CSU vor der Landtagswahl:Der Plan, den es nicht gibt

50 Prozent minus X: In der CSU wird auch über ein Niederlagen-Szenario nachgedacht, nur sprechen will darüber keiner - weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Kassian Stroh

Weil es nicht nur um Mandate geht, sondern um Mythos und Unbesiegbarkeit, ist die Rechnung einfach: Verliert die CSU bei der Landtagswahl die absolute Mehrheit, wird sich CSU-Chef Erwin Huber nicht im Amt halten können. Ministerpräsident Günther Beckstein wahrscheinlich auch nicht. Beider Schicksal hängt an der Zahl von 50 Prozent.

CSU vor der Landtagswahl: CSU-Chef Erwin Huber (links) mit Horst Seehofer und Ministerpräsident Günther Beckstein.

CSU-Chef Erwin Huber (links) mit Horst Seehofer und Ministerpräsident Günther Beckstein.

(Foto: Foto: ddp)

Das der CSU aber auch, weshalb in der CSU-Spitze fast niemand über diesen Fall X reden will. Und wenn, dann nur im Vertrauen. Vor allem nicht über die Frage: Wer kommt dann? Und doch gibt es diese Gedanken. Sie ergeben den Plan, den es nicht gibt. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Träte Huber ab, so wäre seine Nachfolge relativ einfach zu lösen. In Frage käme nur CSU-Vize Horst Seehofer, der gegen Huber vor einem Jahr beim Kampf um den Parteivorsitz unterlag, aber mit knapp 40 Prozent ein überraschend gutes Ergebnis erzielte. Seitdem lauere er nur auf seine zweite Chance, wird Seehofer von vielen unterstellt. Auch wenn der populäre Bundesminister in der CSU wegen seines oft zelebrierten Solisten-Daseins nicht nur beliebt ist - wer könnte ihm schon den Vorsitz streitig machen?

Von den drei weiteren CSU-Vizevorsitzenden oder den zehn Bezirkschefs hat derzeit keiner auch nur annähernd das Format. Diese Frage könnte die CSU also schnell lösen. Beim zweiten, für die CSU noch wichtigeren Posten, dem Amt des Ministerpräsidenten, ist die Lage weit schwieriger.

Zwar gibt es Nostalgiker, die auf eine Rückkehr Stoibers setzen - ihr Traum aber wird unerfüllt bleiben. Damit kämen grundsätzlich fünf Männer in Frage: Peter Ramsauer, Georg Schmid, Joachim Herrmann, Siegfried Schneider und Markus Söder. Keiner drängt sich alternativlos auf.

Kaum Akzente gesetzt

Ramsauer, der Chef der CSU-Landesgruppe will wohl nicht; er sieht seine Rolle in Berlin. Das zeigte er spätestens, als er sich 2007 nicht um den Vorsitz der Oberbayern-CSU bewarb, des mächtigsten Bezirksverbands. Zudem hat Ramsauer unter den CSU-Landtagsabgeordneten, die den Ministerpräsidenten am Ende wählen müssen, wenige Freunde.

Oft genug hat er "die da vom Isarhochufer" wissen lassen, dass er nicht allzu viel von ihnen hält. Innenminister Herrmann hingegen kennt die Fraktion gut, er war von 2003 bis 2007 ihr Vorsitzender. Als solcher musste er sie durch die schweren Stürme um Stoibers Reformpolitik führen. Und auch durch die beiden Machtkämpfe um dessen Nachfolge 2005 und 2007. Das ging nicht ohne Blessuren ab. In den zehn Monaten, die er nun Innenminister ist, hat er kaum Akzente gesetzt oder ein erkennbares Profil entwickelt.

Herrmann ist einer jener Politiker, von denen man immer erwartet, dass er nun mal in die Gänge kommt. Doch er kommt nicht. Zudem ist er Mittelfranke und steht Beckstein nahe - was im Falle X nicht nur Empfehlung wäre.

