Wirtschaft in Bayern:"Mein Hirn war meine Waffe"

Wirtschaft in Bayern: Heinz Sebiger war Gründer und langjähriger Vorstandsvorsitzender des IT-Dienstleisters Datev. Das Bild datiert von 2013, drei Jahre später ist er im Alter von 93 Jahren gestorben.

Heinz Sebiger war Gründer und langjähriger Vorstandsvorsitzender des IT-Dienstleisters Datev. Das Bild datiert von 2013, drei Jahre später ist er im Alter von 93 Jahren gestorben.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Datev-Firmengründer Heinz Sebiger wäre an diesem Donnerstag 100 Jahre alt geworden. Der langjährige Chef des IT-Dienstleisters baute bereits in den 1960er-Jahren auf die Digitalisierung, als den allermeisten der Begriff noch fremd war.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Die Datev e.G. mit Sitz in Nürnberg ist einer jener IT-Riesen, von dem man schon gehört und gelesen hat, dessen Angebotspalette aber nicht sofort jedem geläufig ist. Was daran liegt, dass die Anwendungsgebiete der Software und der IT-Dienstleistungen, die das Unternehmen bietet, auf einige sehr spezielle Berufssparten beschränkt sind. Die Datev entwickelt und vertreibt keine Videospiele und keine Betriebssysteme für Homecomputer, sie verkauft unter ihrem Namen keine Smartphones und nicht wie SAP Abwicklungsprogramme, die fast jedes Unternehmen einsetzen kann.

Die Datev entwickelt und vertreibt Spezialsoftware und IT-Lösungen für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte, die damit verbundenen Anwendungsgebiete sind digitale Buchführung, Lohnabrechnungen, Jahresabschlüsse oder Steuererklärungen. Und bei alledem ist sie ziemlich relevant für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Das alles vorauszuschicken ist sinnvoll, um die Bedeutung eines Mannes hervorzuheben, der an diesem 9. März seinen 100. Geburtstag feiern würde, so er nicht vor sieben Jahren gestorben wäre: Heinz Sebiger, Ökonom und Steuerberater aus Nürnberg. Er gründete die Datev 1966 mit einer Handvoll Gleichgesinnter und führte sie 30 Jahre lang als Vorstandsvorsitzender. 8500 Menschen arbeiten aktuell für die aus 40 000 Mitgliedern bestehende Genossenschaft, deren Umsatz 2021 bei 1,22 Milliarden Euro lag.

Das Unternehmen ehrt seinen Gründer an diesem Donnerstag mit einem Festakt im historischen Rathaussaal von Nürnberg. Sein Nach-Nachfolger als Datev-Chef, Robert Mayr, würdigte Sebiger zu diesem Anlass als "Visionär und Pionier der digitalen Transformation".

Tatsächlich erkannte und widmete sich Sebiger dem Thema elektronische Datenverarbeitung in einer Zeit, in der außer ganz wenigen Enthusiasten kaum jemand auch nur entfernt erahnen konnte, wie die Digitalisierung (den Begriff kannte man noch nicht) die Welt verändern würde. Historisch steht Sebiger in einer Reihe mit anderen deutschen IT-Pionieren wie dem Erfinder Konrad Zuse oder dem Unternehmer Heinz Nixdorf. "Mein Hirn war meine Waffe", sagte er einmal in Anspielung auf seine Herkunft als Sohn einer alleinerziehenden Mutter, der nach der Volksschule mit 14 Jahren eine kaufmännische Lehre begann. Nach Kriegsdienst und zweijähriger Gefangenschaft zurück in Nürnberg, holte Sebiger das Abitur nach, studierte Volkswirtschaft und wurde Steuerberater. Von Haus aus ein Mann mit Faible für Technik, kaufte er eine Olivetti Telebanda, damals der letzte Schrei, nach heutigen Maßstäben eine archaisch anmutende Apparatur zur Datenerfassung.

Sebiger entwickelte die Idee, gemeinsam mit anderen Steuerberatern die technischen Möglichkeiten zu erschließen und an der Schnittstelle zwischen Unternehmen, Beratern und Finanzämtern zu nutzen. Er initiierte die Gründung der Datev-Genossenschaft, der bereits nach vier Jahren die Betreiber von 5500 Kanzleien angehörten. Gemeinsam realisierten sie jenes Rechenzentrum, aus dem heraus die Datev aktuell unter anderem monatlich die Lohn- und Gehaltsabrechnungen an 14 Millionen Beschäftigte hierzulande verschickt.

Heinz Sebigers Pionierarbeit wurde mit vielen Ehrungen dekoriert. Darunter war der "Orden der aufgehenden Sonne" des japanischen Kaisers. Als Dank dafür, dass der Japan-Fan aus Nürnberg auch dort Steuerberatern half, IT-Kompetenzen zu entwickeln.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusZoohaltung
:"Der Begriff der Würde spielt für Gorillas keine Rolle"

Im Tiergarten Nürnberg sollen zwei junge Menschenaffen vor Eintritt der Geschlechtsreife kastriert werden - und bleiben so für immer jugendlich. Zoodirektor Dag Encke erklärt, warum er das für notwendig hält.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: