Süddeutsche Zeitung

Demo in Guttenberg:"Ohne KT, Deutschland ade"

Zuspruch für den gefallenen Sohn des Dorfes: Am Ende kommen die Unterstützer in Sonderbussen nach Guttenberg, um für ihren Star zu demonstrieren. Ein Dorf im Ausnahmezustand.

Olaf Przybilla

Man wird Uwe Böhnke gewiss nicht nachsagen können, dass er zur Menge der maßlosen Guttenberg-Verehrer gehört. Böhnke ist der Wirt des einzigen Gasthauses in Guttenberg, und er ist der Chef der örtlichen SPD, übermäßige Verehrung darf man da nicht erwarten. Wer den Wirt in den letzten Wochen besucht hat, der spürte früh, dass da ein Skeptiker das Bier auf den Tisch stellt.

Auch am Samstag ist Böhnke einer der wenigen aus dem Ort, der nicht Plakate für den gefallenen Sohn der Dorfes in den Himmel reckt. Das aber hat auch ganz praktische Gründe: Eine Menschenmenge wie die am Samstag dürfte das Dorf noch nicht gesehen haben in seiner 750-jährigen Geschichte. Böhnke kommt mit dem Ausschenken kaum noch nach.

Marc Benker hat eine Kundgebung für höchstens 100 Teilnehmer angemeldet. Wer aber eine halbe Stunde vor Beginn aus den Fenstern der "Post" blickt, der sieht eine schier endlose Schlange Menschen zum Schloss hinauf pilgern. Kurz davor sollen die Leute nach links abbiegen. Die Kundgebung sollte ursprünglich auf dem engen Platz vor dem Sitz derer zu Guttenberg stattfinden.

Nun aber müssen die Reden 300 Meter entfernt an der Stelle am Spielplatz gehalten werden, an dem die Guttenberger ein Denkmal von Karl Theodor zu Guttenberg aufgestellt haben. Wobei es sich wohlgemerkt um den Großvater des zurückgetretenen Verteidigungsministers handelt. "Einen solchen Ansturm hätte ich mir nicht vorstellen können", sagt Benker.

Von 1500 Teilnehmern spricht die Polizei, die Veranstalter glauben 4000 Menschen gezählt zu haben, die Wahrheit dürfte irgendwo dazwischen liegen. Wie dem auch sei, sagt Bürgermeister Eugen Hain, die Zahl der Demonstranten übersteige die der Einwohner des Dorfes um ein Vielfaches. Selbst beim großen Kreisfeuerwehrfest sind weniger Besucher im Ort. Auf der Straße neben dem Denkmal halten Sonderbusse, dort liegen auch Papierbögen aus. Die Leute dürfen für ihren ehemaligen Abgeordneten unterschreiben, das Papier reicht nicht aus.

"Ohne KT, Deutschland ade" steht auf den Plakaten, "Ein Guttenberg tritt nicht zurück. Er nimmt nur Anlauf" und "KT löst Seehofer ab, wird Kanzler in Berlin und mistet den Kindergarten aus". Der Bürgermeister sagt, die Guttenberger würden sich auch in Zukunft sehr gerne von ihrem ehemaligen Abgeordneten vertreten lassen, die Menge jubelt.

Sie jubelt noch lauter, als Enoch zu Guttenberg, der Schlossherr, ans Mikrofon tritt. Der hält eine Philippika gegen die Medien. Und er entschuldigt seinen Sohn; diesem seien die Kräfte ausgegangen. "Mein Sohn schickt Ihnen sein Herz und er verspricht Ihnen seine Treue", ruft der Vater den Wutguttenbergern zu. Dem Bürgermeister steht das Wasser in den Augen in diesem Moment.

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Quelle:
SZ vom 07.03.2011/bica
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