CSU-Stadtrat vor Gericht:Augsburger Störenfried

Lesezeit: 3 min

Ein CSU-Stadtrat muss sich in Augsburg wegen versuchter räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung vor Gericht verantworten. An seiner Person lässt sich das ganze Dilemma der heillos zerstrittenen Partei in der Stadt festmachen.

Andreas Ross

Mit der Farbe Schwarz hat die CSU normalerweise gar kein Problem. Doch zumindest für die Augsburger CSU könnte die kommende Woche eine schwarze werden - im Sinne von düster und bedrohlich. Denn von Montag an muss sich mit Tobias Schley ein amtierender CSU-Stadtrat vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts verantworten.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 41-jährigen Kommunalpolitiker vor, im Dezember vergangenen Jahres gemeinsam mit zwei Bekannten einen Taxifahrer physisch und verbal attackiert und anschließend auch noch mit Türstehern einer Diskothek gerangelt zu haben. Die Tat soll sich um kurz vor halb sechs Uhr morgens im Zentrum der Stadt abgespielt haben.

Die Anklage gegen Schley lautet auf versuchte räuberische Erpressung, gefährliche Körperverletzung und Beleidigung. Und das Gericht hat ein zweites Verfahren an den Montagstermin angehängt. Weil Tobias Schley im März dieses Jahres einen Stadtratskollegen während dessen Rede als "Arschloch" bezeichnet haben soll, ist er ein weiteres Mal wegen Beleidigung angeklagt. Schley selbst hat die Vorwürfe bislang bestritten und sie "substanzlos" genannt.

Der Fall würde die Öffentlichkeit vermutlich weniger interessieren, würde es sich um einen Stadtrat handeln, der sonst unbescholten seiner Arbeit nachgeht und dummerweise einmal ausgerastet ist. Doch bei Tobias Schley liegt die Sache anders. Der Diplom-Kaufmann, der sein Brot bei der Messe Augsburg verdient, hat sich, seit er 2008 in den Stadtrat gewählt wurde, einen Ruf "erarbeitet" - und der ist für ihn, aber auch für die Augsburger CSU alles andere als vorteilhaft.

Schley gilt bei denen, die ihm innerhalb und außerhalb der Partei kritisch begegnen, als äußerst impulsiv, ja als Rumpelstilzchen und als Störenfried. Die Liste seiner Eskapaden und seiner verbalen Ausfälle ist bereits erstaunlich lang, doch sie konnten ihm bislang wenig anhaben. Erst die jüngsten Vorwürfe und die damit einhergehende Anklageerhebung durch die Augsburger Staatsanwaltschaft haben den Aufstieg des Kommunalpolitikers gebremst.

Denn Tobias Schley ist kein Hinterbänkler, sondern ein begabter Netzwerker. Er gehört zu den politischen Ziehsöhnen des Landtagsabgeordneten und örtlichen CSU-Fraktionsvorsitzenden Bernd Kränzle, der seit mehr als 45 Jahren in der Augsburger CSU aktiv ist. Von Kränzle hat Schley gelernt, wie man in der Öffentlichkeit unauffällig agiert, aber im Hintergrund geschickt die Fäden zieht. Auf diese Weise hat es der Nachwuchspolitiker aus der Jungen Union bis an die Spitze des CSU-Kreisverbandes West gebracht - eine Position, die ihm vor allem in Personalfragen eine Menge Macht und Einfluss verliehen hat.

Das musste auch der Bundestagsabgeordnete Christian Ruck erkennen, der den Unruhestifter mit Rückendeckung von OB Kurt Gribl absägen wollte. Doch der CSU-Kreischef hatte längst eine Mehrheit jenseits von Ruck und Gribl organisiert und blieb im Amt. Der Hauskrach in der Augsburger CSU war perfekt. Selbst der Schlichtungsversuch des CSU-Landesvorsitzenden Horst Seehofer konnte nicht verhindern, dass in der Folge altgediente CSU-Mitglieder aus Protest die Partei verließen und sich die Fraktion im Rathaus spaltete. Wie schon 1981 gründete sich wieder eine Christlich Soziale Mitte (CSM), zu der auch der Zweite Bürgermeister Hermann Weber gehört.

Öffentlich wurde ordentlich schmutzige Wäsche gewaschen, und die CSU, die ja immerhin gemeinsam mit der Wählergruppe "Pro Augsburg" die Stadt regiert, bot den Bürgern das Bild eines von allen guten Geistern verlassenen Politikbetriebs.

Als die Staatsanwaltschaft im Mai dieses Jahres Anklage gegen Tobias Schley erhob, hat der 41-Jährige zwar sein Parteiamt niedergelegt, sein Stadtratsmandat aber behalten. An den Mehrheitsverhältnissen und an den Seilschaften in der Partei hat sich dadurch nichts verändert. Mit dem Ordnungsreferenten Volker Ullrich, dem Szenewirt Leo Dietz, dem Realschullehrer Michael Gierl, dem Rechtsanwalt und Steuerberater Thorsten Große sowie den beiden Landtagsabgeordneten Bernd Kränzle und Johannes Hintersberger hat Schley in der Stadtratsfraktion weiterhin starke Fürsprecher.

Und auch der neue Chef im CSU-Kreisverband West, Rolf von Hohenhau, der Präsident des Bundes der Steuerzahler in Bayern, ist ein enger Freund und Förderer von Schley. Auch von Hohenhau ist Experte, wenn es darum geht, wichtige Entscheidungen hinter den Kulissen einzufädeln.

Und eine solche steht bald an: die Nominierung des Bundestagskandidaten. Christian Ruck, der seit 1990 das Mandat inne hat, kann sich nicht sicher sein, erneut aufgestellt zu werden. Auch Schley-Freund Volker Ullrich hat Ambitionen. Er wird jedoch nur antreten, wenn ihm die Netzwerker um Kränzle und von Hohenhau rechtzeitig signalisieren, dass die Mehrheit der Delegierten für eine Verhinderung von Ruck gesichert ist.

Apropos Kränzle. Obwohl gerade 70 Jahre alt geworden, wird der Polit-Dino im Herbst 2013 für weitere fünf Jahre in den Landtag einziehen. Die Ankündigung seiner Kandidatur hatte in der Öffentlichkeit betretenes Schweigen ausgelöst. Diese Woche haben ihn die Delegierten des Stimmkreises Augsburg-Ost dennoch wieder als Kandidaten nominiert. Keiner der Anwesenden hatte gewagt, offen Kritik zu üben. In geheimer Abstimmung votierte dann aber doch ein Fünftel der Delegierten gegen Kränzle.

Schon jetzt hat OB Gribl Sorge, dass seine Arbeit im Rathaus von den fortwährenden CSU-Querelen überschattet wird. Der Prozess gegen Stadtrat Schley und eine mögliche Verurteilung werden dem Ansehen der Augsburger CSU ganz sicher nicht förderlich sein.

© SZ vom 13.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: