Demo der Gymnasiasten:Wenn Schüler auf der Straße stehen

Die Furcht, Bildungsverlierer zu sein: Am Freitag werden Gymnasiasten gegen den Prüfungsdruck am G8 demonstrieren - bayernweit.

C. Burtscheidt

Die Schule ist Mario Müller wichtig. Er besucht zurzeit die elfte Klasse am Allgäuer Gymnasium in Kempten. Oft sitzt er bis in den späten Abend hinein an seinen Hausaufgaben. Wöchentliche Arbeitszeiten von 50 Stunden sind selbstverständlich. Dennoch bringt er nur schlechte Noten nach Hause.

Demo der Gymnasiasten: Kein Unterricht: Am Freitag wird bayernweit in den Gymnasien demonstriert.

Kein Unterricht: Am Freitag wird bayernweit in den Gymnasien demonstriert.

(Foto: Foto: dpa)

Wie Mario ergeht es vielen Elftklässlern - dem ersten G-8-Jahrgang, der im Herbst in die neue Oberstufe gekommen ist. Sie klagen über Prüfungsdruck und ein zu hohes Anforderungsniveau und sehen sich um ihre Bildungschancen gebracht. "Wir sind es leid, Versuchskaninchen zu sein", sagt Mario Müller.

Am Freitag, wenn es Halbjahreszeugnisse gibt, hat er deshalb mit weiteren Schülervertretern zum "Q-11-Bildungsstreik" aufgerufen. Die Abkürzung steht für Qualifikationsphase 11, womit die elfte Jahrgangsstufe gemeint ist. Demonstriert wird bayernweit von Kempten bis Bayreuth.

Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) reagierte am Montag in München auf den angekündigten Schülerstreik. Der Politiker will einen Leistungsknick vermeiden und den Sorgen und Ängsten vieler Eltern und Schüler vor allem mit zwei Maßnahmen begegnen: Erstmals wird das Ministerium kommende Woche in einer landesweiten Untersuchung die Halbjahreszeugnisse der elften Klasse unter die Lupe nehmen, um herauszufinden, ob sich der Notendurchschnitt tatsächlich verschlechtert.

Zweitens werden die Anforderungen in den Abiturfächern im Vergleich zu den bisherigen Leistungskursen herabgesetzt. Darauf hat das Ministerium auch die Lehrer noch einmal in sogenannten Sonderkontaktbriefen aufmerksam gemacht.

Was die Schüler auf die Straße treibt, ist die Furcht, 2011 als Bildungsverlierer dazustehen. Denn in dem Jahr werden die ersten G-8-Schüler gemeinsam mit dem letzten G-9-Jahrgang ihr Abitur machen, so dass doppelt so viele Bewerber um einen Studienplatz an Bayerns Hochschulen konkurrieren werden.

Hier wird zwar gegenwärtig das Angebot aufgestockt, nicht aber in den begehrten Numerus-clausus-Fächern wie Medizin oder Pharmazie. Zum Zuge wird dort nur kommen, wer beim Abitur eine Eins vor dem Komma hat.

Problematisch ist, dass der G-8-Schüler die Prüfung unter anderen Bedingungen als jener vom G-9-Jahrgang schreibt. Denn parallel zur Schulzeitverkürzung ist die Oberstufe reformiert worden. Die bisherige Trennung von Grund- und Leistungskursen wurde abgeschafft und damit auch die Möglichkeit, unliebsame Fächer abzuwählen.

Die G-8-Schüler müssen nun in Mathematik, Deutsch und einer Fremdsprache das Abitur ablegen. Kritik an ungleichen Anforderungen beim Abitur hatte die Landeselternvereinigung bereits geübt. Ihr Vorsitzender, Thomas Lillig, schlug wegen "grottenschlechter Notendurchschnitte an der Q11" Alarm.

Liste mit Forderungen

Kultusminister Spaenle versicherte daraufhin, das neue Abitur werde nur mehr auf dem bisherigen Grundkursniveau stattfinden. Zudem kündigte er Korrekturen an wie laxere Wiederholerregeln und Stichprobenerhebungen bei Klausuren. Die Elftklässler sind mit den Vorschlägen offenbar aber nicht zufrieden.

Auf der Liste ihrer Forderungen stehen eine weitere Überarbeitung der Lehrpläne und Stundentafeln, kleinere Kurse, mehr Lehrer, gerechtere Abituraufgaben, weniger Stunden, Wahlfreiheit bei allen Abiturfächern, die Gestaltung des Gymnasiums als Ganztagsschule sowie die Beibehaltung des G9 parallel zum G8. Unterstützung erhalten sie dabei von den kirchlichen Jugendverbänden sowie den Eltern: "Wir sind eins zu eins dabei", sagt Lillig von der Landeselternvereinigung. "Erheblichen Reformbedarf am Feldversuch G 8" sehen auch die Landtags-Grünen.

Die zentrale Kundgebung der Schüler wird am Freitag in München stattfinden. Weitere Demonstrationsorte sind Kempten, Bayreuth und Augsburg. Drei der vier Demonstrationen sollen vormittags zur Unterrichtszeit stattfinden. Spaenle nannte diese Terminplanung "bewusste Provokation", will die Entscheidung über eventuelle disziplinarische Maßnahmen aber den jeweiligen Schulen überlassen. Die Kritik nimmt der Minister trotzdem durchaus ernst: "Die Sorgen der Eltern sind spürbar. Der Vorwurf muss entkräftet werden, dass ihre Kinder Versuchskaninchen sind."

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