Süddeutsche Zeitung

BR-Studio Franken:"Dieses Schmierenspiel hätte man sich mit einem Mann nie erlaubt"

  • Der Vertrag von Kathrin Degmair, Leiterin des BR-Studios Franken in Nürnberg, soll nach fünf Jahren nicht verlängert werden.
  • Ein BR-Rundfunkrat erklärt: "Dieses Schmierenspiel hätte man sich mit einem Mann nie erlaubt."
  • Das Wort vom "auf die Füße steigen" fällt in Gesprächen über Degmair auffällig oft.
  • Als ein möglicher Nachfolger wird Stephan Kirchner gehandelt.

Von Olaf Przybilla

Über Kathrin Degmair gibt es rühmliche Geschichten. Nach dem Anschlag in einem Zug bei Würzburg im Juli 2016 machte sie sich selbst auf den Weg an den Main und fragte im BR-Studio Mainfranken nach, ob die Kollegen Unterstützung brauchen. Eine Selbstverständlichkeit für die Leiterin des BR-Studios Franken in Nürnberg, so mag das für manchen klingen. Ist es aber wohl eher nicht. Degmair war 2014 als erste Frau zur Chefin der fränkischen Niederlassung des BR berufen worden, die dem eigenen Selbstverständnis gemäß in der ARD mit 320 Mitarbeitern "eine besondere Stellung" einnimmt. Immerhin vertrete dieses Studio "ein Gebiet, das etwa die Größe Hessens, nicht aber den Status eines Bundeslandes besitzt", heißt es beim BR. Als vor fünf Jahren einer damals erst 37-Jährigen diese Verantwortung übertragen wurde, galt das als Überraschung. Dass ihr Vertrag nach den ersten fünf Jahren nicht mehr verlängert werden soll, ist es für viele ebenfalls.

Zwar machten Gerüchte über Zwistigkeiten schon beim Fernsehfasching in Veitshöchheim die Runde, aber dort treffen zahlreiche Journalisten auf noch mehr Honoratioren, das Gerüchteaufkommen ist entsprechend. Und selbst nachdem die Nürnberger Nachrichten (NN) am Dienstag unter der Überschrift "'Eisprinzessin' stolpert über ihren ruppigen Umgangsstil" über den anstehenden Wechsel berichtet haben, übt sich der BR in Zurückhaltung. Kein Kommentar, heißt es aus der Pressestelle. Und auch Martin Wagner, Degmairs Vorgänger als Studioleiter und jetziger BR-Hörfunkdirektor, bittet um Verständnis, zu der Personalie nichts sagen zu können.

Und wie das immer so ist: Je weniger Offizielles zu hören ist, desto vielstimmiger sind die Spekulationen und Meinungsbekundungen. Am Begriff "Eisprinzessin" stören sich viele. Dass der im Studio Franken als Spitzname kursiert, wird bestätigt. Er soll etwas mit der Art zu tun haben, wie eisig Degmair angeblich in Gesprächen mit Kollegen sein kann. "Nur frage ich mich", sagt ein männlicher BR-Mitarbeiter, "ob man so was auch betonen würde, wenn ein Mann sich als Führungskraft ähnlich verhält." Er vermutet, da wäre dann eher von Führungsstärke die Rede. Ein BR-Rundfunkrat, ebenfalls männlich, sieht das genauso: "Dieses Schmierenspiel hätte man sich mit einem Mann nie erlaubt."

Was steckt wirklich dahinter?

Klare Vorstellungen und hohes Arbeitsethos bescheinigen Degmair so ziemlich alle. Beim Anschlag in Ansbach telefonierte die Studioleiterin noch in der Nacht mögliche Berichterstatter ab, auch das hält nicht jeder Chef so. Wenn etwa in solch medialen Großlagen zu lasch gearbeitet wurde, so soll Degmair ungemütlich geworden sein, mitunter auch laut. "Aber wenn bei jeder Führungskraft, über dessen Ruppigkeit sich Reporter beim Rundfunkrat beschweren, der Vertrag nicht verlängert würde - dann gäbe es bald keine BR-Führungskräfte mehr", sagt ein langjähriger Mitarbeiter.

Also doch andere Gründe? Die einen sagen, Degmair habe nicht widerspruchslos alles hingenommen, was das Haupthaus vorgab. Andererseits gehört der Streit ums Personal und hinreichende Ausstattung zum Kerngeschäft jedes ARD-Studios. Zumal es auf dem parkähnlichen Areal an der Wallensteinstraße Anlass zum Kämpfen gab: In Degmairs Zeit fällt die Planung eines Multifunktionsneubaus, von dem aus künftig auch die Sendung "Kabarett aus Franken" aufgezeichnet werden soll, die bisher aus einer Art besserem Foyer kommt. Da dürften auch künftige Studioleiter kämpfen müssen und, wie ein BR-Mann formuliert, "auch mal München auf die Füße steigen". Dass etwa Toiletten und Heizungsanlage auf ein Minimum beschränkt werden sollten im Neubau, dagegen habe sich Degmair angeblich gewehrt.

Das Wort vom "auf die Füße steigen" fällt in Gesprächen über Degmair - die in eigener Sache derzeit nicht sprechen will - auffällig oft. Freilich wollen sich wenige damit zitieren lassen. Einer, der mit ihr in den vergangenen Jahren viel zu tun hatte, der Ehrenpräsident des Fastnacht-Verbands Franken, Bernhard Schlereth, hat damit kein Problem. "Sie musste im Studio Franken den einen oder anderen Sumpf trockenlegen und dabei auch dem einen oder anderen auf die Füße steigen", weiß Schlereth, künstlerischer Leiter im Verband bei der "Fastnacht in Franken". "Ich bin überrascht, ja sogar bestürzt", sagt er. Man habe gut mit Degmair, deren Vertrag im April ausläuft, zusammengearbeitet. Sie soll an anderer Stelle im BR eingesetzt werden.

Als ein möglicher Nachfolger wird Stephan Kirchner gehandelt. Der 53-Jährige war in Führungspositionen in den BR-Studios Würzburg und Nürnberg tätig, leitet die Redaktion Bayern aktuell und ist Regionalkoordinator. Sicher aber ist nichts.

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SZ vom 06.03.2019/huy
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