Süddeutsche Zeitung

CSU:Seehofers Tage sind gezählt, Söders nicht

Der Berliner Koalitions-Krawallo wird das Amt des Parteichefs wohl abgeben müssen. Der Landes-Krawallo Söder hingegen kommt vergleichsweise gut durch die Krise - obwohl er ähnlich viel Schuld trägt am Niedergang der CSU.

Kommentar von Kurt Kister

Nun hat es auch Horst Seehofer selbst gesagt, wenn auch in der ihm eigenen, zwischen Ironie und Bitternis schwankenden Art: Kann sein, dass ich gehe. Er hat noch irgendwas vom "Watschnbaum" erzählt, der er nicht noch mal sein wolle.

Das ist seltsam, denn selbst als Ingolstädter Bayer müsste Seehofer wissen, dass der Watschnbaum zwar umfallen kann - dann bekommt man Watschn, respektive erhält Backpfeifen -, aber selbst kann man eigentlich kein Watschnbaum sein. Aber vielleicht fühlt er sich ja wie ein Baum, der viele Watschn gekriegt hat.

Ja, es wird wohl so sein, dass er geht oder gehen muss. Immer mehr CSUler fordern einen Sonderparteitag, immer mehr sagen, dass "Konsequenzen" nötig seien. "Konsequenzen" bedeutet im Zusammenhang mit der CSU: Der Chef muss weg. Das war so bei Edmund Stoiber und Erwin Huber, das wird so sein bei Horst Seehofer. Die Partei ist loyal bis zur Unterwürfigkeit, solange ein Parteichef erfolgreich ist. Wenn er aber, wie es damals bei Stoiber aus dem Munde sogenannter Parteifreunde hieß, "zu riechen beginnt", dann sind seine Tage gezählt.

Seehofer, der Berliner Koalitions-Krawallo, trägt seinen Anteil an der Schuld für den Absturz der CSU. Die Alleinschuld trägt er selbstverständlich nicht. Es gibt gesellschaftliche Entwicklungen, die allen sogenannten Volksparteien zu schaffen machen; hinzukommt, dass sich gerade in Bayern durch verstärkten Zuzug die Demografie sehr verändert hat, was sich aber bei CSU und SPD kaum widerspiegelt. Trotzdem bleibt auch wahr: Der Parteichef personifiziert die Partei und damit personifiziert er auch die Niederlage.

Markus Söder, der Landes-Krawallo, personifiziert die Niederlage eigentlich auch. Aber er hat sich mit Unschuldsmiene (von "Demut" hat er schwadroniert) in die Unantastbarkeit des nach Stabilität suchenden Ministerpräsidenten geflüchtet. Er beantragt geradezu Asyl in seinem eigenen Amt: Ihr könnt mir nichts tun, ich stehe unter dem Schutz meiner Staatskanzlei.

Er will den Eindruck vermitteln, dass er irgendwie doch gewonnen hat, weil er ja den Regierungsauftrag erhalten habe. Söder ist jene Art von Kampfkamerad, den man in prekären Zeiten nicht an seiner Seite haben wollte. Er würde schnell Deckung nehmen - und zwar immer hinter seinem Mitstreiter. So lässt sich vielleicht nicht unbedingt gewinnen, aber doch überleben.

Es hat sich bewahrheitet, dass die CSU vor allem in der Mitte verloren hat. Ihre über Monate hinweg verfolgte Strategie, Flüchtlinge, Asylfragen, Kriminalität und dergleichen in den Mittelpunkt zu rücken, war falsch. Ebenso falsch war es, Leute mit anderen Meinungen als eher randständig, als Träumer oder, im Zusammenhang mit dem wirklich unseligen Kreuzerlass, als Religionsfeinde zu bezeichnen. Allerdings hat Seehofer recht, wenn er anmerkt, hinter dieser Strategie habe die Partei in ihrer großen Mehrheit gestanden.

Nachdem sich die Partei selbst aber nicht auswechseln kann, wird es beim Sonderparteitag eben um Symbole gehen, um Horst Seehofer und Alexander Dobrindt, den dritten Krawallo. Und Gegenbeispiele werden wahrscheinlich gute Konjunktur haben. Das können nachdenkliche Menschen sein wie die Partei-Veteranin Barbara Stamm oder auch der liberale Europa-Politiker Manfred Weber. Auch Entwicklungsminister Gerd Müller zählt zu den Nicht-Krawallos. Markus Söder jedenfalls wird auf diesem Sonderparteitag eher gut wegkommen. Gibt ja genug Deckung.

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