Süddeutsche Zeitung

CSU und FDP wollen Streit beenden:Bayerisches Millionenspiel

Die Koalition in Bayern hat sich mit ihrem Streit um die Studiengebühren in eine Sackgasse manövriert. Nun wollen CSU und FDP das Bündnis retten. Doch wie geht es da bloß wieder raus? Gefragt sind Taktik, Bluffs, gute Nerven - und ein hoher Einsatz.

Von Frank Müller und Mike Szymanski

Es ist eine Mischung aus Poker, Risiko und Roulette, ein Spiel um Millionen und Positionen. CSU und FDP wollen ihre Koalition aus der bedrohlichen Krise retten, in die sie sich mit ihrem Streit um die Abschaffung der Studiengebühren selbst hineingeführt hat. Dabei gefragt sind Taktik, Bluffs, gute Nerven - und der Wille zu hohem Einsatz. Die SZ erklärt die Regeln des Millionenspiels der Koalition.

Wer ist jetzt am Zug?

Regierungschef Horst Seehofer muss den nächsten Schritt machen. Er hat die Koalition überhaupt erst in diese missliche Lage gebracht. Anstatt besonnen das Gespräch mit den Liberalen zu suchen, als im Oktober klar war, es kommt zum Volksbegehren, rückte die CSU innerhalb weniger Tage im Alleingang von den Studiengebühren ab. Der FDP bleib gar nichts anderes übrig, als sich erst mal stur zu stellen. In den folgenden Wochen erlag Seehofer der Fehleinschätzung, die FDP würde von sich aus auf den Kurs der CSU einschwenken.

Stattdessen passierte das Gegenteil: Mit ihrem Widerstand fühlten sich die Liberalen von Woche zu Woche stärker. Der Konflikt hat sich bis an den Rand des Koalitionsbruches hochgeschaukelt. Nun hat die FDP das Spiel eröffnet - sie würde auf die Durchführung des Volksentscheids verzichten. Jetzt muss die CSU signalisieren, wie viel ihr der Koalitionsfrieden wirklich wert ist.

Was ist der Einsatz?

Ganz oben auf der Liste steht natürlich ein Ersatz für die Hochschulen. Die Ausbildung an den Unis soll nicht schlechter werden, wenn der Beitrag der Studenten von etwa 180 Millionen Euro im Jahr wegfällt. Ansonsten könnte FDP-Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch einem Kompromiss nicht zustimmen. Er steht bei den Hochschulen im Wort, dass sich die finanzielle Lage nicht verschlechtert. Das ist der Mindestpreis - die Wunschliste ist lang. Schwarz-Gelb will sich nicht vorwerfen lassen, nur ein Herz für Studenten zu haben: Die Meisterausbildung soll ebenfalls subventioniert werden.

Bei großzügiger Rechnung fallen mindestens weitere 80 Millionen im Jahr an. Sponsert man noch die Ausbildung an Altenpflegeschulen, wird es noch teurer. Für die FDP wäre es im Wahlkampf ein großer Erfolg, die Kindergartenbeiträge komplett abzuschaffen - weitere 200 Millionen Euro im Jahr. Das Luxuspaket dürfte eine halbe Milliarde Euro kosten - dauerhaft.

Wie hoch darf der Preis sein?

Die FDP steckt in der misslichen Lage, dass ein Wahlgeschenk nicht zu groß ausfallen darf, wenn sie sich nicht unglaubwürdig machen will. Im vergangenen Jahr hatte sie sich als Hüterin des Haushalts profiliert. Die CSU hat dem noch eins drauf gesetzt: Bis 2030 soll Bayern schuldenfrei sein - etwa 30 Milliarden Euro gilt es abzustottern. Sparen musste Schwarz-Gelb deshalb bisher nicht: Die gute Konjunktur spülte Überschüsse in Milliardenhöhe in die Kasse.

