CSU:Söder, Guttenberg und der Intrigantenstadl

Philipp von Brandenstein war in der CSU-Zentrale der Vertraute von Guttenberg. Jetzt erzählt er die Geschichte einer politischen Intrige.

P. Fahrenholz

Dies ist die Geschichte einer politischen Intrige, die, wenn sie nur halbwegs so abgelaufen ist, wie das Opfer sie schildert, einen interessanten Blick in das Innenleben der CSU erlaubt. Darüber, wie ein Kurs festgelegt wird, darüber, wie Rivalitäten ausgelebt und darüber, wie Parteifreunde geopfert werden.

CSU: Karl-Theodor zu Guttenberg und Markus Söder - subtiles Fernduell.

Karl-Theodor zu Guttenberg und Markus Söder - subtiles Fernduell.

(Foto: Foto: dpa)

Es ist auch eine Geschichte über das subtile Fernduell zweier Männer, die verschiedener kaum sein könnten und die sich in herzlicher Abneigung verbunden sind: hier Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der leichtfüßige Baron, dem bisher alles zugeflogen ist.

Und dort Bayerns Umweltminister Markus Söder, der jede Stufe seiner politischen Karriere sorgfältig geplant und dabei ein politisches Netzwerk geknüpft hat, das so engmaschig ist wie bei keinem anderen CSU-Politiker.

Das Opfer ist Philipp von Brandenstein. Er war nach der Niederlage bei der Landtagswahl zum strategischen Kopf in der CSU-Zentrale unter dem neuen Generalsekretär zu Guttenberg berufen worden. "Wir wollten der CSU wieder Sprachfähigkeit geben", sagt Brandenstein.

Doch daraus wurde nichts. Nach wenigen Wochen im Amt veröffentlichte die Münchner Abendzeitung ein uraltes Foto, das den jugendlichen Brandenstein zeigt, wie er die Hand zum Hitlergruß hebt. "Ich war völlig schockiert", sagt Brandenstein, er habe "keine Ahnung", wann und bei welcher Gelegenheit das Foto entstanden sei, "ich glaube, ich war 14".

Alle waren "schauderhaft betrunken"

Zunächst war er sich noch nicht mal sicher, ob das Bild überhaupt ihn zeigt, aber ein Freund konnte sich an das Hemd erinnern, das er damals oft trug, weil er es so hässlich fand. Vermutlich war es irgendeine Schülerparty in Nürnberg, alle Personen auf dem Foto seien "offenbar schauderhaft betrunken" gewesen.

Dass Brandenstein sich umgehend entschuldigte und seine Scham über diese Jugendsünde bekannte, nützte ihm nichts - er musste gehen. Guttenberg erklärte, er dulde solches Verhalten nicht.

Doch von irgendwelchen bräunlichen Schattierungen, wie sie beispielsweise in der Regensburger CSU für monatelange Unruhen gesorgt haben, ist der hochgewachsene, erst 33-jährige Freiherr Brandenstein weit entfernt. Im Spektrum der CSU gehört er eher an den äußersten Rand des liberalen Flügels. "Ich bin ein klassischer Liberaler", bekennt er.

Daran ändert auch die Mitgliedschaft im Corps Budissa nichts, einer schlagenden Studentenverbindung, die nicht zum rechtskonservativen Dunstkreis gehört, in dem sich sonst viele Burschenschaften aufhalten. Die Söhne von Ex-SED-Chef Egon Krenz oder der früheren DGB-Vize-Vorsitzenden Ursula Engelen-Kefer sind auch Mitglied dort.

Die Glaubwürdigkeit bewusst ruiniert

Nach Brandensteins Darstellung sollte mit dem gezielt lancierten Jugendfoto seine politische Glaubwürdigkeit bewusst ruiniert werden. Denn in der CSU tobte in den ersten Wochen unter dem neuen Generalsekretär zu Guttenberg ein heftiger Machtkampf um die politische Ausrichtung für die Europawahl. "Da prallten in der Partei zwei Schulen aufeinander", erinnert sich Guttenberg.

