammengetreten ist, um übers Schicksal exakt dieses Identitätsmerkmals zu befinden, hatte keiner der Befragten richtig auf dem Schirm. Erst recht nicht, wie das Votum ausgefallen ist. Für den Abriss nämlich. Bei genau einer Gegenstimme.

An der Stelle lohnt ein Griff in die Akten. Was befand das Landesamt für Denkmalpflege kürzlich? Die 1904 errichtete Piste sei eine "ideale Bühne für sämtliche Fabrikate der zu dieser Zeit weit über Deutschland hinaus bedeutenden Fahrrad- und Motorradmetropole Nürnberg" gewesen. Sie sei von sehr hoher geschichtlicher Bedeutung, müsse als technisches, stadt- und sporthistorisches Denkmal gelten - und in Deutschland als einzigartig.

Wie so etwas möglich ist, dass in Bayern der nahezu vollständige Abriss eines "einzigartigen" Baudenkmals beschlossen wird - und kaum einer bekommt's mit? Schwer zu sagen. Übers Jahr 2016 - als die Bahn von einem Verein auf einen Investor überging - findet sich in den Stadtakten der lakonische Satz: "Die Radrennbahn war zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Denkmal erkannt, da sie dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege bis dahin nicht bekannt war."

So kommt offenbar ein Prozess in Gang. Und an dessen Ende steht nun ein Abriss-Beschluss, der in der Heimatzeitung unter der Überschrift vermeldet ist: "Einen großen Schritt weiter. Wohnungsbau: Der Stadtplanungsausschuss billigt Pläne in Wetzendorf, Großgründlach und Reichelsdorf." Was ein Grund dafür sein könnte, dass sich die Denkmalvernichtung noch spärlich herumgesprochen hat.

Tröstlich ist es da, dass man die historische Bahn auf der Internet-Seite des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege nun zum "Abriss des Jahres" küren darf. So könnte ihr wenigstens im Nachhinein noch die gebotene Aufmerksamkeit zuteil werden. Man beobachte mit Sorge, dass Denkmäler, die nicht auf der Denkmalliste stehen, allzu stiefmütterlich behandelt würden, sagt Rudolf Neumaier, der Geschäftsführer des Vereins. So traurig die Causa Reichelsdorf ist - als Beleg dafür mag sie hervorragend dienen.

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