Süddeutsche Zeitung

Vor dem Parteitag:Windstärke zwölf in der CSU

  • Vier Wochen vor der Landtagswahl trifft sich die CSU an diesem Samstag im Münchner Postpalast zum Parteitag.
  • Generalsekretär Markus Blume spricht von einem "Mobilisierungs- und Kampfparteitag".
  • Dabei soll auch das Wahlprogramm der Partei erstmals vorgestellt werden.

Von Roman Deininger und Wolfgang Wittl

Gerade hat Markus Söder das Nürnberger Altstadtfest eröffnet, er trug ein Polohemd dabei, eine Garderobenwahl, die seine Vorgänger im Amt des bayerischen Ministerpräsidenten eher selten getroffen haben. Nun lässt sich Söder im Marmorsaal des Nürnberger Presseclubs auf einen Konferenzstuhl fallen wie auf ein Sofa. Übers Polohemd hat er notdürftig ein Sakko gezogen. "Wenn das Leben schwieriger wird", sagt Söder, "zieht's mich heim. Da geht's mir besser."

Es fügt sich also hervorragend, dass Söder am Mittwochabend einen Termin in Nürnberg hat. Ein paar Stunden zuvor ist das Leben für den Wahlkämpfer Söder ein ganzes Stück schwieriger geworden. Auch der neue "Bayerntrend", die wichtigste politische Umfrage im Freistaat, hat den gefühlt freien Fall der CSU in der Wählergunst bestätigt. Bei unerhörten 35 Prozent steht sie jetzt - wobei das mit dem Stehen nicht so sicher ist. Und das vor dem CSU-Parteitag am Samstag in München, der jetzt im Grunde ein Krisenparteitag ist.

Parallel zu Söders Nürnberg-Termin diskutieren im Bayerischen Fernsehen die Spitzenkandidaten der anderen Parteien; die CSU hat in Vertretung Söders Fraktionschef Thomas Kreuzer geschickt. Unangenehmen Fragen entkommt Söder freilich auch daheim nicht. 35 Prozent, was heißt das für ihn? "Ich würde nicht jeder Umfrage glauben", sagt er, um Lässigkeit bemüht. Man habe 2017 bei vielen Wahlen ein "Demoskopie-Desaster" erlebt. Und fast fünfzig Prozent der Wähler seien ja noch nicht festgelegt, vor allem bei FDP und Freien Wählern gebe es "Volatilität".

Im Übrigen, findet Söder, könne so eine Schockumfrage ja auch ein "Weckruf" sein: "Wer will schon einen Landtag haben, in dem AfD und Linke sind?" Die Zersplitterung der politischen Landschaft gefährde die "Stabilität" des Freistaats. Die CSU, das schält sich in diesen Tagen als Söders Hauptargument im Ringen um Wähler heraus, könne als einzige Kraft Ordnung stiften. Die Unordnung komme eh von außen, in Form des populistischen "Winds", der durch Deutschland und Europa wehe - und "der auch nach Bayern hinein weht".

Die Windmacher von der AfD attackiert Söder auch in Nürnberg mit der Härte und Direktheit, die seine neue Konfrontationsstrategie vorsieht. In Bayern sei die AfD "besonders rechts, eine der rechtesten in Deutschland". Von "Höckes Vasallen" spricht Söder, die "Maske der Bürgerlichkeit" sei spätestens nach Chemnitz gefallen. Es ist der Versuch, die AfD als radikal zu brandmarken. Und am Donnerstag geht Söder noch einen Schritt weiter.

Der Ministerpräsident zieht seine Zusage zu einer Podiumsdiskussion zurück, bei der er am Montag im Landtag mit Spitzenvertretern von SPD, Freien Wählern, Grünen, FDP und AfD hätte zusammenkommen sollen. Es wäre die einzige Auseinandersetzung dieser Art im Wahlkampf gewesen. Wenig später wurde der Termin dann sogar ganz abgesagt - Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) untersagte FDP und AfD die Teilnahme, weil sie noch nicht dem Parlament angehörten. Söders Rückzieher war jedoch schon zuvor erfolgt. Der Grund: Die AfD sei in Chemnitz mit NPD und Pegida marschiert. Mit so jemandem, das ist Söders Botschaft, setzt er sich nicht an einen Tisch.