Brandenstein wollte die Partei auf einen liberaleren Kurs bringen und den europakritischen Grundton aus der Kampagne tilgen. Dagegen stand der alte Apparat der CSU-Zentrale um Geschäftsführer Markus Zorzi. Der drängte auf eine Eskalationsstrategie, auf einen Anti-Europa-Wahlkampf, getrieben von der Angst, die CSU werde sonst an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.

Auch die von der Partei geforderte Volksabstimmung zum EU-Beitritt der Türkei gehörte dazu, es wurde sogar erwogen, der Lissabon-Klage von Peter Gauweiler beizutreten, angeblich stand kurzzeitig selbst im Raum, Gauweiler zum Spitzenkandidaten für die Europawahl zu machen.

Vergeblich drängte Brandenstein bei Guttenberg auf eine Entmachtung Zorzis und seiner Seilschaft. "Baron, sonst schaffen wir es nicht", habe er ihm gesagt. Doch Guttenberg wollte mitten in den Planungen für die Europawahl keine größeren Umbesetzungen vornehmen. Aber auch er bekam mit, wie schnell interne Details nach außen drangen, dass "Papiere, die mir vorlagen, sofort weitergetragen wurden".

Lesen Sie auf der zweiten Seite, wen von Brandenstein als Strippenzieher hinter den Kulissen sieht.

Söder und die Blutgrätsche

Eine Denkschrift, die Brandenstein kurz vor seiner Entlassung an Guttenberg schrieb und in der er nochmals vor einer rechtspopulistischen CSU-Kampagne warnte, landete, so schildert es Brandenstein, 24 Stunden später bei der Münchner Abendzeitung, obwohl nur eine Handvoll Leute davon wusste.

CSU: Markus Söder: "Mein Einfluss in der Landesleitung hat sich komplett auf null reduziert."

Markus Söder: "Mein Einfluss in der Landesleitung hat sich komplett auf null reduziert."

(Foto: Foto: seyboldtpress)

Doch das Papier blieb zunächst unveröffentlicht. Wenige Tage später erledigte dann das Foto den Autor und damit auch sein Papier.

Ein Foto aus dem Nürnberger Umfeld

Ein Foto, das aus dem persönlichen Umfeld stammen muss. Brandenstein ist in Nürnberg aufgewachsen, war bei der Jungen Union und verkehrte in einer Clique aus anderen Jung-Unionisten, mit denen er schon lange nichts mehr zu tun hat.

"Viele dieser Personen aus Nürnberg, mit denen ich als Kind und Jugendlicher teils sehr engen privaten und freundschaftlichen Kontakt hatte, oszillieren heute jedoch im Orbit des Markus Söder", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme Brandensteins.

Der Guttenberg-Vertraute macht keinen Hehl daraus, dass er Söder für den Drahtzieher aller möglichen Durchstechereien während seiner kurzen Zeit in der Landesleitung hält. Nach seiner Darstellung hat es dort kein einziges vertrauliches Gespräch gegeben, von dem Söder nicht über sein gut funktionierendes Netzwerk sofort erfahren habe.

"Die Landesleitung", sagt Brandenstein, "steht immer noch vollständig unter der Kontrolle von Markus Söder." Der sei dort "immer noch Herr im Haus".

Söder sitzt fest im Sattel

Söder selbst weist diese Darstellung als "völlig absurde Geschichte" zurück. "Mein Einfluss in der Landesleitung hat sich komplett auf null reduziert." Aus allen Parteidingen halte er sich konsequent heraus. "Ich habe damit nichts mehr zu tun." Er habe sein "Wunschressort" und versuche dort selber, eine Neuausrichtung der CSU zu erreichen.

