CSU und Monika Hohlmeier:Lektionen in Demut

Karl-Theodor zu Guttenberg will wieder in den Schoß seiner Partei zurück. Doch wie stellt man ein Comeback richtig an? Der Fall Monika Hohlmeier zeigt: Für eine Wiederaufnahme in die CSU-Familie braucht es vor allem Demut - diese Partei will ihre Gefallenen leiden sehen.

Mike Szymanski, Trockau/Straßburg

Es ist Abend geworden, als Monika Hohlmeier an einem Freitag ihren schwarzen BMW in die Bischof-Heinrich-Straße in Trockau steuert. Die Leute haben die Rollläden heruntergelassen, so als wollten sie jetzt nicht mehr gestört werden. Im Gasthof Löffler brennt aber noch Licht.

Monika Hohlmeier , CSU-MdEP

Abschied vom Schattendasein: Monika Hohlmeier, vor sieben Jahren als Kultusministerin zurückgetreten, wird langsam wieder wer in der CSU.

(Foto: SEYBOLDTPRESS)

Ein Versprechen führt Monika Hohlmeier hierher. Die 49-jährige Strauß-Tochter steht bei der örtlichen CSU im Wort. Sie hat der Vorsitzenden Helga Weiser zugesagt, ein Stück von der großen, weiten Welt auch mal nach Oberfranken mitzubringen. Die frühere Kultusministerin soll aus ihrem neuen Leben als Europaabgeordnete berichten; erzählen, wie das ist, den Euro zu retten, Finanzhebel anzusetzen und den Griechen das Sparen beizubringen. Aber erstmal muss Hohlmeier einen Parkplatz finden, denn in Trockau sind die Straßen schmal.

Helga Weiser, 57 Jahre alt, wartet schon. Etwa 40 Leute sitzen an den Tischen. Der Wirt schiebt Hohlmeier noch schnell ein Steak hin. Manfred Thümmler, der CSU-Bürgermeister von Pegnitz, fängt schon mal an: "Monika", sagt er, "ich möchte dir danken." Stolz sind sie hier auf ihre CSU-Frau in Brüssel. Und als die Gäste erfahren, dass Hohlmeier auch noch der Delegation für die Beziehungen zur Volksrepublik China angehört, sagt einer aus der Runde: "Uiiii." Hohlmeier zieht ihren roten Blazer aus. Hier fühlt sie sich wohl.

Die CSU ist manchmal wie eine große Familie. Wer einmal seine Füße unter ihren Tisch setzt, kann Wärme und Geborgenheit erfahren. Diese Familie kann aber auch eiskalt sein und aus ihrer Mitte verstoßen, wenn jemand Fehler macht.

Hohlmeier kennt beide Seiten der CSU. Die Partei hat sie einmal angehimmelt. Nach dem Tod ihres Vaters Franz Josef Strauß hat sie in den neunziger Jahren ihre eigene politische Karriere in der CSU gestartet: Abgeordnete im Landtag, Parteivize, Kultusministerin - die burschikose Strauß-Tochter schien die Frau für eine große Zukunft der Partei zu sein. Ihre Karriere endete abrupt: 2005 ging sie unter im Strudel um manipulierte Wahlen und gekaufte Mitgliederstimmen in der Münchner CSU, die sie als Chefin anführte. Es war ein hässliches Ende. Im Kampf um ihr Ministeramt soll sie Parteifreunden gedroht haben: "Gegen jeden von euch gibt es was." Hohlmeier verlor alles: den Bezirksvorsitz, das Ministeramt und bei der Landtagswahl 2008 auch noch ihr Mandat. Sie gehörte nicht mehr zur Familie.

Jetzt ist sie wieder da

In diesen Wochen ist viel von einem Comeback in der CSU die Rede und wie man es richtig anstellt. Es geht dabei aber um einen anderen Gefallenen, der wieder in den Schoß der Partei zurückwill: Karl-Theodor zu Guttenberg. Der Ex-Verteidigungsminister hatte im März 2011 wegen seiner abgeschriebenen Doktorarbeit auch alles verloren.