SPD, Grüne, FDP und auch die AfD warfen Söder daraufhin Feigheit vor. FDP-Spitzenkandidat Martin Hagen diagnostizierte "Arroganz der Macht" - Söder habe ja auch schon in der "Wahlarena" des BR gefehlt: "Markus Söder hat erneut nicht genügend Mumm in den Knochen, sich einer Diskussion zu stellen." Die Nachrichtenagentur dpa teilte als Veranstalter des Landtagspodiums mit, sowohl der Landtag als auch Söder hätten im Frühjahr ihre Zustimmung gegeben, obwohl FDP und AfD ausdrücklich als Teilnehmer genannt worden seien.

Völlig unplanbar ist, wie die Basis in diesen tristen Umfrage-Tagen reagiert

Söder verteidigte seine Absage am Donnerstag als konsequent, er bringe lediglich Worte und Handeln in Einklang. Der AfD warf er vor, einen rechtsextremen Weg zu gehen: "Die Grundannahme, wie diese AfD Bayern sich verändert hat, das ist der Grund, warum ich sage, da ist keine Diskussionsgrundlage."

Die CSU ist ohnehin gut mit sich selbst beschäftigt, der zeitliche Ablauf für den offiziellen Wahlkampfstart am Samstag ist festgezurrt: Um 10 Uhr wird Generalsekretär Markus Blume den Parteitag im Münchner Postpalast eröffnen, danach spricht Parteichef Horst Seehofer. Geplant ist jeweils eine Runde mit CSU-Frauen und mit den Ehrenvorsitzenden Edmund Stoiber und Theo Waigel. Dann ist Söder an der Reihe. Soweit der organisatorische Teil.

Völlig unplanbar ist dagegen, wie die Basis in diesen tristen Umfrage-Tagen reagiert. Wie kommen die Reden von Seehofer und Söder an? Gelingt es ihnen zu vermitteln, dass alle persönlichen Rivalitäten zurückstehen? Mit welcher Stimmung schicken sie die 1000 Delegierten nach Hause: Frustriert? Verunsichert? Oder motiviert? Ein "Mobilisierungs- und Kampfparteitag" solle es werden, sagt Generalsekretär Blume. Nicht die CSU, ganz Bayern stehe vor einer Schicksalswahl. Es gehe doch darum, sagt Blume: "Sind wir weiter ein Bollwerk der Stabilität oder weht der Wind aus anderen Ländern Europas auch nach Bayern hinein?" Das Bild vom Wind hat es offenbar Blume wie Söder angetan.

Auch das Wahlprogramm soll am Samstag erstmals vorgestellt werden. Es soll den Überbau für die entscheidende Wahlkampfphase liefern. Söder will die Erfolgsgeschichte Bayerns aufzeigen - und natürlich, welchen Anteil die CSU daran hat. Bis zum Samstag werde daran noch gearbeitet, heißt es aus der Partei.

Ganz genau weiß man ja nie, wie Seehofer und Söder sich verhalten, wenn sie aufeinandertreffen. Am Montag nach dem Parteivorstand hatten sie sich weitgehend im Griff. Andere Parteien müssten erst in ihrer Berliner Zentrale fragen, was sie zu tun und lassen hätten, sagte Söder. Bei der CSU sei es umgekehrt: "Bei uns wird die Erst-Ansage in Bayern gemacht nach Berlin." Seehofer, der Parteichef mit Arbeitsschwerpunkt Berlin, verzog keine Miene.

Kein Zweifel: Das Leben ist gerade sehr schwierig für Markus Söder. Es ist inzwischen nicht mehr undenkbar, dass er nach der Landtagswahl wieder viel mehr Zeit daheim in Nürnberg verbringen kann.

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Quelle:
SZ vom 14.09.2018/huy/sim
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