Das Gelübde:Die Oberammergauer Passion

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Die Geschichte des Theaterstückes

Am 16. Mai 2020 beginnen in Oberammergau die Passionsspiele, dann wird bis 4. Oktober fünfmal die Woche vor je 4600 Zuschauern gespielt. Alle zehn Jahre bringen die Bewohner Oberammergaus die Bibelgeschichte von Jesus' Leiden auf die Bühne, sie alle sind Schauspiel-Laien, alle haben andere Berufe. Mehr als 1800 Menschen werden im kommenden Jahr an dem Großprojekt beteiligt sein. Etliche spielen auf der Bühne mit, die größeren Rollen sind alle gleichwertig doppelt besetzt. Wer bei der Premiere spielt, bestimmt das Los. In den Massenszenen, etwa dann, wenn Jesus zu Beginn des Stücks in Jerusalem einzieht, sind diejenigen untergebracht, die keine Sprechrollen haben. Andere sind im Hintergrund beim Bühnenbau, der Schneiderei und der Technik beschäftigt. Es gibt einen Passionschor mit Solisten und ein Orchester, denn Musik ist ein zentraler Bestandteil des etwa fünfstündigen Stücks. Jeder in Oberammergau hat das Spielrecht, so lange er seinen Hauptwohnsitz im Ort hat und mindestens 20 Jahre dort gelebt hat. Unter 20-Jährige, die dort geboren sind, dürfen sowieso dabei sein. Spielleiter Christian Stückl muss alle Interessierten beschäftigen. Stückl, 57, leitet die Passionsspiele seit 1989, diesmal also zum vierten Mal. Mit ihm kamen nach und nach entscheidende Neuerungen, wie etwa das Spielrecht für verheiratete Frauen, die zuvor nicht die Maria spielen durften, sowie eine Öffnung für Konfessionslose und Andersgläubige. Er sucht außerdem den Dialog mit Rabbinern, um Antisemitismen aus dem Stück zu tilgen, die es über Jahrzehnte unhinterfragt gab. 2015 ernannte er den Oberammergauer Regisseur Abdullah Karaca zum zweiten Spielleiter, einen Muslim. Die Passionsspiele gehen auf ein Gelübde aus dem Jahr 1633 zurück. Der Dreißigjährige Krieg wütete damals in Europa, die Pest ebenfalls. Angeblich war es ein Tagelöhner, der die Krankheit ins Dorf brachte. Acht Menschen starben daraufhin; das Dorf gelobte, alle zehn Jahre die Passion Christi aufzuführen, wenn Gott sie von der Krankheit erlöse. Laut Legende ist niemand mehr an der Pest zu Tode gekommen, die Oberammergauer halten ihr Versprechen bis heute.

© SZ vom 14.09.2019 / clu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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