CSU und Kirche:Und dauernd sorgt das Kreuz für Aufregung

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Hans Zehetmair und Edmund Stoiber pilgern nach Tuntenhausen. Der Katholische Männerverein gilt als das Herz des politischen Katholizismus. (Foto: Regina Schmeken)

Die CSU müht sich seit ihrer Gründung mit dem schwierigen Verhältnis von Staat und Religion ab - vom "C" im Namen bis zu Politikern, die sich nach Kräften unchristlich verhielten.

Von Hans Kratzer

Als politische Vorbilder benennt der bayerische Ministerpräsident Markus Söder stets seine Vorgänger Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber. Vielleicht gäbe auch Otto von Bismarck, der "Eiserne Kanzler" aus der Kaiserzeit, ein taugliches Vorbild für Söder ab. Der alte Bismarck-Spruch, wonach Politik die Kunst des Möglichen sei, prägt jedenfalls Söders Handeln, oft neigt er sogar dazu, ihn zu bis an die Grenze der Vernunft auszureizen. Das zeigt nicht zuletzt der Beschluss, künftig müsse in jeder bayerischen Behörde ein Kreuz hängen. Damit hat Söder Widerstand und Spott provoziert, deren Heftigkeit es fraglich erscheinen lässt, ob der Kreuz-Erlass noch als politische Kunst des Möglichen durchgehen kann.

Viele unterstellen Söder, dieser Erlass fuße allein auf einem politischen Kalkül. Nicht ohne Grund. Was ihr Verhältnis zu den Kirchen und zu den christlichen Werten betrifft, so steht die Partei seit dem Neubeginn 1945 unter hoher Spannung. Zündstoff liefert schon der im Parteinamen Christlich Soziale Union fixierte Anspruch, Politik auf christlicher Wertebasis zu betreiben.

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Dieser Anspruch war immer angreifbar, die Attacken greifen bis ins Banale hinein. Wie auf der Internetseite katholisch.de dokumentiert ist, musste der so stark aufs Kreuz fixierte Markus Söder vor einigen Jahren Spott ertragen, weil er einen Facebook-Weihnachtsgruß mit einer Osterbotschaft ("Christus ist auferstanden") garniert hatte. Söders Kritiker werteten den Fauxpas als ein Zeichen, die CSU trage das "C" in ihrem Namen mehr vor sich her, als es verinnerlicht zu haben.

Überhaupt nährten schon viele CSU-Politiker den Verdacht der Scheinheiligkeit, indem sie sich nach Kräften unchristlich verhielten. Skandale, Intrigen und Machtkämpfe pflastern die Parteigeschichte. Im Herbst 1945 ins Leben gerufen, verstand sich die CSU von Beginn an als "ökumenische" Partei, was nicht selbstverständlich war. In der Tradition der Bayerischen Volkspartei (BVP) dominierte in der frühen CSU ein starker katholischer Block. Ein Zurück zum reinen politischen Katholizismus nach dem Vorbild der BVP verhinderten Leute wie Josef Müller ("Ochsensepp"), der erste CSU-Vorsitzende. Er öffnete die Partei für protestantische Christen, wenn auch unter Schmerzen.

In den ersten Jahren bekämpften sich der liberale Flügel um Müller und der klerikal-katholische Flügel um den wuchtig konservativen Alois Hundhammer bis aufs Messer. Hundhammer und der Bamberger Domkapitular Georg Meixner, damaliger Chef der Landtagsfraktion, sorgten dafür, dass die Protestanten in den Reihen der Christsozialen nicht zu mächtig wurden. Letztlich aber festigte die CSU ihre Stellung gerade durch die gelungene Einbettung der Protestanten. Ihre Vernetzung mit den Kirchen half der Partei auch, die konkurrierende Bayernpartei in Schach zu halten. Freilich hatte diese Nähe einen Haken: Franz Josef Strauß musste etwa beim Münchner Erzbischof Julius Kardinal Döpfner vorsprechen, um 1963 nach der sogenannten Spiegel-Affäre zur Wiederwahl als Parteivorsitzender antreten zu können.

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Dann begannen Katholizismus und Bauerntum, die wichtigsten Säulen des Freistaats, zu erodieren. Der gesellschaftliche Wandel, befeuert durch die starke Zuwanderung von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen, verlangte neue Antworten. Die bis dahin unantastbare Gliederung des Volksschulwesens nach Bekenntnissen entsprach nicht mehr dem schulischen Alltag. Die konfessionelle Trennung konnte nicht einmal mehr die CSU aufrecht erhalten. Auf ihre Initiative hin wurde die Konfessionsschule 1968 per Volksentscheid abgeschafft. Doch auch die Kirche gab in den Jahren des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 bis 1965) manch rigide Position auf. Nähe und Distanz prägten von da an das Verhältnis der CSU zu den Kirchen.

Im Kruzifixstreit der Neunzigerjahre agierten Partei und Amtskirche gegen ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach Kreuze in Klassenzimmern abgehängt werden müssten, wenn ein Kind oder seine Eltern es verlangten. Große Folgen hatte das nicht. 2011 entschied dann ein EU-Gericht, dass Kreuze in Klassenzimmern nicht gegen die Religionsfreiheit verstoßen.

In den Achtzigern hatten variabel denkende CSU-Politiker wie Hans Maier, Hans Zehetmair und Alois Glück das Verhältnis Partei-Kirche neu definiert. Letzterer warb dabei intensiv für das aus der katholischen Gesellschaftslehre stammende Subsidiaritätsprinzip als politische Leitidee. Andere CSU-Politiker setzten mehr auf schöne Bilder, die politische Stabilität auf der Basis des alten barocken Volksglaubens suggerieren sollten. Unvergessen jene Szenen aus der Wallfahrtskirche Tuntenhausen, in der die CSU-Granden an Festtagen andächtig in der ersten Bank knien. Der Katholische Männerverein Tuntenhausen gilt als das Herz des politischen Katholizismus, den Vereinsvorsitz haben stets CSU-Politiker inne, wie zurzeit Umweltminister Marcel Huber.

Die bildhafte Wucht, die in Panoramen wie der Tuntenhauser Wallfahrt und den Patronatstagen der Gebirgsschützen zum Ausdruck kommt, steckt voller Dialektik, wenn man sie vergleicht mit den bedrückenden Bildern vom Gelände der damals geplanten Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf (WAA). Gerade dort wurde deutlich, dass der CSU das Kreuz nicht immer heilig war, wenn es von WAA-Gegnern aufgestellt wurde.

Als Papst Benedikt XVI. 2006 Bayern besuchte, wirkte das, als markierten diese Tage ein letztes Aufflackern des Volkskatholizismus, der zwar im Brauch des Wallfahrens noch lebendig ist, in der Anteilnahme am sonstigen kirchlichen Leben aber bröckelt.

Nur das Kreuz sorgt dauernd für Aufregung. Als die CSU-Politikerin Ilse Aigner vor Jahren in ihrem Berliner Ministerium ein solches aufhängte, wurde sie dafür von Besuchern heftig beschimpft. Auch das geplante Kuppelkreuz auf dem Berliner Schloss führte zu Debatten über die christliche Prägung und Tradition der Gesellschaft. Die aktuellen Konfliktlinien in Bayern aber dürften einmalig sein, schreibt die Katholische Nachrichten-Agentur: "Dass der Staat in Person von Ministerpräsident Markus Söder die Aufhängung von Kreuzen in staatlichen Gebäuden anordnet und sich die Kirchen dagegen wenden, ist eine Ironie der Geschichte."

© SZ vom 02.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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