CSU-Parteitag:Markus Söder, fromm wie der Wolf

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"Ich bitte euch ganz herzlich, dass wir morgen Armin Laschet einen tollen Empfang bieten": Markus Söder beim Parteitag in Nürnberg. (Foto: WOLFGANG RATTAY/REUTERS)

Nach den CSU-Angriffen auf den Unions-Kandidaten gibt sich Markus Söder als großer Laschet-Unterstützer. Er will die Christsozialen für den Wahlkampf motivieren, aber auch klarmachen, wer die Schuld trägt am bevorstehenden Desaster. 

Von Roman Deininger und Andreas Glas

Markus Söder hat es eilig in seiner Rede, auf gar keinen Fall will er den CSU-Parteitag und die Welt länger als unbedingt nötig darüber im Unklaren lassen, wie es um seine Gefühle für Armin Laschet bestellt ist. "Für alle Journalisten zum Mitschreiben", sagt er sofort nach knappen Worten der Begrüßung. "Wir wollen Armin Laschet als Kanzler haben statt Olaf Scholz." Der Applaus der Delegierten in der Nürnberger Messe ist so lang und kräftig wie früher bei CSU-Parteitagen, wenn irgendwer ein Burka-Verbot forderte. Das muss sie sein, die berühmte Geschlossenheit der CSU, die in diesem Fall ausdrücklich auch die Schwesterpartei und insbesondere den gemeinsamen Kanzlerkandidaten umfasst. Dass das Bekenntnis zu Armin Laschet überhaupt solche Dringlichkeit hat, ist aber auch ein Hinweis darauf, dass dieser Parteitag schon zu verrutschen droht, ehe er überhaupt begonnen hat.

Laut Programm wird die Versammlung mit fast 900 Delegierten am Freitag um 15 Uhr eröffnet, gegen 16 Uhr soll der Parteivorsitzende Söder seinen großen Auftritt haben, anschließend muss er sich noch einer Neuwahl stellen. Aber irgendetwas muss so wichtig sein, dass Söder es vorab loswerden will. Schon jetzt hat er es eilig. Um 14 Uhr bittet die CSU die Medienleute zu einem Statement, das man getrost ins Genre des Krisenmanagements einordnen darf. Krisen managen, das wird Söder seit Corona von vielen Leuten zugetraut, aber die Krise, der er sich jetzt widmet, stammt aus der Hausmanufaktur der CSU.

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Um 13.58 Uhr rollt die Limousine des CSU-Chefs am Messezentrum vor. Er steigt aus, klettert die Stufen hoch, rein in den Wald aus Reportern. Das werde ein gutes, ein wichtiges Wochenende, sagt Söder. Es gehe jetzt auch um "ein Signal für Armin Laschet". Nicht mehr um "Stilfragen", sagt Söder. Dabei geht es genau darum: Stilfragen. Und um das Signal, das CSU-Generalsekretär Markus Blume tags zuvor für Laschet gesetzt hat, als er die Umfragemisere der Union im Spiegel so kommentierte: "Natürlich stünden wir mit Markus Söder besser da."

Nun muss die CSU in Nürnberg also erst mal die Scherben des Porzellans wegfegen, die Blume dem glücklosen Laschet mit einem einzigen, aber doch sehr wuchtigen Satz vor die Füße geknallt hat. Während der Generalsekretär seine Hände sehr ministrantenhaft vor dem Bauch verschränkt hält, trägt neben ihm Söder eine Predigt vor, in der er die Einigkeit der Union beschwört. Ernsthaft?

Die CSU trifft sich in Nürnberg in der düstersten Lage ihrer jüngeren Geschichte

Ein Reporter fragt, ob Söder nicht selbst ein bisschen schuld sei, dass die Umfragen so mies seien, auch die der CSU? "Warum?", fragt Söder. Nicht allen im Reporterwald gelingt es, ein Lachen zu unterdrücken. Warum? Weil er immer wieder durchblicken lasse, dass der Kandidat Laschet der falsche sei? "Ich kann das nicht erkennen", sagt Söder.

