Süddeutsche Zeitung

CSU:Verspätetes Bekenntnis zu Gauck

Wer Horst Seehofer zuhört, könnte meinen, die CSU war schon immer für Joachim Gauck als Bundespräsident. Doch das stimmt nicht. Vor zwei Jahren hat die Fraktion im bayerischen Landtag noch einiges dafür getan, dem Theologen nicht zu begegnen.

Mike Szymanski

Als CSU-Chef Horst Seehofer am Sonntagabend nach chaotischen Stunden im Berliner Kanzleramt zu den Journalisten sprach, konnte man den Eindruck gewinnen, seine Partei sei schon immer für Joachim Gauck gewesen. Eine "gute Entscheidung für unser Land", nannte Seehofer die Beförderung von Gauck an die Spitze des Staates, und er sagte noch: Der Theologe genieße das Vertrauen der CSU und der Bayern. Seehofer klang ein wenig so, als hätten Gauck und die Bayern immer schon zusammengehört und nur nicht zueinandergefunden.

Der Juni vor zwei Jahren erzählt noch eine ganz andere Geschichte. Damals hatte Bundespräsident Horst Köhler mit seinem überraschenden Rücktritt gerade die Berliner Koalition in größte Nöte gestürzt. Kanzlerin Angela Merkel präsentierte Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) als Nachfolge-Kandidat der schwarz-gelben Koalition. Doch an diesem Mittwoch stellte sich im bayerischen Landtag ein freundlicher Herr von 70 Jahren auf Einladung von SPD und Grünen all jenen vor, die Interesse an ihm hatten: Es war Joachim Gauck, der Präsidentschaftskandidat der Opposition.

Gauck war zu den Bayern gekommen. Er wollte im Plenarsaal des Landtags über die "Personalie Gauck" reden, wie er es formulierte. Es war seine Bewerbungsrede. Es ist sicher nicht übertrieben zu behaupten, dass an diesem Mittwoch der ganze Landtag ein bisschen unter Strom stand. Eine Partei versuchte aber so zu tun, als wäre dies einfach nur ein ganz gewöhnlicher Tag: die CSU. Sie behandelte den seit Sonntag so gefeierten Gauck wie Luft. Die CSU hatte für diesen Vormittag ihre Fraktionssitzung angesetzt, die direkt gegenüber vom Plenarsaal stattfindet. Es waren bemerkenswerte Eindrücke, die sich den Journalisten damals boten. Es gibt ein Fenster in den Plenarsaal. Man hätte Gauck bei seiner Rede sogar zuschauen können - wenn man gewollt hätte. Von dort aus sind es nur vielleicht 20 Schritte zum Fraktionssaal der CSU. Aber deren Abgeordnete taten so, als verliefe dazwischen eine hohe Mauer.

Draußen sagte Gauck zu Abgeordneten: "Sie wollen mich kennenlernen? Die Gelegenheit wird nicht ausreichen." Drinnen arbeiteten die CSU-Abgeordneten diszipliniert wie selten die Tagesordnung ab. Der frühere Parteichef Erwin Huber gehörte damals zu jenen, die auf dem Weg zur Fraktion sagten: "Ich bin innerlich festgelegt" - ein Gauck werde ihn nicht umstimmen. Auch Markus Söder, damals noch Umweltminister, schenkte sich den Gauck-Auftritt. "Gauck ist ein respektabler Mann, Wulff wird ein guter Präsident." Es gibt einen in der CSU, der ganz frei von jedem schlechten Gefühl laut über diesen Tag mit Gauck damals lachen kann: Bernd Sibler, heute Kultusstaatssekretär. Er gehörte zu den insgesamt drei von 92 CSU-Abgeordneten, die die Fraktionssitzung schwänzten, um sich Gaucks Rede anzuhören.

Heute sagt er: "Ich bin rübergegangen, weil ich neugierig war. Seine Rede war gut. Gauck ist gut für das Amt." Es wirkte damals ein bisschen albern, wie ausgerechnet die CSU mit Gauck umging; sogar ein wenig respektlos. Drei Jahre zuvor war Gauck schon einmal Gast im Landtag, als Festredner zum 50-jährigen Bestehen der Politischen Akademie in Tutzing. Damals kamen auch die Politiker der CSU gerne. Und nicht zu vergessen: 1999 hatte die CSU Gauck selbst schon einmal auf der Liste für das Bundespräsidentenamt. Aber dieses Mal hieß der schwarz-gelbe Kandidat nun einmal Wulff. Kanzlerin Merkel hatte ihn durchgesetzt. Das machte Seehofer damals gerne deutlich. Aber er hatte ihr auch versprochen, Wulff zu unterstützen.

Nur ein paar Tage später überließ CSU-Chef Seehofer seinen Parteitag als große Bühne dem Bewerber Wulff. "Lieber Christian", sagte Seehofer, "Bayern und die CSU stehen." Die FDP in Bayern ist seit diesem Sonntag besonders aufgekratzt, sie wirkt irgendwie wiederbelebt, seitdem sie sich ausgerechnet mit ihrem Beharren auf Gauck als nächsten Bundespräsidenten gegen Merkel durchgesetzt hat. FDP-Fraktionschef Thomas Hacker deutet es als "gutes Signal für 2012", dass die FDP zu ihren Überzeugungen gestanden sei.

Wie Gauck wohl die Liberalen aus Bayern im Jahr 2010 in Erinnerung behalten hat? Damals gab es schon FDP-Politiker wie Renate Will, die ihm zujubelten, ihr sei bei seiner Rede geradezu das Herz aufgegangen. Die Begeisterung musste sie aber eher für sich behalten. Fraktionschef Hacker, der Gauck zwar auch kurz zuhörte, sagte hinterher: Die FDP stimme geschlossen für Wulff. Will fuhr gar nicht erst mit zur Abstimmung nach Berlin. Dieses Mal bewerbe sie sich wieder um einen der Delegiertenplätze, sagt sie.

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SZ vom 21.02.2012/bica
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