Nur neun Monate nach seinem Rücktritt veröffentlichte er ein Interview-Buch: "Vorerst gescheitert", 208 lange und selbstgerechte Seiten, auf denen er sich sogar auf Kosten seiner CSU wichtig macht. "Völlig daneben", findet Parteichef Horst Seehofer. Mehr Demut hätte er erwartet. Allenfalls als Teamspieler will er ihn zurück.

Es gibt kaum eine allgemeingültige Regel für ein Comeback, und wenn doch, dann höchstens diese: Man kann es nicht erzwingen. Diese Partei will ihre Gefallenen leiden sehen, sie will Wiedergutmachung. Trockaus CSU-Chefin Helga Weiser redet nicht lange drumherum: "Man kriegt dann nichts geschenkt."

Abgeordnete statt Ministerin, Provinz statt Landeshauptstadt

Hohlmeier hat für ihre Fehler bezahlt - und daran wird sie jeden Tag erinnert, wenn sie ihr kleines Europabüro in der Lichtenfelser Laurenzistraße 12 gleich neben dem Friseursalon Werner betritt. Abgeordnete statt Ministerin. Provinz statt Landeshauptstadt. Wenn Post aus München kommt, steht oft noch "Staatsministerin a. D." im Adressfeld.

Demonstration gegen Hohlmeier

Comeback unter extrem schweren Bedingungen: Ministerpräsident Seehofer drückte die Oberbayerin Hohlmeier als Kandidatin für die Europawahl 2009 durch - ausgerechnet für die Oberfranken sollte sie ins Rennen gehen. Die Parteibasis empfand das als Affront.

(Foto: dpa)

Im Europäischen Parlament in Straßburg sitzt sie in Reihe 10, Platz 508, zwischen Jolanta Emilia Hibner aus Polen und Brice Hortefeux aus Frankreich. Sie ist eine von mehr als 700 Abgeordneten und debattiert zum Beispiel über gepanschte Fruchtsäfte. "Die Fruchtsaftrichtlinie ärgert uns schon gewaltig", sagt sie, als man sie kurz vor Weihnachten auf den Gängen des Parlaments trifft. Wenn sie als Europaabgeordnete die Asylqualifikationsrichtlinie mitverhandelt, interessieren sich dafür nicht viele in Bayern. Selbst in ihrer Partei nicht. Europa ist sehr weit weg.

Niemand trägt ihre Tasche, wenn sie ihre Akten dabei hat. Niemand hält ihr die Autotür auf, wenn sie abends bei der CSU in Trockau vorfährt. Es gibt auch kein Ständchen, wenn der Direktor der Bayreuther Musikschule bei einem Treffen Zuschüsse für ein internationales Orchesterprojekt haben will. Man muss erstmal damit klarkommen, nicht mehr im Mittelpunkt zu stehen. Hohlmeier beschwert sich nicht. "Ich will einfach nur Respekt für meine Arbeit."

Sie ist wieder unterwegs. Hohlmeier hat bei Energiemanagern um einen Termin gebeten, sie will mehr über Stromautobahnen erfahren. Es ist nicht viel los auf der Straße. Sie beginnt zu erzählen. Hohlmeier sagt, sie brauche keine große Bühne mehr. Als sie am 15. April 2005 nach sieben Jahren als Kultusministerin zurücktrat, fand sie einen Zettel ihrer Kinder auf dem Frühstückstisch. "Mami, wir mögen dich auch ohne Politik." Er machte es ihr leichter, die nächsten Wochen zu ertragen. "Innerlich durchlebt man eine Trauerphase", erinnert sie sich. "Man schaut noch, was machen die Kollegen. Es ist eine seltsame Mischwelt."

