CSU: Seehofer in der Kritik:"Ich schaffe keine Märtyrer"

Lesezeit: 2 min

Muss Ministerpräsident Seehofer sein Kabinett umbilden? Erst kritisiert Staatssekretär Weiß dessen Führungsstil, jetzt droht er mit Rücktritt - möglicherweise aus Karrieregründen.

K. Auer, O. Przybilla und K. Stroh

Von Katja Auer, Olaf Przybilla und Kassian Stroh

Ministerpräsiden Horst Seehofer: Muss er sein Kabinett umbilden? (Foto: Foto: ddp)

Ministerpräsident Horst Seehofer muss sein Kabinett womöglich umbilden. Innenstaatssekretär Bernd Weiß (CSU) denkt ernsthaft über seinen Rücktritt nach. Grund ist ein Streit der beiden über die Finanzierung des neuen Digitalfunks. Bis Mittwoch wolle er sich entscheiden, kündigte Weiß am Dienstag an. Seehofer wollte ihn nicht selbst entlassen. "Ich schaffe keine Märtyrer", sagte er. Er betonte, dass er Weiß im Kabinett halten wolle.

Zuvor hatten sich beide heftig über die Umstellung des Behördenfunks von Polizei und Feuerwehr von analoger auf digitale Technik gestritten. Weiß hatte mit den Kommunen einen Kompromiss über die Kosten ausgehandelt. Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) lehnte diesen mit Seehofers Unterstützung ab.

Weiß schrieb daraufhin einen vierseitigen Brief an den Regierungschef, in dem er ihn scharf kritisierte und solche Vorgänge für den Glaubwürdigkeitsverlust der CSU verantwortlich machte.

Am Dienstagmorgen trafen sich Seehofer und Weiß zu einem Gespräch. Dabei habe er sich für den Ton des Briefes entschuldigt, sagte Weiß, inhaltlich seien beide bei ihrer Meinung geblieben. "Das Gespräch war wirklich ein gutes", sagte Weiß. Dennoch überlege er nun, "wie das inhaltlich zusammengeht" und ob er glaubwürdig im Amt bleiben könne.

Während sich manche in der CSU fragen, was Weiß antreibt, betonte der Innenstaatssekretär, ihm gehe es nur um die Sache. "Ich tauge auch nicht zum Parteirebellen", sagte er.

Andere erzählen, dass Weiß schon seit längerem unzufrieden sei und schon einmal über einen Rücktritt nachgedacht habe. Vor der Sommerpause hatte Seehofer Weiß mit Rauswurf gedroht, als dieser die Kabinettssitzung wegen eines Termins frühzeitig verlassen musste. Eine Aussprache darüber fand nicht statt - obwohl Weiß mehrmals darum gebeten hatte.

Manche in der CSU glauben auch, Weiß, der mit einem der besten Staatsexamina in Bayern als exzellenter Jurist gilt, strebe in seine Schweinfurter Kanzlei als Notar zurück. Dieser Tätigkeit darf Weiß nicht mehr nachgehen, seit er Staatssekretär ist - als einfacher Abgeordneter dürfte er die Kanzlei weiterhin führen. Momentan könnte er dorthin noch zurückkehren.

Als "an der Sachpolitik orientiert" beschreibt den Staatssekretär hingegen der Landrat von Weiß' Heimatkreis Rhön-Grabfeld, Thomas Habermann (CSU). Er hat sich mit Weiß lange über dessen Motive unterhalten. Von Amtsmüdigkeit sei dabei "absolut nichts" zu spüren gewesen, sagt Habermann. Ganz im Gegenteil: Gerade weil ihm der Digitalfunk als zuständigem Kommunalstaatssekretär sehr am Herzen liege, habe er angekündigt, keinen Konflikt zu scheuen.

Der ehemalige Staatskanzleichef und unterfränkische CSU-Bezirksvize Eberhard Sinner forderte Weiß auf, sich "etwas zurückzunehmen". Die Ankündigung, bis Mittwoch über einen Rücktritt nachzudenken, hält Sinner für unglücklich: "Entweder ich trete zurück - oder ich lasse es bleiben." Weiß habe sich kurz ins Abseits begeben. Er habe aber auch die Möglichkeit, "wieder aufs Spielfeld zurückzukommen".

In der CSU-Landtagsfraktion wird allgemein erwartet, dass nach der Wahlniederlage nun öfter Kritik an Seehofer laut werden wird. Am Mittwoch soll in der Fraktionssitzung über die Gründe des schlechten Bundestagswahlergebnisses diskutiert werden. Zuvor wollen auch die unterfränkischen CSU-Abgeordneten über den Fall Weiß beratschlagen.

Sollte er zurücktreten, gäbe es aus Unterfranken nicht viele Kandidaten für seinen Posten. Genannt wird der Landtagsneuling Oliver Jörg aus Würzburg, der allerdings im Sozialausschuss sitzt. Lässt Seehofer den Regionalproporz unberücksichtigt, käme der innenpolitische Sprecher der CSU-Fraktion, Christian Meißner aus Lichtenfels, in Frage.

Der CSU-Bezirkschef von Unterfranken, Michael Glos, sagte: Als gelernter Notar habe Weiß offenkundig nicht vor, "sich knechten zu lassen oder sich vor den Kopf stoßen zu lassen". Ihm hänge offenbar die Rauswurfdrohung von Seehofer noch nach. Weiß gehe es gegen den Strich, "sich zurückpfeifen zu lassen wie ein Schulbub, der aus Versehen auf die Mädchentoilette gegangen ist".

Seehofer müsse nun aufpassen, dass die "Zahl derer nicht zunimmt, die an seinen außerirdischen Fähigkeiten zweifeln". Glos war aus Groll gegenüber Seehofer im Februar selbst als Bundeswirtschaftsminister zurückgetreten. Eigentlich wollte ihn Weiß im Juni als Bezirkschef beerben - er scheiterte damals aber am Widerstand diverser Parteigranden.

© SZ vom 07.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: