CSU und Flüchtlinge:Seehofer benutzt Orbán - gegen Merkel

CSU und Flüchtlinge: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán (rechts) und der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán (rechts) und der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer.

(Foto: AP)

Der Besuch des Provokateurs Orbán ist nur die nächste Spitze gewesen, die CSU-Chef Horst Seehofer auf die Kanzlerin losgelassen hat. Sein Verhalten hat zwei Gründe.

Kommentar von Wolfgang Wittl

Man stelle sich vor, die CSU hätte zu ihrer Herbstklausur den Regierungschef von Belgien eingeladen. Oder von Portugal. Kein Mensch hätte sich dafür interessiert. Stattdessen wurde Viktor Orbán willkommen geheißen, der Ministerpräsident des noch kleineren Ungarn - und ganz Deutschland blickte nach Bayern. Die CSU weiß besser als jede andere Partei, wie sie Aufmerksamkeit erzielt. Dafür sind ihr viele Mittel recht. Deshalb weiß die CSU oft aber auch nicht mehr, wann sie überzieht.

Der Besuch des Provokateurs Orbán ist nur die nächste Spitze gewesen, die CSU-Chef Horst Seehofer auf die Kanzlerin losgelassen hat. Seit Angela Merkel Anfang September die Grenzen für Flüchtlinge geöffnet hat, vergeht kein Tag ohne Angriffe aus München. Das ist neu in der jüngeren Vergangenheit der beiden Schwesterparteien. Bislang stand Seehofer treu an Merkels Seite, weil er wusste: Von ihrer Popularität profitiert auch die CSU. Sogar in der Griechenland-Abstimmung befahl er Unterstützung, obwohl die Stimmung in der CSU eine völlig andere war.

Dass Seehofer in der Flüchtlingsfrage sich jetzt so deutlich und so kontinuierlich gegen Merkel stellt, hat zwei Gründe: Zum einen ist er fest davon überzeugt, dass der Kurs der Kanzlerin falsch ist. Seehofer spürt das Aufbegehren der bayerischen Kommunen, die zunehmend überfordert sind. Er merkt, dass das Volk Fragen stellt, auf die die Politik noch keine Antworten hat.

Zum anderen nutzt er diese Situation, um seine eigene Position in der CSU zu festigen. Mit jeder Attacke auf Merkel steigt seine Zustimmung, mit jedem Nebensatz kämpft er erfolgreich gegen den traditionell vorherrschenden Minderwertigkeitskomplex in seiner Partei an. Obwohl er dem Ende seiner Laufbahn unweigerlich entgegensteuert, ist Seehofer im Moment unangefochten wie selten in der CSU - allerdings auf Kosten seiner wichtigsten Verbündeten.

Seehofer riskiert dabei viel, er nimmt das in Kauf, obwohl er weiß, dass er die Kanzlerin nicht beliebig beschädigen darf. Er braucht sie, wie sie auch ihn. Mit Angela Merkel ist das Wohl und Wehe der Union für die nächsten Wahlen verbunden. Es überrascht also nicht, dass Seehofer sofort alle Debatten beendet, wenn einzelne CSU-Mitglieder bereits eine weitere Kanzlerkandidatur Merkels infrage stellen. Das wäre dann doch zu viel.

An einer ernsthaften Bedrohung der Kanzlerin kann Seehofer nicht gelegen sein. Das hindert ihn nicht daran, alle Möglichkeiten auszureizen, um seinen Kurs durchzusetzen. Dazu gehört offensichtlich, einen Regierungschef einzuladen, der Grundwerte verletzt. Als Viktor Orbán der Kanzlerin bei der CSU-Tagung in Kloster Banz "moralischen Imperialismus" vorwarf, stand Seehofer lächelnd daneben. Er sehe keine Möglichkeit, den Stöpsel wieder auf die Flasche zu kriegen, sagte er unlängst. Er meinte die Folgen von Merkels Flüchtlingspolitik. Wenn er nicht aufpasst, gilt das aber bald auch für die Diskussion über die Kanzlerin.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: