Süddeutsche Zeitung

CSU und die Energiewende:Seehofers übereifrige Mail-Attacke

Da sind selbst Seehofer-Kenner baff: Der Ministerpräsident treibt den Atomausstieg im Freistaat mit vollem Elan voran und mailt seinen Staatsdienern fleißig sein Energiekonzept. So fleißig, dass der Mail-Server in die Knie geht.

Frank Müller

Dass Ministerpräsident Horst Seehofer den Atomausstieg mit voller Energie betreibt, davon kann nicht nur die eigene Partei und der Koalitionspartner FDP ein Liedchen singen. Das Ausmaß seines Engagements, das jetzt bekannt wird, erstaunt dann allerdings selbst Seehofer-Kenner: Nicht weniger als achtmal hatten bayerische Staatsdiener vor kurzem dieselbe E-Mail von Horst Seehofer in ihrem Postfach. "Regierungserklärung: MIT ENERGIE IN DIE ZUKUNFT. AUFBRUCH BAYERN!", heißt es schon im Betreff gewichtig.

Im Text verschickt Seehofer dann einen Hinweis auf seine energiegeladene Regierungserklärung im Landtag samt Link zum Nachlesen und schließt mit dem Satz: "Ich würde mich freuen, wenn Sie sich über die Energiepolitik der Bayerischen Staatsregierung informieren würden."

Das tun die Beschäftigten des Freistaats sicherlich gerne, noch lieber aber ohne vielmalige Aufforderung. Ein Finanzamts-Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte, berichtet, er habe sich gleich nach der Rückkehr aus dem Urlaub über 350 ungelesene Mails gewundert.

Achtmal habe er sie alleine von Seehofer erhalten, doch damit nicht genug: Die elektronische Post sei auch noch so verfasst gewesen, dass man bei einer Antwort wiederum alle Adressaten anschreiben konnte. Ergebnis: "Alle Kollegen bei uns im Finanzamt hatten innerhalb weniger Tage viele, viele E-Mails in ihren Postfächern", stöhnt die Finanz-Fachkraft. "Bei mir waren es geschätzte 250." Es kam noch schlimmer: Durch die E-mail-Flut sei der Server in die Knie gegangen, was wiederum das Löschen der Mails erschwerte.

Die SPD, die der Finanzamts-Mitarbeiter dann einschaltete, reagiert mit Hohn und Spott: "Wenn Horst Seehofer mit Lederhose am Laptop sitzt, schieben unsere Staatsdiener wieder einmal kräftig Überstunden", lästert SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Es sei auch zumindest "ungewöhnlich", so Rinderspacher, "dass sich der Ministerpräsident eines Behördennetzes bedient, um auf seine Regierungserklärung aufmerksam zu machen".

Klar ist jedenfalls: Der Fall kostet allseits Energie, auch ganz realen Strom, den man doch so gerne sparen möchte. Seit einiger Zeit diskutieren Experten über die hohen Stromkosten des Internets. Alleine in Deutschland verbrauchen die erforderlichen Rechenzentren die Energie von vier Kraftwerken, wie sie der Freistaat nun zur Absicherung des Atomausstiegs bauen will.

Noch ist es freilich nicht so weit, dass allein der Verzicht auf Seehofer-Mails die bayerischen Energieprobleme lösen würde. Von flächendeckenden Schwierigkeiten in allen bayerischen Behörden könne zumindest keine Rede sein, heißt es in der Staatskanzlei. Man werde nun recherchieren, wo der technische Fehler genau lag. Was in solchen Fällen immer hilft: eine Mail an die IT-Abteilung.

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SZ vom 04.08.2011/bica
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