Theo Waigel erzählt aus seinem turbulenten Politikerleben gerne in Anekdoten. Wer ihm öfter zuhört, erkennt sie wieder, was ihre Unterhaltsamkeit nicht schmälert. Kürzlich hat er in einem Interview noch mal erzählt, was er Ministerpräsident Markus Söder geantwortet habe, als der ihm von seinen vielen Followern in den sozialen Medien berichtet habe: „Jesus Christus hatte nur zwölf und von denen konnte er sich nur auf elf wirklich verlassen. Trotzdem hat er es zur Weltgeltung gebracht.“
Die Botschaft dahinter entschlüssle nun jeder selbst, Markus Söder ist indes bei seiner Strategie geblieben. Seitdem hat er noch mehr virtuelle Jünger, die Million hat er längst hinter sich gelassen. Das mit der Weltgeltung bleibt erst mal eine Frage der Sichtweise.

Politik in Bayern:Der unausweichliche Social-Söder
Dem bayerischen Ministerpräsidenten ist praktisch nichts zu blöd, was bei den Leuten gut ankommen könnte. Wie Markus Söder auf Insta, Tiktok und X als Spaßpolitiker Erfolg hat – und welchen Preis er dafür zahlt.
Die zwölf Apostel jedoch, auf die Waigel da anspielt, die hat schon mal ein CSU-Chef zum Vergleich bemüht. Horst Seehofer war das, bald nach seinem Amtsantritt als Parteichef 2008, bei dem die CSU ja auch auf eine Art Erlöser hoffte. Er werde sich zwölf Apostel heranziehen, verkündete er, von denen ihm dereinst einer nachfolgen solle. Und schon war die Kronprinzen-Debatte eröffnet – zu Seehofers größtem Vergnügen.
Egal, wie und wen man zählt, zwölf sind es nie geworden. Und ein paar sind im Laufe der Jahre auf der Strecke geblieben: Karl-Theodor zu Guttenberg, Christine Haderthauer, Georg Fahrenschon. Zählten alle mal zum Kreis potenzieller Seehofer-Nachfolger. Geblieben ist, Sie wissen schon.
Das muss nun freilich nicht heißen, dass der eine unbedingt vergleichbar jenem zwölften von damals ist, der seinen Herrn für 30 Silberlinge verraten hat. Geld ist beim Übergang von Seehofer auf Markus Söder allen bekannten Informationen nach nicht geflossen. Zudem waren weder Römer im Spiel, noch gab es ein letztes Abendmahl. (Wobei so ein Mahl mit Bratwurst und Cola statt ungesäuertem Brot und Wasser seine Follower ganz sicher in Verzückung versetzt hätte, aber das führt nun wirklich zu weit.) Kurzum, so ganz passt er eben doch nicht, der Vergleich mit den zwölf Aposteln.
Söder macht indes gar keine Anstalten sich Apostel im Seehofer'schen Sinne heranzuziehen. Da bleibt er ganz beim Monotheismus. Follower dürfen es aber gerne noch mehr werden. Und Weltgeltung natürlich auch.
Sollte es eines fernen Tages um die Nachfolge gehen, könnte man sich bei Söder eher eine Art alttestamentarische Prüfung vorstellen, um herauszufinden, wer würdig ist. Tatsächlich jedoch hat noch selten ein Ministerpräsident und CSU-Chef selbst darüber entschieden, das regelt die Partei üblicherweise auf recht rustikale Weise. Auch dazu könnte Theo Waigel sicher ein paar Anekdoten beitragen.

