Süddeutsche Zeitung

"Dem Schnabel nach":Im spanischen Schlaraffenland

  • Die Namensabstimmung für den SZ-Vogel ist beendet. Die gesamte Berichterstattung können Sie unter sz.de/szvogel verfolgen.

Von Christian Sebald

Die wichtigste Nachricht vorneweg: Dem SZ-Brachvogel geht es bestens, er fühlt sich richtig wohl im Nationalpark Coto de Doñana an der andalusischen Costa de la Luz. Am Montag um acht Uhr morgens war er im Delta des Guadalquivir unterwegs "Unablässig stapfte er in der dortigen Feuchtwiesen herum, sie sind voller kleinem Getier, wie es so ein Brachvogel für sein Leben gerne frisst", sagt Markus Erlwein vom Landesbund für Vogelschutz (LBV). "Für ihn ist die Region dort unten das reinste Schlaraffenland." Der LBV-Mann Erlwein weiß genau, wovon er spricht, auch wenn er 2000 Kilometer Luftlinie entfernt vom Nationalpark Coto de Doñana in seinem Büro in der LBV-Zentrale im mittelfränkischen Hilpoltstein sitzt. Aber über den GPS-Sender, den der Brachvogel auf seinem Rücken trägt, ist der LBV-Mann gleichsam live mit ihm verbunden und kann beinahe jede seiner Bewegungen am Bildschirm nachvollziehen.

Der Nationalpark Coto de Doñana mit dem Mündungsgebiet des Flusses Guadalquivir ist ein Vogelparadies erster Güte. Und ein gigantisches dazu: Der Nationalpark selbst ist gut 54 000 Hektar groß. Das ist mehr als doppelt so groß wie der Nationalpark Bayerischer Wald. Hinzu kommt eine 26 500 Hektar große Pufferzone. Die gesamte Region ist Spaniens wichtigstes Feuchtgebiet, was vor allen an den sogenannten Marismas liegt, einer flachen immer wieder überschwemmten Zone. An der Küste haben der Guadalquivir, der mit 650 Kilometern Andalusiens längster Fluss ist, und das Meer bis zu 40 Meter hohe Sanddünen aufgetürmt, die das Meer von der Feuchtlandschaft abschirmen.

Der Nationalpark ist ein wichtiger Rastplatz für alle möglichen westeuropäischen Zugvögel auf ihrem Winterflug nach Afrika. Angeblich machen hier bis zu vier Fünftel der westeuropäischen Enten Station, bevor sie in ihre eigentlichen Überwinterungsgebiete fliegen. Deshalb kann man in Coto de Doñana Schwärme von jeweils mehr als hunderttausend Krickenten, Pfeifenten oder Spießenten beobachten. "Aber auch die bayerischen Uferschnepfen tanken in Coto de Doñana noch einmal auf", sagt LBV-Mann Erlwein, "bevor sie dann noch einmal 2700 Kilometer weit an ihr Ziel im westafrikanischen Senegal fliegen." Die schier unzählige Vogelvielfalt ist freilich nicht der einzige Schatz des Nationalparks, der seit dem Jahr 1994 zum Weltnaturerbe zählt. Hier leben auch der sehr seltene Pardelluchs, der nur Wildkaninchen jagt, und die schwarz gefleckte Ginsterkatze. Sie ist einst von Menschen aus Afrika nach Spanien eingeführt worden und wird bisweilen auch in Deutschland gesichtet. Aber auch Rothirsche, Damwild und Wildschweine leben zuhauf in dem Schutzgebiet, dazu verwilderte Pferde und Rinder.

Und nun über den Winter auch der SZ-Brachvogel. Er ist ein prächtiges Exemplar. Als die Biologin und Forschungsleiterin Friederike Herzog ihn am 11. Mai in ihren Händen hielt, wog das Tier 860 Gramm. Seine Flügel maßen jeweils 30 Zentimeter und der markante Schnabel war exakt 14,2 Zentimeter lang. Gleichwohl bietet der Brachvogel den LBV-Experten noch das eine oder andere Rätsel. So ist nur klar, dass es sich um ein erwachsenes Tier handelt. "Aber ob es drei oder vier Jahre alt ist oder noch älter, wissen wir nicht", sagt Erlwein "und werden wir nie exakt wissen können." So ein Vogel verrät den Forschern sein Alter ja nicht, einen exakten Alterstest für Brachvögel gibt es nicht.

Auch das Geschlecht des SZ-Brachvogels ist unklar. "Vom Gewicht ist er mit seinen 860 Gramm schon an der oberen Grenze", sagt Erlwein. "Da bei den Brachvögeln die Weibchen größer und schwerer werden als die Männchen, dürfte es sich also um ein Weibchen handeln." Wenn da nicht die Form des Schnabels wäre. Bei den Brachvogel-Weibchen ist der Schnabel erst eher gerade und geht dann nach einem leichten Knick nach unten. Bei den Männchen hingegen ist er sehr gleichförmig gebogen. So auch beim SZ-Brachvogel. "Deshalb könnte es sich also auch um ein Männchen handeln", sagt Erlwein.

Anders als das exakte Alter kann man das Geschlecht des Tieres aber aufklären - mit Hilfe eines Gentests. Als Herzog und ihr Helfer den SZ-Brachvogel vermaßen und wogen und ihm danach den GPS-Sender auf den Rücken schnallten, verlor das Tier einige wenige, kleine Federn. Die hat der LBV längst an ein Speziallabor geschickt. Das Ergebnis des Gentests steht freilich noch aus.

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Quelle:
SZ vom 17.07.2018/sim
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