Um das alles mal einzuordnen: Die CSU trifft sich in Nürnberg in der düstersten Lage ihrer jüngeren Geschichte. Keiner weiß, durch welche Ritzen in der Nürnberger Messe da groß Licht hereinbrechen könnte. Im Bayerntrend von BR und Infratest Dimap, der meistbeachteten Umfrage im Freistaat, ist die CSU auf 28 Prozent gefallen, acht Prozentpunkte weniger als bei der Erhebung im Juli. Trotzig hatte Söder das Wochenende der Trendumkehr ausgerufen. Die CSU hatte große Hoffnungen in das Aufbruchssignal gesetzt, das von ihrem ersten Präsenzparteitag seit Beginn der Pandemie ausgehen sollte. Sie bildet sich schließlich etwas ein auf die Energie, die sie bei ihren Versammlungen zu erzeugen vermag. Und jetzt? Muss die Regie der zweitägigen Veranstaltung eher verhindern, dass sich die Delegierten gegenseitig in ihrer Verzweiflung bestärken.

Bevor Söder in Nürnberg eintrifft, haben CSU-General Blume und sein CDU-Kollege Paul Ziemiak bereits eine gemeinsame Erklärung der Geschlossenheit herausgegeben. Und Blume sagte: "Unser Kanzlerkandidat Armin Laschet wird herzlich empfangen werden und jeden Rückenwind bekommen." Er bedauere, dass es Irritationen gegeben habe. Seine Aussagen seien auf Bayern und die CSU bezogen gewesen. Nun ja.

Man habe doch viele Laschet-Plakate draußen, beteuert Generalsekretär Blume

Formal, das beteuert Blume bei der Eröffnung des Parteitags, habe sich die CSU bei der Unterstützung Laschets eh nichts vorzuwerfen: "Wir haben mehr Plakate draußen als früher für Helmut Kohl oder Angela Merkel." Tatsächlich haben die Organisatoren zumindest sichergestellt, dass die Besucher in den Nürnberger Messehallen kaum drei Schritte tun können, ohne vor einem Laschet-Konterfei zu stehen. Söder legt in seiner Rede dann höchst sicherheitshalber auch nochmal nach. "Ich bitte euch ganz herzlich", sagt er zu den Delegierten, "dass wir morgen Armin Laschet einen tollen Empfang bieten". Am Samstagvormittag soll der CDU-Chef in Nürnberg sprechen.

Die Laschet-Skepsis ist natürlich weit verbreitet in der CSU, und dennoch gibt es gar nicht wenige, die sich den Sommer über von ihrem Chef eine kräftigere Unterstützung für den ungeliebten Kandidaten erwartet hätten. Söders ewiges Sticheln, sagt ein erfahrener CSU-Mann, sei "Ausdruck verletzter Eitelkeit und damit unprofessionell". Vor dem Parteitag hatte Söder bei vielen Gelegenheiten zwischen den Zeilen durchklingen lassen, bei wem die Verantwortung für das sich abzeichnende Wahldesaster zu verorten sei - ein herzliches Servus nach Nordrhein-Westfalen.

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Diese Blöße will sich Söder in Nürnberg nicht geben, er müht sich redlich, die Bühne für den werten Besuch aus Düsseldorf zu bereiten. Er verzichtet auf die ironischen Anspielungen, die ihm sonst so teuflische Freude zu bereiten scheinen, sicher ist sicher: "Wir stehen zu 100 Prozent hinter unserem gemeinsamen Kanzlerkandidaten."

Wie verzwickt die Lage in der CSU ist, lässt sich wenige Stunden vor dem Parteitag im Münchner Stadtteil Solln beobachten, im Wahlkreis München-Süd. Auf dem Wochenmarkt, neben dem Grillhendlwagen, hat die CSU ihren Infostand platziert, genauer: einen Biertisch. Davor steht ein Mann mit breitem Kreuz und Filzjacke, das Hemd mit seinen Initialen bestickt: M. K. für Michael Kuffer, 49, örtlicher Direktkandidat der CSU. Er gehört zu denen, die um ihr Mandat zittern müssen. Alle CSU-Direktkandidaten in München müssen zittern. Nur jetzt eben erst recht, bei diesen Umfragewerten.

