Demoskopen:40 Prozent - zu schlecht, um wahr zu sein

Horst Seehofer

Als Umfrageopfer sieht sich der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer. Die schlechten Zahlen kann er nicht nachvollziehen.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Gerade mal 40 Prozent bescheinigt das Umfrageinstitut Forsa der CSU für die nächsten Landtagswahlen, falls am kommenden Sonntag gewählt würde.
  • Profiteure sind laut Forsa die Grünen (14 Prozent) und die AfD (10). Die SPD stagniert bei 16 Prozent.
  • Zuletzt hatte die CSU vom traditionell CSU-freundlichen Institut GMS 48 Prozent bescheinigt bekommen.

Von Wolfgang Wittl

Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil, mit diesem Prinzip ist die CSU schon immer gut gefahren. Der grobe Klotz am Mittwoch ist eine zweistellige Zahl, der grobe Keil heißt Andreas Scheuer. Nur 40 Prozent bescheinigt das Umfrageinstitut Forsa der CSU für die nächsten Landtagswahlen, falls am kommenden Sonntag gewählt würde. Ein historischer Tiefstand. Antwort Generalsekretär Scheuer: "So was überhaupt zu veröffentlichen, ist stümperhaft und unprofessionell."

Veröffentlicht hat die Umfrage das Magazin Stern mit der Überschrift: "Seehofers Kurs lässt CSU abschmieren." Die Analyse dazu liefert Forsa-Chef Manfred Güllner: "Die Ergebnisse zeigen, dass Horst Seehofers wiederholte Attacken gegen Kanzlerin Angela Merkel also keinesfalls Wähler am rechten Rand der CSU binden." Nun muss man wissen, dass Güllner in der CSU etwa so beliebt ist wie Markus Söder bei Seehofer, bevor diese beiden einen Burgfrieden schlossen.

Güllner mache keine Umfragen, sondern Politik - so lautet der stets wiederkehrende Vorwurf aus der CSU. "Nein", sagt CSU-Chef Seehofer daher am Mittwoch auch auf die Frage, ob er die Umfrage ernst nehme: "Die politischen Kundgebungen von Herrn Güllner sehe ich immer sehr gelassen."

Bemerkenswert ist die Zahl trotzdem: 40 Prozent - so niedrige Werte hatte die CSU in einer Umfrage zuletzt vor gut fünf Jahren. Schlechter lag sie nur noch 1993 (39 Punkte), als Max Streibl mit der Amigo-Affäre seinem Ende als Ministerpräsident entgegentaumelte. Vor 14 Monaten sah Forsa die CSU noch bei 47 Prozent.

Scheuer sieht die CSU wie seit vielen Monaten stabil bei 48 Prozent

Dass er von der CSU verteufelt werde, sei er gewohnt, sagt Güllner der SZ: "Das ist immer so, wenn die Zahlen nicht passen." Kritik an der Arbeitsweise seines Hauses weist der Forsa-Chef zurück: Sein Institut habe bei den vergangenen zwei Bundestagswahlen die geringsten Abweichungen in der Branche erzielt. Dass er für Merkel Politik mache, wie ihm die CSU vorhält? "Warum sollte ich?" Zugleich sagt Güllner: "Ich verstehe Seehofer nicht. Er schadet der ganzen Union." Als Beleg führt er an, dass die CSU bei einer Bundestagswahl derzeit sogar auf 41 Prozent käme - also mit Merkel immerhin einen Punkt mehr holen würde als im eigenen Land ohne sie. Die harsche Reaktion der CSU stützt sich auch auf eine andere Umfrage: Vergangene Woche hatte sie vom Institut GMS im nahezu selben Umfragezeitraum 48 Prozent bescheinigt bekommen und damit offensiv ihre Politik gerechtfertigt. Güllner vermag die großen Abweichungen nicht zu begründen, seine Zahlen seien plausibel. Scheuer sieht die CSU wie seit vielen Monaten stabil bei 48 Prozent, auch jetzt. Nach Ansicht führender Funktionäre liegt die Wahrheit wohl aber in der Mitte zwischen Forsa und der traditionell CSU-freundlichen GMS. Auch diese 44 Prozent wären für die CSU, die 2013 mit 47,7 Prozent die absolute Mehrheit zurückgewann, ein besorgniserregender Wert. Die Schuld sieht die Parteispitze in Merkels Politik, nicht in der eigenen Reaktion darauf. Man werde den Kurs "uneingeschränkt fortsetzen", kündigt Seehofer an.

Demoskopen: SZ-Grafik; Quelle: wahlrecht.de

SZ-Grafik; Quelle: wahlrecht.de

Profiteure sind laut Forsa die Grünen und die AfD

Sein Finanzminister Markus Söder weist schon seit Wochen darauf hin, dass die CSU vom Niedergang der CDU angesteckt werden könne. "Horst Seehofers Strategie ist richtig", sagt Söder am Mittwoch. Die Umfrage könne er nicht nachvollziehen, seine Wahrnehmung sei eine andere: Dass nämlich "unser Kurs von der überragenden Mehrheit der Bevölkerung und der Mitglieder geteilt wird". JU-Chef Hans Reichhart teilt diese Einschätzung. Nicht die CSU, sondern die CDU müsse sich bewegen. Söder sagt: "Die Sorgen liegen in Berlin."

Andere in der CSU geraten mit Blick auf die neuen Umfragewerte ins Grübeln. Die 40 Prozent kämen nicht überraschend, sagt ein Vorstandsmitglied. Nicht nur die Gesellschaft, auch die Anhängerschaft sei bereits gespalten. Insbesondere Mitglieder, die stark in den Kirchen verankert seien, fühlten sich von der Kritik an Merkels humaner Flüchtlingspolitik getroffen. Man vergraule Wähler aus der Mitte.

Passend dazu hat Alois Glück, der frühere CSU-Fraktionschef und Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, soeben eine 21-seitige Denkschrift über politische Verantwortung und Wertekonflikte veröffentlicht. Die CSU sei keine Protestpartei, heißt es darin, sondern eine Partei mit Gestaltungskraft.

Profiteure sind laut Forsa die Grünen (14 Prozent) und die AfD (10), die SPD stagniert bei 16 Prozent. Der Streit in der Union stoße inzwischen viele CSU-Wähler ab, sagen interne Kritiker. Mit den 40 Prozent sei man in der harten Realität angekommen. Bayern leiste mit seiner Flüchtlingspolitik zwar mehr als alle andere Bundesländer, die CSU übertöne durch ihre scharfe Rhetorik aber all diese Leistungen.

Die CSU-Führung macht für die Probleme Merkel verantwortlich. Im unteren vierstelligen Bereich lägen die Parteiaustritte in diesem Jahr, zu etwa 80 Prozent würden sie mit der Politik der Kanzlerin erklärt. Die Eintritte sind zwar annähernd doppelt so hoch. Begründet werden sie aber nicht.

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