Europawahl:Die CSU fasst wieder Hoffnung

CSU Markus Söder Manfred Weber Europawahl

Plötzlich ein funktionierendes Team: Markus Söder, CSU-Parteivorsitzender, und Manfred Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei.

(Foto: dpa)
  • Mit der CSU ging es in den vergangenen Jahren stetig abwärts, historisch schlecht waren die 37,2 Prozent bei der Landtagswahl.
  • Nun scheint es eine Trendwende zu geben.
  • Die Zahlen werden laut Umfragen besser, der Streit mit der CDU ist beigelegt - und Manfred Weber macht eine gute Figur im Rennen um den Vorsitz der EU-Kommission.

Von Wolfgang Wittl

Es gibt eine Fernsehwerbung, die kannte vor 30 Jahren so ziemlich jeder. Eine Frau begibt sich auf eine kleine Europareise und sieht ihr volles Haar allerlei Widrigkeiten ausgesetzt. Morgens Hamburg, mittags München, nachmittags Rom - überall warten beim Aussteigen aus dem Flugzeug andere Herausforderungen: Regen prasselt, Wind stürmt, Sonne brennt. Doch zum Glück benutzt die Frau ein Haarspray, das ihrem blonden Schopf in allen Lebenslagen "perfekten Halt" gibt.

Perfekter Halt? So ein Spray zur Stabilisierung hätte die CSU in den vergangenen Jahren vermutlich auch gerne gehabt. Tiefer und tiefer rutschte sie ab, zuletzt im Oktober auf historisch schlechte 37,2 Prozent bei der Landtagswahl. Stürmische Zeiten liegen hinter der Partei, oft stand sie im Regen, selten auf der Sonnenseite. So gesehen wirkte die CSU fast selbst überrascht, als sie ihre eigene kleine Europareise am vorigen Mittwoch ungewohnt erfolgreich abschloss.

Erst präsentierte sie in Berlin in größter Harmonie das gemeinsame Europawahlprogramm mit der CDU, dann setzte sich Parteivize Manfred Weber in Brüssel mit der Suspendierung gegen seinen ungarischen Quälgeist Viktor Orbán durch, schließlich kam die CSU in einer Umfrage in München erstmals seit Monaten wieder auf mehr als 40 Prozent. "Wir haben einen Lauf", frohlockt ein wichtiger CSU-Mann. Weist dieser 20. März wirklich schon den Weg heraus aus der Abwärtsspirale?

Zarte Anzeichen für eine Trendwende sind erkennbar. An diesem Montag werden die Vorstände von CDU und CSU in Berlin miteinander das Programm zur Europawahl beschließen. 40 CSU-Leute haben sich angemeldet, das sind etwa zwei Drittel des kompletten Vorstands. Vor nicht allzu langer Zeit wären die meisten Christsozialen nicht einmal zur Schwesterpartei gefahren, wenn man jeden einzeln zu Hause abgeholt hätte. Das Ende des Konflikts mit der CDU dürfte den größten Teil zur derzeitigen Konsolidierung beitragen. Möglich war das erst, nachdem die Parteichefs Angela Merkel und Horst Seehofer den Weg mehr oder weniger freiwillig freigemacht hatten. Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Söder, ihre Nachfolger, lassen kaum eine Gelegenheit aus, den Neubeginn zu zelebrieren. Die europaweite Implosion von Volksparteien sowie das eigene Absacken im Flüchtlingsstreit hat sie gelehrt: Nur zusammen wird die Union überleben. Das Programm zur Europawahl ist das erste überhaupt, welches CDU und CSU gemeinsam verfasst haben.

Eine Scharnierfunktion im neuen Miteinander nimmt CSU-Vize Manfred Weber ein, der gemeinsame Spitzenkandidat, der so gerne Chef der EU-Kommission werden will. Dafür braucht er die CDU mehr als seine Partei. Nach der kritischen Sitzung vom Mittwoch, als die europäischen Konservativen Orbáns Fidesz-Partei einstweilen aus der Parteienfamilie ausschlossen, jubelten CSU-Granden über Webers "großen Sieg". Die Aussicht, ein Bayer könne an die Spitze der EU-Kommission rücken, nützt natürlich auch der CSU. Weber und Parteichef Söder, die langjährigen Rivalen, haben es bislang geschafft, sich glaubhaft als einträchtiges Duo zu inszenieren. Kommenden Samstag treten sie beim Europaparteitag in Nürnberg auf. Söder lässt dem Spitzenkandidaten alle Freiheiten, er trägt auch Webers Mitte-Kurs mit. Alle Entscheidungen werden präzise abgestimmt.

Als die CSU-Delegation von Brüssel zurück in München war, wartete der BR-Bayerntrend mit unverhofften 41 Prozent. Das ist nur ein halbes Prozent mehr als bei der als missglückt in Erinnerung gebliebenen Europawahl 2014, bedeutet im Vergleich zur Landtagswahl aber einen Sprung nach oben. Besonders erfreulich aus CSU-Sicht: Die AfD (zehn Prozent) hat ihren Zenit womöglich überschritten, die klare Abgrenzung trage nun Früchte, sagt ein CSU-Vorstandsmitglied. Zur Wahrheit der Umfrage gehört aber auch: Ein erheblicher Teil des CSU-Zuwachses kommt von den Freien Wählern, die bei Wahlen außerhalb Bayerns traditionell schlechter abschneiden.

Perfekter Halt? Die Zeiten mit 50 plus X sind in der CSU schon fast so vergessen wie der Werbespot für Haarspray. Söders Aufgabe wird es sein, seine Partei im 40-Prozent-Korridor zu stabilisieren. Diese Frage entscheidet sich weniger in Berlin und Brüssel, sondern im Land. Am Sonntag saß Söder bei einem Frühschoppen mit dem Thema: "Nett zu Bienen und Bürgern - politischer Klimawandel in Bayern?" Tags zuvor gratulierte er artig den bayerischen Waldorfschulen zum 100. Geburtstag. Vor einem halben Jahr, als Zehntausende mit Anti-Söder-Schildern durch Straßen rannten, ging es noch um andere Themen. Ja, die Tendenz sei erfreulich, aber man verfalle jetzt nicht in Euphorie, heißt es deshalb aus Söders Umfeld. Man könnte auch sagen: Der Wind kommt jetzt nicht mehr nur von vorne.

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