CSU-Vorstandssitzung:Stoiber ist wieder da

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Edmund Stoiber und Horst Seehofer, Nachfolger als Ministerpräsident, zeigen sich bei den Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag von Franz Josef Strauß. (Foto: Andreas Gebert/dpa)
  • Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber hat das Thema Flüchtlinge für sich entdeckt und mischt auf der CSU-Vorstandssitzung seine Partei auf.
  • Stoiber redet Regierungsschef Horst Seehofer ins Gewissen. Von ihm soll auch die Idee kommen, mit Viktor Orbán und Wladimir Putin zu reden.

Von Daniela Kuhr und Wolfgang Wittl, München

So mancher in der CSU kam sich am Montag vor wie in einer Zeitmaschine. Edmund Stoiber pressierte es wieder einmal, ein wichtiges Gespräch mit der Kanzlerin, das Flugzeug nach Berlin wartete bereits. Also wurde die Reihenfolge der Redner schnell angepasst. Gleich zu Beginn der CSU-Vorstandssitzung führte Stoiber das Wort - energisch, prägnant und mitunter schneidend wie in alten Tagen. Richtig laut sei er sogar geworden, als es um die Einführung von Grenzkontrollen ging. "Ein historisches Ergebnis" für die CSU sei dieser Erfolg, habe Stoiber gerufen. "Wie ein Derwisch" sei er durch die Sitzung gefegt, staunte ein Teilnehmer. Man könnte auch sagen: alles wie früher.

Edmund Stoiber ist wieder da - mit einer Präsenz, die manche frohlocken und andere verzweifeln lässt. Als die CSU ihn beim Politischen Aschermittwoch in Passau vor gut drei Jahren zurück auf die Bühne holte, verspottete ihn die Konkurrenz als "Archaeopteryx aus Wolfratshausen". Nun wirbelt dieser auferstandene Urzeitvogel lebendiger durch die politische Landschaft als je zuvor. Keine Talkshow, kein Mikrofon ist vor ihm sicher. Stoiber sei schon immer einer gewesen, der sich auf einer Mission gesehen habe, sagt einer, der ihn gut kennt. Seine aktuelle Mission lautet: Flüchtlingskrise - und wie die CSU, das Land sich dazu zu verhalten habe.

Als Politrentner hat Stoiber sich nie verstanden

Vorvergangene Woche, der 100. Geburtstag von Franz Josef Strauß. Stoiber, ehemaliger Ministerpräsident und CSU-Ehrenvorsitzender, hat seinen Mentor in einem Festakt ausgiebig gewürdigt. Doch seine eigentliche Arbeit beginnt beim anschließenden Staatsempfang. Stoiber nimmt das CSU-Spitzenpersonal in Beschlag, lässt seiner Rede-Leidenschaft freien Lauf, als gehe es um seine persönliche Zukunft: Parteichef Horst Seehofer, die Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt, immer wieder fallen Begriffe wie "Ungarn", "Europa", "einheitliche Standards".

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Als Seehofer an einem Nebentisch Platz nimmt, braust Stoiber erneut heran, fuchtelt mit den Händen, redet dem Ministerpräsidenten ins Gewissen. Tags darauf an der Strauß-Gruft in Rott dieselbe Prozedur. "Nichts beschließen, nichts beschließen", mahnt Stoiber.

Seinen 74. Geburtstag feiert Stoiber in diesem Monat, doch als Politrentner hat er sich nie verstanden. Als die Partei ihn nicht mehr wollte, suchte er sich eben einen Job als Bürokratie-Entrümpler in Brüssel. Eingebracht hat er sich auch weiterhin, vor allem bei für die CSU besonders wichtigen Fragen: AfD, Griechenland, jetzt Asyl. Im Moment gelingt es ihm sogar, die Partei auf seinen Kurs zu steuern. Die Unterstützung für den umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán liege ganz auf Stoibers Linie, sagen Vorstandsmitglieder. Man dürfe Orbán nicht ausgrenzen, soll Stoiber am Telefon geworben haben.

Besondere Nähe zu Putin

Auch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin verbindet Stoiber eine besondere Nähe. Beide duzen sich. Auch Seehofer ist der Auffassung, dass eine Lösung für den Syrien-Krieg und damit für die Fluchtursachen nur mit Russland denkbar sei. Sogar ein Treffen des CSU-Chefs mit Putin liege im Bereich des Möglichen, mutmaßt man bereits in der Partei. Doch ob solche Überlegungen originär von Seehofer oder vielleicht doch von Stoiber stammen, darüber wird in der CSU gerätselt. Derart engagiert habe sich Stoiber im Vorstand für eine Einbindung Putins ausgesprochen, dass er von manchen glatt als Ideengeber identifiziert wurde.

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Nicht jeder aus der jetzigen Führungsriege freut sich über so viel Elan. CSU-Europapolitiker wenden ein, dass Putin immerhin zu den Verursachern des Syrien-Konflikts gehöre. Andere finden, man dürfe mit Orbán und Putin zwar reden, "aber das heißt nicht, dass wir Prinzipien aufgeben". Einigen ist Stoibers Position zu wenig differenziert. Auf die Frage, ob sein Engagement geschätzt wird, sagt ein Vorstandsmitglied zögernd: "Och ja, jaaa. Er wird schon wahrgenommen, auch wenn nicht jede Meinung geteilt wird." Theo Waigel, der zweite CSU-Ehrenvorsitzende, sprach sich für einen vorsichtigeren Umgang mit Orbán aus. Im Gegensatz zum omnipräsenten Stoiber besucht Waigel nur hin und wieder Vorstandssitzungen. Mancher schätzt das.

Seehofer und Stoiber indes stehen sich heute näher, als dies unter Stoibers Führung der Fall war. Seehofer soll mit seinem berüchtigten Witz vor nichts und niemandem Halt gemacht haben, auch nicht vor Stoiber. Nun können beide entspannt darüber sinnieren, wie einsam es ist, zugleich an der Spitze des Landes und der Partei zu stehen. Wer sonst hat schon diese Erfahrung vorzuweisen? Als Stoiber noch der Chef war, pflegte er zu Seehofer eine wechselhafte Beziehung: Bei der Gesundheitsreform ließ er ihn fallen, um ihn später als Verbraucherschutzminister wieder auferstehen zu lassen. Seehofer wiederum war für Stoiber der ideale Verbündete, um seine vermeintlichen Putschisten Erwin Huber und Günther Beckstein abzulösen.

Einer der wenigen, die auf Seehofer Einfluss hätten

Aus dieser Zeit soll bis heute eine gewisse Verbundenheit geblieben sein, soweit das in der Politik überhaupt möglich ist. Stoiber sei einer der wenigen in der CSU, die auf Seehofer Einfluss hätten. Als Beleg wird in der Partei die Geschichte aus dem Jahr 2011 angeführt, als der damalige Finanzminister Georg Fahrenschon sich in die freie Wirtschaft verabschiedete. Mancher hielt es bereits für ausgemacht, dass Christine Haderthauer den Job bekommen würde. Stoiber allerdings soll sich erfolgreich für seinen früheren Generalsekretär Markus Söder starkgemacht haben, wie übrigens auch Ilse Aigner. Zumindest eine könnte die Entscheidung bereut haben.

Wie Stoiber seine jetzige Rolle sieht, behält er für sich. Der Chef sei zwei Tage in Brüssel, "mit engem Zeitplan", teilt sein Büro mit. Der Mann hat einfach gut zu tun.

© SZ vom 16.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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