Die Zeiten dürften vorbei sein. Jede dauerhafte Mehrausgabe gefährdet das Tilgungsziel. Finanzminister Markus Söder gibt sich zurückhaltend: "Das Geld für die Hochschulen ist zurückgelegt. Alles andere bleibt abzuwarten." Fest steht aber auch: Am Geld wird diese Koalition nicht scheitern. Die BayernLB hat dem Freistaat gerade erst 450 Millionen Euro außerplanmäßig überwiesen. Und der Jahresabschluss 2012 dürfe ebenfalls eine satte dreistellige Millionensumme bringen.

Wie hoch muss der Preis mindestens sein?

Der Erfolg der FDP dafür muss für alle sichtbar sein. Im Wahljahr wirtschaftet jeder Koalitionspartner auf eigene Rechnung, die FDP kann also ihren Preis einfordern. Ein großer Aufschlag bei der frühkindlichen Bildung wäre dabei nach dem Geschmack vieler Liberaler.

Schließlich hat sie immer wieder betont, dass sich die Frage der sozialen Gerechtigkeit in der Bildung nicht erst am Start einer Unikarriere entscheidet. Sondern viel früher: in der Kinderkrippe und im Kindergarten. Ein Erfolg auf diesem Feld könnte ein Nachgeben bei den Hochschulbeiträgen aufwiegen.

Warum es um mehr geht als um Geld.

Fast ebenso wichtig wie das Ergebnis des Gefeilsches ist der Stil. Keiner soll sich als Verlierer fühlen müssen. Für die CSU ist es undenkbar, sich gegen die Mehrheit des Volks zu stellen. Das wäre ein miserables Vorzeichen für die Landtagswahl im Herbst. Denn verlieren und CSU - das passt für sie nicht zusammen. Doch auch für die FDP geht es um die Selbstachtung: Sie will sich nicht vorhalten lassen, eingeknickt oder käuflich zu sein. Deswegen könnte sie am Ende darauf bestehen, dass es ein von beiden getragenes Gesamtpaket gibt.

Und nicht das Modell: An einem Tag darf die CSU die Studiengebühren abschaffen, an einem anderen bekommt die FDP ihre Wünsche erfüllt. Das macht es auch unwahrscheinlich, dass die FDP sich darauf einlässt, die CSU aus der Koalitionsdisziplin ausscheren und mit der Opposition stimmen zu lassen.

Warum es auf die Manieren ankommt.

Hier ist schon viel Porzellan zerschlagen worden. In der CSU haben viele schon sehr deutlich gemacht, dass sie auf die FDP keine Rücksicht mehr nehmen wollen und am Ende lieber mit einer geplatzten Koalition leben als mit einer, in der die große CSU vom kleinen Partner erpresst werde. "Inzwischen wird jeder von uns täglich von einem ganzen Schwung von CSUlern bearbeitet", sagt ein FDP-Mann.

In der CSU hat vor allem Seehofer selbst genug von dem Beharrungsvermögen der, wie er es ausdrückte, "Dipferlscheißer". Er hält die FDP für rechthaberisch und kleinkrämerisch - und das in einer Situation, in der die Koalition nur durch radikales Umsteuern überleben kann.

Wer gewinnt, wer verliert?

Sowohl CSU als auch FDP gewinnen, wenn der Streit endlich vom Tisch ist. Ihre größte Versicherung für die Landtagswahl ist der Umstand, dass in Bayern bislang keine Wechselstimmung aufgekommen ist. Der Zoff um die Gebühren provoziert dagegen ein Klima, der politischen Konkurrenz doch mal die Stimme zu geben. Insgesamt hat die FDP mehr zu verlieren als die CSU - sie muss um den Wiedereinzug in den Landtag bangen. Jeder Fehler kostet wertvolle Stimmen. Es wird so schon für die Liberalen schwer, gegen das nun wohl wieder aufkeimende Image als Umfaller anzukämpfen.

Bei der CSU muss man sagen: Umfallen gehört inzwischen zum Programm. In den Umfragen haben ihr die vielen Wenden der vergangenen Jahre bislang nicht geschadet. Einen Bruch der Koalition können sich CSU und FDP gleichermaßen nicht leisten. Schwarz-Gelb wäre an sich selbst gescheitert.

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Quelle:
SZ vom 09.02.2013/sonn
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