CSU vor dem Parteitag:Die Maut, der keiner traut

Für die CSU ist es eine "Frage der Gerechtigkeit". Deshalb will sie auf dem Parteitag mit großem Pathos eine Pkw-Vignette beschließen. Ob diese jedoch kommt, ist ungewiss.

Frank Müller und Mike Szymanski

Die CSU im Kampf für die Gerechtigkeit, und wenn es sein muss, gegen alle - in dieser Rolle fühlt sich Parteichef Horst Seehofer äußerst wohl. Aus diesem Grund kommt auf dem Parteitag auch ein Antrag zur Abstimmung, von dem bis zur Parteispitze hinauf kaum einer wirklich glaubt, dass er in absehbarer Zeit umgesetzt wird. Es geht um eine Pkw-Maut auf deutschen Straßen.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer

Auf dem CSU-Parteitag soll die Partei über einen Leitantrag zur Pkw-Maut abstimmen. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer legt sich dafür gerade mächtig ins Zeug.

(Foto: dpa)

In einem Leitantrag für den Parteitag an diesem Freitag heißt es: "Kaum ein Industrieland in Europa stellt seine Straßen gebührenfrei jedem Autofahrer, gleich ob einheimisch oder ausländisch, zur Verfügung." Und CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt schürte am Mittwoch noch einmal persönlich die Emotionen: "Es ist eine Frage der Gerechtigkeit", sagte er über die Maut. Deutsche Autofahrer müssten sie zwar auch zahlen, die CSU wolle sie dafür aber an anderer Stelle, etwa bei der Kfz-Steuer, wieder entlasten. Wer gerade im Sommerurlaub in den Nachbarländern wieder kräftig zur Kasse gebeten wurde, dürfte Dobrindt nur beipflichten und schimpfen. Deshalb werden dem Antrag auf dem Parteitag auch gute Chancen auf eine breite Zustimmung eingeräumt. Nur ändern dürfte dies tatsächlich nichts.

Dass der Antrag nicht über den Status einer Absichtserklärung hinauskommen dürfte, hat ganz unterschiedliche Gründe. Die CSU steht vor allem ziemlich allein mit ihrem Vorstoß da. Bei den Koalitionspartnern FDP und CDU hält sich die Begeisterung in Grenzen. Von einem "schlechten Witz" sprachen jüngst liberale Politiker. Kanzlerin Angela Merkel drückte sich da noch vergleichsweise diplomatisch aus. Zu ihren Projekten gehöre die Maut jedenfalls nicht, ließ sie CSU-Chef Seehofer wissen. Aber ohne Unterstützung von CDU und FDP wird die Maut nicht kommen.

Es ist auch nicht so, dass alle in der CSU von der Maut wirklich überzeugt wären. Schon gar nicht Peter Ramsauer, der sich als Bundesverkehrsminister gerade mächtig für die Gebühr ins Zeug legt. Aus seinem Umfeld ist zu hören, dass er selbst nicht daran glaubt, die Finanzprobleme im Verkehrsetat allein dadurch lösen zu können, dass er Ausländer abkassiert. Deren Anteil am Verkehrsaufkommen auf deutschen Straßen bewegt sich ohnehin nur zwischen vier und sechs Prozent. Das bedeutet, wenn man die deutschen Autofahrer schont, lohnt es sich eigentlich kaum noch, den ganzen Aufwand überhaupt zu betreiben.

Auf 2,5 Milliarden Euro schätzt Ramsauer das Defizit im Verkehrsetat. Vor der CSU-Vorstandssitzung machte er unlängst klar, dass es ihm am liebsten wäre, der Finanzminister würde ihm einfach nur mehr Geld überweisen. Es war jedenfalls kein Plädoyer für die Maut und dies dürfte auch erklären, warum die CSU seit Monaten wirklich konkrete Maut-Konzepte schuldig bleibt. Zuletzt hatte Ramsauer eine Lösung nach österreichischem Vorbild ins Gespräch gebracht. Das "Pickerl" kostet dort 76,50 Euro pro Jahr. Das war alles.

Es gibt gute Gründe, die gegen die Maut sprechen, so wie die CSU sie sich vorstellt. Der Plan, Deutsche von Mehrbelastungen auszunehmen, kollidiert voraussichtlich mit Europarecht, weil ausländische Autofahrer nach europäischem Recht nicht schlechter gestellt werden dürften als deutsche.

In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags zur Mautfrage, das SPD-Chef Florian Pronold eingeholt hat, heißt es, wenn es eine Anrechnung der Maut auf die Steuer "in irgendeiner Form" gäbe, dann stelle sich "die Frage, ob dies zu einer europarechtlich unzulässigen Diskriminierung von ausländischen Verkehrsteilnehmern führe". Diese hätten wegen der europäischen Freizügigkeit und des Verbots der Diskriminierung das Recht, sich zu denselben Bedingungen auf deutschen Straßen zu bewegen wie die Deutschen. Pronold zog daraus das Fazit, die CSU betreibe "Volksverdummung". Es handele sich also um eine reine Sommerlochdebatte der CSU, so Pronold.

Das stimmt so nicht ganz. Für CSU-Chef Seehofer muss die Debatte mindestens bis Ende Oktober am Laufen gehalten werden. Dann nämlich kommen die Koalitionsspitzen in Berlin zusammen, um das Arbeitsprogramm für die kommenden zwei Jahre bis zur Wahl abzustimmen. Die CSU will die Pflegereform angehen, das Betreuungsgeld einführen, die Steuern vereinfachen und die Folgen der Bundeswehrreform für Bayern durch Hilfsprogramme abfedern - alles Themen, die Seehofer ein Stück weit wichtiger sind als die Maut. Gut möglich, dass er die Maut in den Verhandlungen dann opfert. Der Antrag vom Parteitag würde im übrigen im CSU-Archiv verschwinden. Dort liegen schon Anträge und Beschlüsse zuhauf: 2003 und 2006 etwa befasste sich die Partei schon mit der Maut. Am Mittwoch hatte die Pressestelle Mühe, die Dokumente wiederzufinden.

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