Tatsächlich hat sich Söders politische Entwicklung rasant beschleunigt. Vor einem halben Jahr konnte er nicht sicher sein, welche Rolle er in der Welt von CSU-Chef Horst Seehofer spielen würde. Heute sitzt er fest im Sattel und wird selbst von denen respektiert, die ihn eigentlich nicht mögen. "Der traut sich auch einmal eine Blutgrätsche", sagt einer der zahlreichen Söder-Gegner nicht ohne Anerkennung.

Lesen Sie auf der letzten Seite, was Söder und Guttenberg übereinander sagen und was der Baron heute von seinem einstigen Mitarbeiter hält.

"Die CSU ist moralisch unterhöhlt"

CSU: Karl-Theodor zu Guttenberg: "Das war eine ganz, ganz tolle Arbeit, die er da abgeliefert hat."

Karl-Theodor zu Guttenberg: "Das war eine ganz, ganz tolle Arbeit, die er da abgeliefert hat."

(Foto: Foto: AP)

Doch noch viel mehr hat sich die Karriere Guttenbergs beschleunigt, nicht nur politisch, sondern auch, was sein Gewicht in der eigenen Partei anbelangt. Söder wird respektiert, Guttenberg wird oft angehimmelt. Auf einer CSU-Veranstaltung in Straubing am vergangenen Samstag, nach der Opel-Entscheidung, wurde er von Autogrammjägern belagert.

Weder Söder noch Guttenberg reden gern über ihr Verhältnis. Anders als in den ersten Monaten sieht Söder in Guttenberg jetzt aber schon einen ernsthaften Konkurrenten und nicht mehr den Azubi ohne Hausmacht. In Berlin, das weiß er, kommt er an dem Baron nicht mehr vorbei. Für die Zukunft setzt er auf ein Arrangement mit Guttenberg.

Vom Azubi ohne Hausmacht zum ernsthaften Konkurrenten

Auch der äußert sich nur schmallippig über Söder. Es gebe eigentlich keinen Grund, "warum man sich nicht verstehen sollte". Nach Verbundenheit klingt das nicht. In der an persönlichen Animositäten reichen Geschichte der CSU scheint das neueste Kapitel aufgeschlagen.

Von seinem Ex-Mitarbeiter Brandenstein schwärmt Guttenberg heute noch in den höchsten Tönen. "Das war eine ganz, ganz tolle Arbeit, die er da abgeliefert hat", sagt Guttenberg. Es sei "schlimm, dass diese Geschichte einen Menschen vernichtet hat".

Aber warum hat er ihm dann nicht geholfen, warum musste jemand gehen wegen einer Jugendsünde im Suff, die keinerlei politische Bedeutung hatte?

Man habe lange über die Sache gesprochen und sei sich einig gewesen, dass sie nicht durchzustehen sei, sagt Guttenberg. Aus Brandensteins Mund klingt das ein wenig anders, nicht ganz so heldenhaft für Guttenberg.

Eine Frage der Ehre

"Ich war zu allem entschlossen, ich wollte dagegen vorgehen", sagt Brandenstein. Aber dann hat er sich den Bedenken gebeugt. "Ich wollte meinem Chef nicht schaden."

Er werde ja wohl hoffentlich den Mund halten, ist ihm von verschiedenen Seiten aus der CSU signalisiert worden. Jetzt will er den Mund aber nicht mehr halten, es ist, ganz altmodisch, wohl auch eine Frage der Ehre.

"Vielleicht muss mal jemand Haltung zeigen", sagt er, sich hinstellen und offen benennen, "dass die CSU moralisch unterhöhlt ist".

Aus der Partei ist er ausgetreten, er schreibt jetzt seine Doktorarbeit fertig. Seine Frau, eine gebürtige Halbchinesin, hat auch die US-Staatsbürgerschaft. "Wir müssen nicht hier leben", sagt Brandenstein.

Die Intriganten, so scheint es, haben ganze Arbeit geleistet.

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