"Er ist halt nicht der extrovertierteste Wahlkämpfer", sagt der CSU-Mann

Auf dem Biertisch, ordentlich drapiert: CSU-Taschen, Tütchen mit Gummibären, von den Broschüren lächelt Kuffer sein Wahlkampflächeln, auch Söder, klar. Und Laschet, der Kanzlerkandidat? Er könne hier nur auslegen, was er von der Parteizentrale bekomme, sagt Kuffer. Hätte er Laschet-Flyer bekommen, hätte er Laschet-Flyer ausgelegt. "Ich würde mich jetzt nicht schämen für den Laschet."

Nicht schämen, geht es nicht ein bisschen freundlicher? Nicht falsch verstehen, sagt Michael Kuffer. Er sei überzeugt, dass Armin Laschet ein guter Kanzler wäre. "Aber er ist halt nicht der extrovertierteste Wahlkämpfer." Wie viele Laschet-Plakate in München kleben? "Nicht viele", sagt Kuffer. Der CDU-Chef sei ja "nicht das stärkste Asset" im Wahlkampf. Für Kuffer hat CSU-Generalsekretär Blume also nur die Wahrheit gesagt. Andererseits, findet er, "ist es natürlich so, dass die Leute den Laschet erst recht nicht wählen werden, wenn sie das Gefühl haben, dass nicht mal wir hinter unserem eigenen Kandidaten stehen".

Blumes Satz hat jedenfalls sichergestellt, dass bei Laschets Auftritt am Samstag Kameraleute, Fotografen und Reporter das Klatschverhalten und Mienenspiel jedes einzelnen Delegierten sorgfältig beobachten und interpretieren werden. Wenn Söder selbst mal eine Augenbraue in Bewegung geraten sollte, wird auch das registriert werden.

"Wir wollen keinen Linksrutsch", ruft Söder

Aber erst mal ist Söder selbst dran. In seiner Rede spiegeln sich am Freitag die vagen Hoffnungen, die der CSU in diesem verkorksten Wahlkampf noch bleiben. Vor allem soll die Angst vor Rot-Rot-Grün die Stammwähler mobilisieren. "Wir wollen keinen Linksrutsch in Deutschland", ruft Söder in die Halle. Das kommt dort gut an, genau wie seine Absage ans Gendern: aus "Tante und Onkel" werde mit der CSU niemals "Tonkel" werden. Als neuen Hauptgegner hat er den Kanzleramtsfavoriten Scholz identifiziert, dem er in der Cum-Ex-Affäre einen Untersuchungsausschuss an den Hals wünscht. "Lasst uns kämpfen", sagt Söder am Ende, "lasst uns zeigen, dass wir es noch können."

Es ist dieser kraftstrotzende Söder, der in der CSU unangefochten ist, obwohl er seiner Partei viel zugemutet hat. Manchen Mitgliedern passt seine strenge Corona-Politik nicht, und viele halten seinen Grün-Kurs für zu drastisch - für einen Affront gegen die frühere Kernklientel, die Landwirte. Söder geht auch auf diese Sorgen ein: "Die einzige echte Bauernpartei in Deutschland ist und bleibt die CSU."

Am späten Freitagnachmittag schreiten die Delegierten, die Söders Rede mit minutenlangem Beifall belohnt haben, zur Abstimmung. Söder wird mit 600 von 685 gültigen Stimmen als Parteichef bestätigt. 87,6 Prozent sind das, etwas weniger als bei seiner letzten Wahl im Oktober 2019, da waren es 91,3 Prozent. Söder atmet durch, man darf annehmen, dass er auf etwas mehr gehofft hatte. Dann sagt er: So ein Ergebnis für die CSU bei der Bundestagswahl, das würde er mit Handkuss nehmen.

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