CSU:Seehofer ist ein Zocker, kein Hasardeur

Horst Seehofer, 2016

Mit 67 Jahren nähert sich Seehofer dem Ende seiner Laufbahn.

(Foto: lukasbarth.com)

Die Wortwahl des CSU-Chefs ist oft derb, manchmal erinnert sie an die AfD. Wer verstehen will, was Seehofer antreibt, muss seine größte Angst kennen.

Kommentar von Wolfgang Wittl

Da ist es wieder, dieses Bild vom hinterwäldlerischen Polterer. Horst Seehofer hat in seinem politischen Leben reichlich dazu beigetragen, dass dieses Bild gezeichnet werden kann. Die CDU hat die Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern krachend verloren, ist erstmals hinter die AfD zurückgefallen, da darf der große Keulenhieb vom anderen Ende der Republik natürlich nicht fehlen: ein CSU-Chef, der nur darauf wartet, der Kanzlerin wieder eine mitzugeben. Doch so einfach ist es nicht.

Horst Seehofer hat in den vergangenen Monaten einiges falsch gemacht: Er hat mitunter Worte gewählt, wie sie von AfD-Leuten bekannt sind. Er hat die Debatten über Angela Merkels Flüchtlingspolitik mehr befeuert als nötig. Und wenn er nun sagt, "diese Berliner Politik" sei schuld an der Verdrossenheit der Menschen über die Union, dann sollte er sich fragen, ob nicht auch die CSU dieser Bundesregierung angehört. Seehofer war jedoch eines nicht: der Verantwortliche für diese Politik, mit der die Union an Zustimmung verliert. Das ist und bleibt Merkel, das hat die Kanzlerin nach der Schlappe an der Ostsee selbst klargestellt.

Wer verstehen will, was die CSU und ihren Chef umtreibt, wer ihre Brutalität bestaunt und ihre hemmungslose Kritik geißelt, muss sich mit ihrer Angst vor dem Existenzverlust auseinandersetzen. Die CSU ist eine Regionalpartei mit dem Anspruch, die Politik in Deutschland, ja sogar in Europa mitzugestalten. Die CSU suggeriert dem Wähler in Bayern, sie sei die einzige Partei, die diesem Anspruch gerecht zu werden vermag. Wenn sie dieses Versprechen nicht mehr einhalten kann, wird sie überflüssig. Dann kann sie einpacken.

Diese Angst macht aber auch wachsam, deshalb beansprucht die CSU, "näher bei den Menschen" zu sein als andere Parteien. Wie die Nadel eines Seismografen reagiert sie auf Stimmungen, weil es für sie auf jede Stimme ankommt. Das garantiert nicht zwangsläufig eine bessere Politik, aber eine, von der die Bevölkerung das Gefühl hat, "die da oben" wüssten noch, was "uns hier unten" wirklich bewegt. Dieses Gefühl haben immer mehr Menschen bei Angela Merkel verloren. Seehofer, der Meister im Aufspüren von Stimmungen, hat das längst bemerkt. Und er ist fest entschlossen, das zu ändern, auch gegen Merkels Willen.

Die Landtagswahl in Bayern ist die Mutter aller Schlachten

Es ist noch nicht lange her, da hat die CSU die Kanzlerin im Wahlkampf auf die Bühne geschoben und sich hinter ihrer Popularität versteckt. Heute will sie ihr nicht einmal mehr die Bühne der Kanzlerkandidatur überlassen, auf keinen Fall zumindest bereits jetzt. Das liegt daran, dass Merkels Popularität so geschwunden ist wie der Rückhalt für ihre Politik - für diese Einschätzung braucht Seehofer keine besondere Sensibilität, das belegen die Wahlergebnisse.

Die Kanzlerin hat bislang nicht erkennen lassen, dass sie die Verluste in den Ländern sonderlich beeindruckt hätten. Für sie zählt die Bundestagswahl, auch das trennt sie von Seehofers CSU. Für die gibt es nur eine wichtige Wahl, die Landtagswahl in Bayern. Sie ist wichtiger als eine Regierungsbeteiligung im Bund, aus ihr bezieht die CSU seit Jahrzehnten ihre Daseinsberechtigung. 2013 nannte Seehofer sie die Mutter aller Schlachten, und das war eher untertrieben als übertrieben. Jetzt spürt er, dass Merkels Politik die Vorherrschaft der CSU in Bayern bedroht. Hier endet die Liebe unter Schwesterparteien.

Wie weit ist Seehofer mit seinem Widerstand gegen Merkel also bereit zu gehen? Diese Frage entscheidet über das Wohl der gesamten Union. 27 Prozent der Wähler in Mecklenburg-Vorpommern hätten sich vorstellen können, CSU zu wählen - ein Drittel mehr, als die CDU Stimmen bekam.

Seehofer wird sich davon nicht locken lassen. Er ist ein Zocker, kein Hasardeur. Eine Ausweitung der CSU im Bund wird es mit ihm nicht geben, so wenig wie eine eigene Kanzlerkandidatur, die vereinzelt bereits gefordert wird. Mit 67 Jahren nähert sich Seehofer dem Ende seiner Laufbahn, er kann seine Macht einschätzen.

Wie der CSU-Chef seine Rolle sieht, hat er bereits kundgetan. Es hört nur kaum einer, weil er durch seine hochemotionale Kritik an der Kanzlerin alles übertönt. Seehofer versteht sich als Merkels Korrektiv. In der Flüchtlingspolitik wird er mit Merkel nicht mehr zusammenfinden, daher fordert Seehofer jetzt mehr Konzentration auf die Innenpolitik. Es ist dies die Brücke, die CDU und CSU wieder verbinden soll. Seehofer muss dabei hoffen, dass seine von ihm aufgescheuchten Fußtruppen so flexibel sein werden wie er. Für die CSU entscheidet sich darin ihre Zukunft, für Seehofer nicht weniger als sein politisches Erbe.

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