Debatte um Flächenverbrauch:"Sie wollen uns wieder mal die Hütte anzünden"

Sitzung Landtag Bayern

Hubert Aiwanger spricht im Landtag zum Flächenverbrauch im Freistaat.

(Foto: dpa)
  • Deutlich weniger Fläche soll in Bayern verbaut werden, darin sind sich Opposition und Kabinett in Bayern einig. Über das Wie wird aber heftig gestritten.
  • 2017 lag der durchschnittliche Flächenverbrauch bei täglich 11,7 Hektar. In den Neunzigerjahren waren es mehr als 25 Hektar.
  • Die Staatsregierung will den Flächenverbrauch in Bayern bis 2030 nahezu halbieren.

Von Wolfgang Wittl

Die Staatsregierung will den Flächenverbrauch in Bayern bis 2030 auf täglich fünf Hektar begrenzen. Anders als die Grünen setzt die Koalition aus CSU und Freien Wählern aber auf das Prinzip der Freiwilligkeit. "Wir wollen runter auf fünf Hektar, ohne den Wirtschaftsstandort zu beschädigen", sagte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) nach der Kabinettssitzung am Dienstag. Dazu hat die Staatsregierung mehrere Maßnahmen beschlossen.

So sollen Gemeinden den Bedarf für neue Baugebiete künftig nach einheitlichen Kriterien darlegen müssen. Zudem soll ein flächendeckendes "Leerstandsmanagement" eingeführt werden, mit dem unbebaute Grundstücke oder leer stehende Gebäude innerhalb von Ortschaften erfasst werden. Diese Flächen sollen künftig stärker genutzt werden, anstatt neue Baugebiete auszuweisen. "Uns alle eint das Ziel, die Ortskerne zu stärken", sagte Bauminister Hans Reichhart (CSU).

Die Erleichterungen im sogenannten Anbindegebot, die von der damaligen CSU-Staatsregierung erst im vergangenen Jahr gegen erhebliche Widerstände eingeführt worden sind, sollen wieder zurückgenommen werden. Die Regelung sollte die Ansiedlung von Gewerbe außerhalb der Ortschaften erleichtern. Er wolle "nicht im Rückwärtsgang Dinge verurteilen", sagte Aiwanger. Aber: "Man hatte sich mehr versprochen. Man dachte, der Wirtschaft Luft unter die Flügel zu bringen. Die wollte das aber teilweise gar nicht." Auch im Baurecht plant die Staatsregierung Änderungen. Abstandsflächen sollen reduziert werden, wie dies in anderen Bundesländern bereits der Fall sei. Auch das Aufstocken von Gebäuden berge Potenzial, sagte Reichhart - eine Million Wohnungen in Deutschland könnten so geschaffen werden.

Ein zentraler Punkt für Aiwanger: Er will einen genauen Überblick bekommen, welche Flächen tatsächlich versiegelt sind. Von den gut zehn Hektar, die täglich verbraucht würden, handele es sich zur Hälfte um Flächen wie Sportplätze, Parkanlagen, Golfplätze und Fotovoltaikanlagen. Sie tauchten in Statistiken als versiegelt auf; es könne aber keine Rede davon sein, dass sie tatsächlich zubetoniert seien, so Aiwanger. Der Flächenverbrauch durch Asphaltierung falle anders ins Gewicht als etwa durch Randstreifen und Böschungen. Die Analyse solle es ermöglichen, gezielt an Stellschrauben zu drehen, sagte Aiwanger. Ziel bleibe es, den derzeitigen Gesamtverbrauch auf fünf Hektar zu reduzieren.

2017 lag der durchschnittliche Flächenverbrauch bei täglich 11,7 Hektar. In den Neunzigerjahren waren es mehr als 25 Hektar. Aiwanger betonte, dass in den vergangenen fünf Jahren fast 500 000 Menschen nach Bayern gezogen seien. Sie alle bräuchten Radwege, Straßen und Fußballplätze. "Wir werden so schnell nicht auf null runterkommen, wenn wir die Zuwanderung nach Bayern nicht unterbinden wollen", sagte Aiwanger. Aber würde die Bevölkerung schrumpfen, "dann würden wir eine ganz andere Diskussion führen".

Das Thema Flächenbedarf beherrschte am Dienstag auch die Landtagsdebatte in der Abschlusswoche vor der Sommerpause. Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann warf der Staatsregierung vor, mit dem Konzept der Freiwilligkeit gescheitert zu sein. In Bayern gebe es schon jetzt 8000 Hektar ausgewiesene Gewerbeflächen, die nicht genutzt würden. Hartmann: "Wir brauchen eine Politik, die denkt, bevor der Bagger kommt." Sandro Kirchner (CSU) und Sebastian Körber (FDP) verwiesen darauf, dass lediglich zwölf Prozent der bayerischen Fläche überplant seien - und nur die Hälfte davon tatsächlich bebaut. Der frühere Umweltminister Marcel Huber (CSU) warf den Grünen "Bevormundung" vor.

Der AfD-Politiker Franz Bergmüller forderte eine praxisgerechte Lösung. "Wir brauchen die Selbstverwaltung der Kommunen und keine Planwirtschaft." Annette Karl (SPD) sagte, Bayerns Wirtschaftskraft und Schönheit der Natur dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es brauche für die Kommunen "eine verbindliche Obergrenze mit Luft zum Atmen".

Hitzig wurde es, als Aiwanger die Grünen für ein mögliches Volksbegehren zum Flächenfraß angriff: "Sie wollen uns wieder mal die Hütte anzünden." Hartmanns Konter: "Sie haben das Ziel schon längst aufgegeben, weil sie nicht bereit sind, lenkend einzugreifen."

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