CSU und Aigners Vorstoß zur Energiewende:Rebellin aus Kalkül

Erste Kabinettssitzung in Bayern nach der Wahl

Hallo? Hier bin ich! Ilse Aigner versucht sich mit einiger Mühe zu profilieren.

(Foto: dpa)

Die CSU streitet heftig über die Energiewende. Ilse Aigner kontert die Kritik ihres Chefs. Für die Wirtschaftsministerin könnte das ungemütliche Folgen haben. Horst Seehofer hat sogar seine Rede auf der Winterklausur in Wildbad Kreuth verschoben.

Von Sebastian Gierke

Erwin Huber und Horst Seehofer Seit' an Seit'. Das haben sie sich in der CSU auch nicht mehr träumen lassen. Seehofer und sein Vorgänger Huber, das sind zwei wie Feuer und Wasser, politische Feinde. Doch bei der Beurteilung der Vorschläge von Ilse Aigner, die Energiewende auf Pump zu finanzieren, da sind sie tatsächlich mal einer Meinung. "Wir dürfen den künftigen Generationen nicht die Energiekosten von heute zusätzlich aufbürden", sagt der Ministerpräsident. Man dürfe die kommenden Generationen nicht mit der Energiewende belasten, sagt der Wirtschaftspolitiker und ehemalige CSU-Chef Huber.

Für Aigner läuft es nicht sonderlich gut, seit sie, zurückgekehrt aus Berlin, in München als Wirtschaftsministerin amtiert. Während Finanzminister und Konkurrent Markus Söder bei jeder Gelegenheit Fortschritte bei der Digitalisierung Bayerns verkündet und hin und wieder sogar vom Chef gelobt wird, tut sich Aigner schwer, in ihrem neuen Amt in den Tritt zu finden. Mit Erfolgsmeldungen beim Thema Tourismus oder dem Meister-Bafög gelingt das kaum. Da braucht es schon etwas mehr. Einen Milliarden-Fonds zur Energiewende vielleicht?

Bislang ist nichts vorwärts gegangen bei Aigners wichtigstem Projekt, eben dieser Energiewende. Und Seehofer hat es ihr nicht unbedingt leicht gemacht. Der verlangt beispielsweise einen Mindestabstand für Windräder von Wohnbauten und drängt gleichzeitig auf eine Lösung für bereits angelaufene Projekte.

Aigner ist dazu noch nichts eingefallen. Und der Chef macht gewaltig Druck. Er hat - Anwesenheitspflicht! - die gesamte bayerische Staatsregierung zum Thema Energiewende im Bayerischen Landtag zusammengetrommelt und vor der Sitzung dem Münchner Merkur erklärt: "Ich gehe da nicht raus, bevor ich weiß, wo Bayern steht." Dass er sogar mit Zeitverzögerung zur Winterklausur der CSU-Landesgruppe ins oberbayerische Wildbad Kreuth reist und seine Rede dort verschoben hat, das dürfte Aigner nicht gefallen. Denn wenn Seehofer ungeduldig wird, dann hat das für den betroffenen Minister meist nichts Gutes zu bedeuten.

Dass Aigner sich jetzt gegen Seehofer auflehnt, ist deshalb eine Flucht nach vorne. Aigner, als Kronprinzessin und Favoritin auf die Nachfolge Seehofers nach München gekommen, droht etwas ins Abseits zu geraten - und versucht sich jetzt zu profilieren. Das gehört schließlich in der Politik dazu. Denn wichtiger als die Tagung im engen Tal der Weißach südlich vom Tegernsee selbst sind die Tage davor. Es geht um größtmögliche Aufmerksamkeit, es geht darum, sich in eine gute Position zu bringen, es geht darum, Pflöcke einzurammen. Und vor allem geht es darum, sich als Regionalpartei, die von CDU und SPD in Berlin eigentlich gar nicht gebraucht würde, größer zu machen, als man ist.

Aufmerksamkeit zu bekommen, zumindest das ist der CSU in diesem Jahr bislang gut gelungen, vor allem mit der Forderung nach der Eindämmung des Sozialbetrugs durch Zuwanderer aus Südosteuropa ("Wer betrügt, der fliegt"). Dazu kamen noch Attacken gegen Brüssel und eine von der CSU konstatierte überbordende EU-Bürokratie oder der für alternativlos erklärte Wunsch nach Ausnahmen beim Mindestlohn.

Zwar ist der Koalitionsvertrag mit seinen 185 Seiten gerade erst unterzeichnet worden, doch das hindert die CSU nicht, schon jetzt an wichtigen Stellen Veränderungen anbringen zu wollen. Im Kern stützen sich die Christsozialen zwar auf die Inhalte des Vertrages, nutzen den vorhandenen Spielraum aber geschickt für eine sehr einseitige Interpretation.

Insoweit liegt Aigner ganz auf Parteilinie - auf Linie von Horst Seehofer. Sie war ja in den Koalitionsverhandlungen mitverantwortlich für Wirtschaftspolitik. Was im Vertrag zum Thema Energiewende steht, das hat Aigner zu einem Gutteil bestimmt. Deshalb irritiert ihr Vorstoß, auch wenn die Idee an sich Charme hat.

Doch spätestens mit ihrer deutlichen Antwort ("Es reicht nicht immer nur Nein zu sagen") auf Seehofers Kritik in der SZ ist klar: Sie will damit vor allem ein Signal an die eigene Partei und ihren Chef senden: Hallo, hier bin ich! Und nach außen macht sie deutlich: Seht her, ich traue mich sogar, dem allmächtigen Chef zu widersprechen.

Nachfolge? Erwin Huber ist nicht dabei

Seehofer kennt die Politfolklore vor Kreuth zur Genüge - und macht nebenbei die Energiewende zur Chefsache. Ein Streit mit Aigner kann ihm nicht gefährlich werden. Dem bayerischen Ministerpräsidenten geht es vor allem darum, dass sich bei den Leuten nicht der Eindruck verfestigt, die CSU belaste die kommende Generation über Gebühr. Das wäre ja schlecht für die Umfragewerte der CSU. Erwin Huber assistiert auch hier: Die CSU stehe ja für Schuldenabbau.

Umfragen spielen auch bei der Kür eines Seehofer-Nachfolgers die entscheidende Rolle. Gerade hat der CSU-Chef verkündet, die Nachfolge irgendwann rund um die Bundestagswahl 2017 klären zu wollen. "Wir werden mit der Kandidatin oder dem Kandidaten für den Parteivorsitz und das Amt des Ministerpräsidenten ins Rennen gehen, die oder der die höchsten Erfolgschancen hat." Letztlich entscheide deshalb die Bevölkerung über die Nachfolgefrage - also die Umfragen. Seehofer nannte auch Namen. Nicht zum ersten Mal: Aigner, natürlich auch Söder, Joachim Herrmann (Innenminister), Staatskanzleichefin Christine Haderthauer und den neuen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Aigner ist schon lange nur noch eine unter vielen. Immerhin: Erwin Huber war nicht dabei.

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