Deggendorf:36 Meter für Deggendorf

Deggendorf, Bürgerentscheid Hochhaus

Markant: Bislang ist Deggendorf von historischen Türmen, wie dem des alten Rathauses, geprägt.

(Foto: Florian Peljak)

Bürger- und Ratsbegehren über ein neues Hochhaus verfehlen das Quorum, nun steht fest: Der Turm wird gebaut

Von Wolfgang Wittl, Deggendorf

Man kennt solche Szenen von Wahlabenden: Egal wie das Ergebnis ausfällt - jede Seite findet wortreiche Erklärungen, weshalb sie als Gewinner zu betrachten ist, selbst wenn die Prozente etwas ganz anderes aussagen. So viele gefühlte Sieger wie am Sonntag in Deggendorf sind allerdings selten anzutreffen: Sowohl die Befürworter eines 36 Meter hohen Hochhauses als auch die Gegner reklamierten den Erfolg für sich, auf den ersten Blick nicht mal zu Unrecht: Beide erreichten eine Zustimmung von mehr als 50 Prozent. Das kann vorkommen, wenn Bürgerentscheid und Ratsbegehren gemeinsam auf einem Stimmzettel stehen. Aber für solche Fälle gibt es ja noch eine Stichfrage.

In dieser fand das Ratsbegehren, das sich für eine Entwicklung des Hochschulviertels inklusive bis zu 36 Meter hoher Gebäude aussprach, eine Mehrheit von gut 60 Prozent. Auch bei der normalen Abstimmung erzielte das Ratsbegehren mit fast 5000 Stimmen (68,4 Prozent) eine größere Unterstützung als das Bürgerbegehren mit knapp 3200 Stimmen (50,9 Prozent). Trotzdem war dessen Initiator Johannes Grabmeier, der eine Höhe von lediglich 22 Metern favorisiert, zufrieden. Er habe erfreut zur Kenntnis genommen, dass die Mehrheit der Bevölkerung dem Bürgerbegehren gefolgt sei. Für Oberbürgermeister Christian Moser (CSU) sei das "eine schwere Niederlage", fügte der FW-Stadtrat Grabmeier noch hinzu. Diese Interpretation hatte er jedoch ziemlich exklusiv für sich. Als "realitätsfremd" und "traurig" geißelte Moser Grabmeiers Analyse. Genau solche Reaktionen forcierten eine gewisse Politikverdrossenheit, sagte der Oberbürgermeister: "Da fehlen einem die Worte."

Klar wird durch diese Sätze auch: Die Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern des Gebäudes bleiben verhärtet. Das Hochhaus in der Nähe der Altstadt soll Firmensitz des Unternehmers Günther Karl werden. Der OB und die Mehrheit des Stadtrats sehen darin einen wichtigen Beitrag zur städtebaulichen Entwicklung, der Turm als markanter Punkt symbolisiere die Vereinigung des neuen und alten Deggendorf. Gegner des Projekts fürchten eine Verschandelung der historischen Stadtsilhouette. Sie kritisieren außerdem, dass kein Architektenwettbewerb ausgerufen worden ist. Ein Diskussionsprozess für das Ringen um die beste Lösung sei daher nie in Gang gekommen. Der Oberbürgermeister verweist darauf, dass ein unabhängiges Expertengremium den Stadtrat bei der Gestaltung der Fassade beraten soll.

Rechtlich bindend ist das Ergebnis vom Sonntag nicht, beide Entscheide verfehlten das Quorum von 20 Prozent. Dass sich an der Höhe des Turms noch einmal etwas ändern wird, wie Gegner hoffen, dürfte indes auszuschließen sein. Vom Hochhaus als Kompromiss ein paar Meter wegzunehmen, "das wäre ein Schlag ins Gesicht der vielen Wähler", die sich für das Ratsbegehren ausgesprochen hätten, sagt OB Moser.

Das Verfahren für das gut 60 000 Quadratmeter große Baugebiet wird nun wieder in Gang gesetzt. Mit Spannung werden die bislang unveröffentlichten Stellungnahmen der Fachstellen erwartet. Das Landesamt für Denkmalpflege etwa hatte sich bereits vor Jahren kritisch geäußert. Für Johannes Grabmeier geht der Abwägungsprozess jetzt erst richtig los. Er hoffe, dass die Stadtratsmitglieder durch den Bürgerentscheid zum Nachdenken kämen. Mit 38 Befürwortern bei nur drei Gegnern waren die Rollen zuletzt klar verteilt. Bei optimalem Verlauf könnten noch Ende des Jahres die ersten Bagger anrollen, sagt Oberbürgermeister Moser.

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