Süddeutsche Zeitung

CSU:Söder will eine Mischung aus Stoiber und Seehofer sein

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Von Wolfgang Wittl, München

Die Erste Allgemeine Verunsicherung, eine Band aus Österreich, hat gegen manchen politischen Missstand angesungen. Dass vor allem ihre Klamauknummern in Erinnerung geblieben sind, liegt an Zeilen wie diesen: "Ich bin eine Mischung, die ist ziemlich lecker, aus Albert Einstein und Arnold Schwarzenegger. So weit, so gut, doch das Dumme ist nur, ich hab Schwarzeneggers Hirn und von Einstein die Figur." Die Songs sind bis heute im Fasching oder auf Partys zu hören, auf denen vermeintlich seriöse ältere Herrschaften wie aufgekratzte Teenager herumalbern. Zum Beispiel an Abschlussabenden der CSU-Landtagsfraktion.

Die CSU-Abgeordneten hatten auffällig gute Laune bei ihrer Winterklausur in Kloster Banz. Das lag an einem Mann, der sich betont staatsmännisch gab. Die vier Tage in Oberfranken haben einen ersten Eindruck hinterlassen, mit welchem Stil Markus Söder das Amt des Ministerpräsidenten angehen will. Es ist eine Mischung, die für die CSU ziemlich lecker ist, nämlich eine aus Edmund Stoiber und Horst Seehofer. Das Dumme aus Sicht der Opposition ist nur, dass Söder - anders als die Erste Allgemeine Verunsicherung bei Einstein und Schwarzenegger - sich offenbar die Stärken zum Vorbild nehmen will.

Erkennbar wird das in dem milliardenschweren Zehn-Punkte-Programm, das Söder zum Start seiner Amtszeit angehen will. Wie ein Fußballer, der sich im Lauf seiner Karriere einiges von seinen Trainern abschaut, hat er die Arbeit der beiden Ministerpräsidenten analysiert, die den Freistaat das vergangene Vierteljahrhundert fast durchgehend regiert haben.

Von seinem Mentor Stoiber übernimmt Söder die Strategie, wie die CSU mit einem Gegner rechts von ihr umzuspringen hat: Stärke demonstrieren in der Flüchtlings- und Sicherheitspolitik, den Gegner nicht ignorieren, sondern "stellen", wie er es formuliert. So hat Stoiber in den Neunzigerjahren die Republikaner kleingemacht, so geht Söder nun gegen die AfD vor - rhetorisch wie programmatisch: Wenn er jetzt wieder die bayerische Grenzpolizei einführen will, folgt das weniger einer sicherheitsrelevanten Notwendigkeit, sondern vielmehr folkloristischer Symbolpolitik. Es ist eine Botschaft an konservative Wähler.

Stoiber und Seehofer haben stets den sogenannten kleinen Mann in den Mittelpunkt ihrer Politik gestellt. Sie wussten, der Weg zur Alleinregierung führt nur über die "Leberkäsetage" (Franz Josef Strauß). Auch der bisherige Scharfmacher Söder wechselt jetzt ins Fach des Kümmerers. Mehr Wohnungsbau, Pflegegeld, Eigenheimzulage, Baukindergeld, besserer öffentlicher Nahverkehr, durchgängige Kinderbetreuung in den ersten zehn Lebensjahren - das erinnert zum einen an den Sozialpolitiker Seehofer, zum anderen an dessen Geschmeidigkeit, Themen neu zu besetzen oder abzuräumen, wenn sie für Wahlen gefährlich werden.

Vieles von dem, was Söder jetzt vorstellte, forderte die Opposition seit Jahren vergeblich. Erst im Oktober hatte die CSU-Landtagsfraktion einen SPD-Vorschlag für eine staatliche Wohnungsbaugesellschaft abgeschmettert. Nun gründet Söder eine solche Gesellschaft, stattet sie mit Hunderten Millionen Euro aus, seine Fraktion jubelt. Wer Seehofer vorgeworfen hat, er wechsele Positionen wie andere Leute ihre Kleidung, dürfte da staunen. Söder ist in solchen Momenten mehr Seehofer, als Seehofer es selbst sein könnte.

Was wohl der Noch-Finanzminister Söder zu den Kosten für dieses Zehn-Punkte-Programm gesagt hätte, wenn es von jemand anderem stammte? Einige Posten werden den Freistaat über Jahre hinweg belasten, aber nicht mal bei den kritischen Haushaltswächtern in der CSU regt sich Widerstand. Nur eines zählt jetzt: der Erfolg bei der Landtagswahl. Nicht einmal neun Monate bleiben Söder, Zeit ist knapper als Geld. Es dürfte deshalb nur der erste Griff in die Kassen gewesen sein. In seiner Regierungserklärung und im Wahlkampf wird Söder weitere Ideen vorstellen. An Seehofers Ziel vom schuldenfreien Bayern bis 2030 hält er jedoch fest.

Abgeordnete freuten sich in Banz über einen Söder, der sie an Stoiber und Seehofer zu Beginn ihrer Amtszeiten erinnerte: zugewandt, geduldig, sogar mitschreibend. Nur einmal blitzte seine Ungeduld auf. Als die Debatte über die Abschaffung der umstrittenen Straßenausbaubeiträge ins Chaos abzugleiten drohte, beendete Söder sie mit einem Machtwort.

Ein Paradigmenwechsel. Bislang hat er sich entspannt zurückgelehnt, wenn es zwischen dem Ministerpräsidenten und der Fraktion krachte - selbst wenn er dachte wie Seehofer. Wozu sich mit Abgeordneten anlegen, die er für die Machtübernahme braucht?

Söder hat viel gegrübelt über sein Programm, über das Personal will er sich angeblich noch keine Gedanken gemacht haben. Das dürfte die Geschlossenheit in den kommenden Wochen weiter fördern. "Die CSU ist wieder da", frohlockten Abgeordnete, sogar der Glaube an die absolute Mehrheit sei in den Klostermauern zurückgekehrt. Man könnte auch sagen: Die CSU will ihre erste allgemeine Verunsicherung nach der Bundestagswahl endlich hinter sich lassen.

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SZ vom 22.01.2018
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