Denn da gibt es ja noch die mächtigen Oberbayern mit ihrem Bezirkschef Schneider. Dieses Amt wäre aber das einzige, welches für Schneider als Ministerpräsident spräche. Jenseits der Bildungspolitik ist von Schneider nichts zu hören, und er hat noch nicht einmal alle Oberbayern hinter sich - keine guten Voraussetzungen, um ganz nach oben zu kommen. Zumal ein Ergebnis von 50-X mit heftigen Einbußen vor allem in Oberbayern einherginge. Da dürfte Schneider schon froh sein, könnte er den Bezirksvorsitz halten.

Mächtiger fühlt sich Georg Schmid, der an seiner neuen Rolle als Fraktionschef Gefallen gefunden hat. Schmid selbst traut sich jedes Amt zu, eine in der CSU nicht mehrheitsfähige Einschätzung. Dass er sich mit dem strengen Rauchverbot profiliert hat, das der CSU so viele Scherereien bringt, gereicht Schmid nicht nur zum Vorteil.

Er hält das Thema trotzdem hoch - es ist sein bisher einziger Beleg für politische Führungsstärke. Mindestens so viel wie Schmid traut sich Markus Söder zu. Ob er sich schon als zukünftigen Regierungschef sieht, weiß man nicht. Sein Problem: Auf dem Weg, sein Image zu verbessern - vom Generalsekretär-Haudrauf zum seriösen Staatsmann - käme ein Wechsel jetzt zu früh.

Immerhin: In der jüngsten Politikerbenotung von Infratest Dimap rangierte er bei den CSU-Anhängern nach Alois Glück, Beckstein und Edmund Stoiber als viertbeliebtester CSU-Politiker - gleichauf mit Seehofer, mit dem ihn seit einigen Monaten eine ganz unverhoffte, innige Politfreundschaft verbindet, die sich auszahlen könnte.

Drohende Zerreißprobe

Da sich also im Falle des Verlusts der absoluten Mehrheit wahrscheinlich zwei oder mehr Aspiranten gegenseitig blockieren würden, wäre auch denkbar, dass die CSU dann nicht mehr auf eine Doppelspitze setzt.

Das wäre die interessanteste Volte, die die Geschichte nehmen könnte, dass Seehofer den Parteichef und den Ministerpräsidenten geben könnte. Sie ist aber eher unwahrscheinlich, da mit dem extremen Widerstand der Landtagsfraktion zu rechnen wäre.

Daher bliebe noch die Variante: Beckstein bleibt noch ein bisschen. Wer ihn kennt, sagt, dass er im Schock über ein Ergebnis von 50-X sofort hinschmeißen würde. Doch um eine Nachfolgeschlacht mit drohender Zerreißprobe für die Partei zu vermeiden, könnte Beckstein bedrängt werden, für kurze Zeit noch Ministerpräsident zu bleiben und einen Übergangsprozess zu moderieren. Das könnte und würde der brave Parteisoldat wohl nicht ablehnen.

Verbunden werden müsste dies mit einem klar geregelten Prozedere für die Nachfolge. Da ist in der CSU sogar das Wort "Mitgliederbefragung" zu hören. Dagegen spräche zwar der Ruch des staatspolitisch Unsauberen, da der Ministerpräsident noch immer vom Landtag gewählt wird und nicht von der CSU.

Ein unverbindliches Votum der Parteibasis hätte aber einen großen Vorteil: Den Wechsel von Kreuth, von Stoiber auf Huber und Beckstein, hat allein die Landtagsfraktion ausbaldowert, alle anderen Machtzentren der CSU blieben bei dieser weitreichenden Entscheidung außen vor.

Sollte sie sich am 28. September als falsch herausstellen, dürften sich viele melden, die der Fraktion allein diese Frage nicht noch einmal überlassen wollen. Aber vielleicht tritt der Fall X ja auch gar nicht ein. Und den Plan, den es nicht gibt, hat es nie gegeben.

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