Dobryy Den, Dachau:3000 Schritte weniger

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Anna Huryn aus Kiew schreibt die wöchentliche Kolumne "Dobryy Den, Dachau" für die SZ Dachau. (Foto: Illustration: Bernd Schifferdecker)

Anna Huryn ist aus der Ukraine nach Dachau geflohen. Die 21-Jährige berichtet wöchentlich über ihr Ankommen im Landkreis. In der siebten Folge beschreibt sie, wie sie sich in Dachau fortbewegt.

Kolumne von Anna Huryn, Dachau

Vor dem Krieg bin ich jeden Tag in Kiew rund 10 000 Schritte zu Fuß gegangen. Das hat eine App auf meinem Handy für mich gezählt. Wenn ich mehr Schritte an einem Tag geschafft habe, war es umso besser. Das Gehen half mir einfach, gut drauf zu bleiben. Meistens bin ich abends nach einem langen Tag im Büro noch zu Fuß spazieren gegangen. Am Wochenende bin ich sogar noch mehr zu Fuß unterwegs gewesen. Und ich bin nicht die Einzige damit in Kiew, viele Leute sind dort Fußgänger.

Als ich in Dachau ankam, fiel mir auf, dass viel mehr Menschen hier mit dem Auto oder vor allem mit dem Fahrrad unterwegs sind. Ich komme jetzt auf rund 3000 Schritte weniger am Tag. Ich treffe nur wenige Fußgänger in Dachau - und wenn, dann haben sie immer einen Hund dabei. Mir scheint es fast, als wäre Spazierengehen nur etwas für Gassigänger - zumindest im Vergleich zu meiner alten Heimat. Doch auch wenn ich keinen Hund habe, liebe ich es durch Dachau zu spazieren: Den Amperweg entlang, durch den Wald, zum Dachauer Schloss hinauf und durch den Schlossgarten.

In Dachau haben meine Mutter und ich Fahrradfahren gelernt

Die andere Art, wie Deutsche sich fortbewegen, ist ein großes Abenteuer für mich - Fahrradfahren. Ich bin freudig überrascht, wie breit die Fahrradwege hier sind und dass Autorfahrer die Radelnden tatsächlich vorbeilassen und für sie anhalten. Deutschland scheint mir ein Radfahrerland zu sein. In Kiew bin ich zwar auch ganz gern mal Fahrrad gefahren, aber man kam mit dem Rad quasi nirgends hin, weil es keine Radwege gab - dafür umso mehr Autos und Staus.

In Dachau haben meine Mutter und ich nun also Fahrradfahren gelernt. Es ist komfortabel und gut für die Gesundheit. Aber natürlich wartete auch hier ein Abenteuer auf uns. Bei unserer ersten Fahrradtour fiel meine Mutter vom Fahrrad - zum Glück ist ihr nichts passiert. Eine vorbeifahrende Autofahrerin hielt sofort an und fragte, ob alles okay mit ihr sei. Das war wirklich nett von ihr.

Mir fällt auch auf, wie gut entwickelt der öffentlichen Nahverkehr hier ist. Das Einzige, was mich überrascht hat, ist, dass man im Bus die "Stop"-Taste drücken muss, wenn man aussteigen will. In Kiew halten die Busse einfach so an jeder Bushaltestelle an, ohne dass man dafür einen Knopf drücken müsste. Daher bin ich in meinen Anfangstagen in Dachau öfters mal an meiner Bushaltestelle vorbeigefahren. Das machte aber nichts. Immerhin konnte ich so noch ein paar mehr Schritte zu Fuß gehen.

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