Später befasste sich ein Untersuchungsausschuss im Landtag mit den Missständen in der Münchner CSU und in der Kultusbehörde, Hohlmeier wurde selbst von Parteifreunden hart kritisiert. Sie aber suchte die Fehler lange nicht bei sich und fand damals ungerecht, was ihr vorgeworfen wurde. "Es ist ein Kämpfen und Ringen. Man nimmt eine Verteidigungshaltung ein. Man möchte der ganzen Welt erklären, dass das alles so nicht richtig ist." Es dauerte Monate, bis sie sich selbst eingestand, dass sie nicht unschuldig an ihrem Scheitern war.

Comeback unter extrem schweren Bedingungen

Am Steuer sitzt eine Frau, die den Eindruck macht, mit sich im Reinen zu sein. Seit zweieinhalb Jahren ist sie jetzt Europa-Abgeordnete. Sie lebt heute in Bad Staffelstein. Hohlmeier lacht viel, wer sie begleitet - ob in Oberfranken oder in Straßburg - erlebt eine Politikerin, die Spaß an ihrer Arbeit hat.

Ende 2008 hat Parteichef Seehofer der Strauß-Tochter die Chance zur Rehabilitierung gegeben. Hohlmeiers Comeback begann aber unter extrem schweren Bedingungen. Seehofer drückte die Oberbayerin als Kandidatin für die Europawahl 2009 durch - aber ausgerechnet für die Oberfranken sollte sie ins Rennen gehen. Die Parteibasis empfand das als Affront. Hohlmeier als Neu-Fränkin? In den Augen der Basis war sie nicht nur eine gescheiterte Politikerin. Sie war auch noch eine Fremde.

Pegnitz' Bürgermeister Thümmler erinnert sich noch an die ersten Wochen. Bittere Stunden seien das gewesen. Wie habe er seine Parteifreunde bei Treffen davon überzeugen müssen, ihr doch eine zweite Chance zu geben. Manche sagten Hohlmeier offen ins Gesicht, dass sie nicht erwünscht sei. "Das war schon hart", sagt er. Thümmler ist immer noch beeindruckt, wie Hohlmeier das weggesteckt hat. Wie sie trotzdem 16 Stunden am Tag durch Oberfranken tourte und für ihr Comeback in Bierzelten und bei Firmenbesuchen kämpfte.

"Sie könnte wieder alles in der Partei werden"

Bei der Europawahl 2009 verlor die CSU in Oberfranken zwar empfindlich, aber Hohlmeier hat seither nicht aufgehört, für sich zu werben. Wer sie persönlich kennenlerne, revidiere schnell seine Meinung, berichten Parteifreunde. Keine Veranstaltung ist ihr zu klein. Hohlmeier weiß mittlerweile, dass es an der Tankstelle in Trockau den billigsten Sprit gibt und dass bei Wattendorf ihr Handynetz gerne mal zusammenbricht.

"Sie hat das großartig gemacht", sagt Thümmler. "Wenn die Monika Hohlmeier kommt, dann kommen auch wieder die Leute." Für Thümmler ist klar, Hohlmeier hat genug gebüßt. Auch CSU-Ortschefin Weiser sagt: "Sie könnte wieder alles in der Partei werden." Ende November hatte Günther Jauch Hohlmeier in seine Talk-Show eingeladen, um über Bildungspolitik zu reden. Hohlmeier taugt wieder für die beste Sendezeit - die Zeit des Aufmerksamkeitsentzugs läuft ab. Hohlmeier sagt, sie wolle erstmal Europaabgeordnete bleiben. Was später einmal sein wird? Wer könne das schon sagen. Sie hat es nicht mehr eilig.

Es ist nachts, als sich Hohlmeier von ihren Parteifreunden in Trockau verabschiedet. Sie haben lang diskutiert. Dann steigt Hohlmeier wieder in ihren Wagen und braust auf die Autobahn. Es geht nach Hause. Morgen früh hat sie wieder Termine. Auf dem Kennzeichen sind noch ihre Initialen zu erkennen: MH 2.

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