Bürokratieabbau:Die Furcht der Denkmalpfleger

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Das ehemalige Quelle-Versandhaus zwischen Nürnberg und Fürth ist ein Nachkriegsbau von ganz eigener Qualität und steht schon seit vielen Jahren unter Denkmalschutz. Trotzdem wurde zwischenzeitlich lange über seinen Abriss diskutiert. (Foto: Florian Peljak)

Damit „nicht erforderlicher Verwaltungsaufwand entfällt“, will der Kunstminister das bayerische Denkmalschutzgesetz überarbeiten. Fachleute befürchten, dass dabei „der Beliebigkeit Tür und Tor geöffnet“ werde. Was sich Blume und seine Leute alles vorstellen können.

Von Matthias Köpf

Es ist ziemlich genau ein Jahr her, dass sich der Freistaat und seine Staatsregierung für 50 Jahre Bayerisches Denkmalschutzgesetz gefeiert haben, und pünktlich zum Jubiläum hat der Landtag eine neue Fassung dieses einst europaweit wegweisenden Gesetzes in Kraft gesetzt. Wenn es aber nach Markus Blume (CSU) und einigen seiner Spitzenbeamten im Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst geht, dann steht schon die nächste Änderung an.

Eine Idee: Was noch keine vollen 50 Jahre überstanden hat, könnte künftig grundsätzlich nicht mehr als Baudenkmal gelten. Doch nicht nur das lässt die Praktiker im Denkmalschutz Schlimmes befürchten. Denn dem Ministerium schweben weitere gravierende Eingriffe und womöglich sogar ein Systemwechsel vor.

Was sich Blume und seine Leute da alles vorstellen können, geht aus einem Schreiben hervor, das der Minister im März an den Landesdenkmalrat gerichtet hat. Der berät die Staatsregierung in Denkmalfragen, derzeit gehören ihm 31 Vertreter unter anderem aus Politik, Heimatpflege, Kammern, Kirchen, Kommunen und aus dem Ministerium selbst an. Blume fragt sie in seinem Brief, was sie davon hielten, von der bisherigen Systematik „eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt auf das gegenläufige System einer Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt“ umzustellen. Dann wäre im Umgang mit einem Denkmal erst einmal alles erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten wird – auf die Gefahr hin, dass die Denkmalschützer immer erst dann mit ihren Verboten vorbeikommen, wenn es längst zu spät und das Denkmal beschädigt oder gar zerstört ist.

Alternativ und „grundsätzlich vorzugswürdig“ kommt für Blume infrage, die rund 120 000 Baudenkmäler in Bayern nicht mehr alle unter den gleichen, mehr oder weniger strengen Schutz zu stellen, sondern in verschiedene Kategorien einzuteilen. Je nach Kategorie wäre ein Baudenkmal dann praktisch unantastbar oder könnte ohne viel Federlesens verändert werden. Dies biete „die Chance, erlaubnispflichtige Maßnahmen so abzuschichten, dass nicht erforderlicher Verwaltungsaufwand entfällt“, erläutert Blume und weist ausdrücklich auf den Hintergrund seines Vorstoßes hin, nämlich die „Deregulierung“ und „das Ziel des Bürokratieabbaus“, das die Staatsregierung insgesamt gerade mit einigem Eifer verfolgt.

Der CSU-Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper (links) ist seit einigen Monaten Vorsitzender des Landesdenkmalrats. Miesbachs Kreisbaumeister Christian Boiger (rechts) hat ihm bei einem Besuch des historischen Forsthauses in der Valepp auch seine Befürchtungen vor einer Aufweichung des Denkmalschutzes vorgetragen. (Foto: Matthias Köpf)

In den Ohren vieler Denkmalschützer klingt das Wort „Deregulierung“ bedrohlich, denn sobald der Denkmalschutz irgendwo irgendwelchen Plänen im Weg ist, steht meistens gleich der Vorwurf überbordender Bürokratie im Raum. Praktiker wie Christian Boiger, der als Kreisbaumeister im Landratsamt Miesbach für den Denkmalschutz verantwortlich ist, befürchten, dass Denkmäler einer geringeren Kategorie schlicht zur Disposition stünden. Da werde „der Beliebigkeit Tür und Tor geöffnet – und Beliebigkeit ist in der Denkmalpflege das Letzte, was man brauchen kann“, warnt Boiger. Kirchen oder Schlösser blieben ja womöglich tabu. Aber was geschähe mit Denkmälern, die weniger augenfällig sind, mit Wirtschaften, Forsthäusern oder Feldstadeln?

Boiger bezweifelt, dass so eine Kategorisierung eine Verschlankung brächte. Denn wer sollte alle 120 000 Baudenkmäler einteilen? „Das halte ich für nicht machbar und für denkmalfachlich gefährlich“, warnt Boiger. In den Landratsämtern könne man das kaum leisten, und das finanziell und personell stets kurz gehaltene Landesamt für Denkmalpflege habe ohnehin Mühe, die Denkmalliste aktuell zu halten. Der Landtag hat dem Landesamt zwar gerade 27,5 zusätzliche Stellen zugebilligt, doch damit soll vor allem die 2021 eingerichtete „Task Force“ erweitert werden, eine Art denkmalpflegerisches Sonderberatungskommando zur Rettung akut bedrohter Objekte. So weit sollte es aber erst gar nicht kommen, findet Boiger.

Der angeschriebene Denkmalrat habe sich zu all dem noch keine Meinung gebildet, sagt der CSU-Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper, der dem Rat seit März vorsitzt. Brannekämper sieht da gar keine Eile, da Blume um Antwort bis Oktober gebeten hat, „um noch in diesem Jahr mit den Arbeiten an einem konkreten Gesetzentwurf beginnen zu können“. Eine Kategorisierung müsse aber keine Schwächung bedeuten, sondern ermögliche vielleicht sogar, „landschaftsprägende Objekte“ zu schützen, die bisher nicht als Denkmal gälten. Der Rat werde sich jedenfalls „nicht verbiegen, nur weil der Minister was möchte“.

Für Sabine Weigand, die schon einmal mit einem Antrag zu den landschaftsprägenden Objekten an CSU und FW gescheitert ist, agiert Brannekämper da aber deutlich zu defensiv. Die Grüne, die ebenfalls Landtag und Denkmalrat angehört, wünscht sich eine rechtzeitige und intensivere Debatte. In Blumes Ideen sieht sie einen „Paradigmenwechsel, der meiner Meinung nach die Axt an den Denkmalschutz legt, wie wir ihn kennen“. Stattdessen solle die Staatsregierung endlich mehr Geld für den Entschädigungsfonds bereitstellen, aus dem die Eigentümer denkmalbedingten Mehraufwand erstattet bekommen. Auch die Landratsämter brauchten weniger Deregulierung, sondern mehr Personal.

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