CSU: Seehofer gegen Huber:Die Abrechnung

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"Ich bin ein hochtoleranter Mensch, aber es gibt Grenzen, lieber Erwin". Zwei wie Feuer und Wasser: Die Feindschaft zwischen Horst Seehofer und Erwin Huber ist groß. Wie groß, zeigt eine Begegnung in Passau - die am Ende eskaliert.

Annette Ramelsberger

Schon Franz Josef Strauß hatte der Stadt an der Donau eine wichtige Aufgabe bei der Landesverteidigung zugeteilt: Sollten die Österreicher es wagen, Bayern anzugreifen, so spottete Strauß einst, dann werde das die Passauer Stadtfeuerwehr erledigen. Nichts jedoch sagte Strauß dazu, wie die Feuerwehr mit Angriffen umgehen sollte, die nicht von jenseits der Grenze, sondern aus dem Hinterland kommen.

Horst Seehofer: "Man kann doch nicht sagen, der Seehofer hat kein Herz für die Niederbayern." (Foto: dapd)

Der Angriff kam um kurz nach zehn Uhr abends und er war in dieser Schärfe nicht vorherzusehen. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer stand hier am Donnerstag in Passau nur zwei Meter von seinem Vorgänger entfernt, die Stimme leise, betont ruhig. "Ich bin ein hochtoleranter Mensch, aber es gibt Grenzen, lieber Erwin", sagte Seehofer zu Erwin Huber.

Der frühere CSU-Chef hatte gerade den "Selbstbehauptungswillen der Niederbayern" beschworen - angesichts von Seehofers Zukunftsrat, der empfiehlt, hauptsächlich die Leistungszentren zu stärken und - im Umkehrschluss - abgelegene Gegenden nicht mehr mit Millionen zu fördern. Huber hatte Seehofer vorgerechnet, dass für die zweite S-Bahn-Stammstrecke in München zwei Milliarden da sind, aber für ein zweites Bahngleis zwischen Plattling und Landshut keine 70 Millionen. "Da muss Gerechtigkeit her", ruft Huber leidenschaftlich und der Saal applaudiert.

In der Höhle des Löwen

Da steht er, der Anführer der Niederbayern, der langjährige CSU-Bezirkschef, der Mann, der sich zugute hält, dass aus dem Armenhaus Bayerns der Bezirk mit der geringsten Arbeitslosigkeit geworden ist. