Wer da jetzt derjenige war, der sich eigentlich nicht im Rosenheimer Rathaus befinden sollte, das machten die Demonstranten durchaus deutlich. „Nazis raus“, riefen sie in der Stadtratssitzung am Mittwochabend unter anderem. Die Forderungen bezogen sich auf einen Mann, der in jener Sitzung als neues Stadtratsmitglied vereidigt werden sollte: den mindestens extrem rechtslastigen „Querdenker“-Propagandisten Stefan Bauer. Im Rosenheimer Rathaus wird sich kaum jemand finden, der Bauer wirklich im Stadtrat sitzen haben will – nicht einmal unter seinen ehemaligen Parteifreunden, die Bauer nach einem Skandal wegen eines seiner Videos aus der AfD ausgeschlossen haben. Und doch musste Oberbürgermeister Andreas März (CSU) nicht Bauer von der Polizei aus dem Saal geleiten lassen, sondern die knapp zwei Dutzend Demonstranten.
Zuvor hatten – ebenfalls demonstrativ – schon die Stadträte der Grünen und der SPD den Saal verlassen. Dass der Stadtrat „einen erklärten ‚„Querdenker“-Propagandisten und Rassisten‘“ aufnehme, das erfülle ihn „mit Sorge und Wut“, erklärte dazu Grünen-Stadtrat Karl-Heinz Brauner, dem die Erinnerungskultur und die Aufarbeitung der NS-Zeit in Rosenheim schon lang ein Anliegen sind. Neu-Stadtrat Bauer hingegen hatte sich in seinem Skandalvideo vor einigen Jahren in ganz anderer Weise auf die Nazizeit bezogen. In jenem offenkundig an der KZ-Gedenkstätte im oberösterreichischen Mauthausen gedrehten Film hatte er die Covid-Impfung mit dem Einsatz des Giftgases Zyklon B in den Konzentrationslagern verglichen und Parallelen zwischen den staatlichen Anti-Corona-Maßnahmen und dem Holocaust gezogen.

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Unter anderem dies hatte auch zu seinem Rauswurf aus der AfD geführt, die sonst auch in Rosenheim wenig Berührungsängste mit extrem Rechten zeigt. Nach dem Video hatte sich die AfD aber in seltener Einmütigkeit von Bauer als Schriftführer des Kreisverbands und auch als Parteimitglied getrennt. Trotzdem gelangte Bauer nun über die AfD-Liste in den Stadtrat. Ein langjähriger Stadtrat der Republikaner, der 2020 für die AfD kandidiert hatte und als einer von drei AfDlern in den Rat gewählt wurde, war im November mit 85 Jahren gestorben. Der gemäß dem damaligen Wahlergebnis erste mögliche Nachrücker von der damaligen AfD-Liste ist inzwischen aus Rosenheim weggezogen. Also war nun notgedrungen der 2020 mit immerhin 3726 Stimmen gewählte Bauer an der Reihe, obwohl er der AfD gar nicht mehr angehört.
OB März hielt ihm bei der Vereidigung die vorgedruckte Formel vor und dabei durchaus Distanz zu Bauer. Dieser gelobte unter anderem Treue gegenüber dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und der Verfassung des Freistaats Bayern. Ob er sich daran hält, wird sich zeigen.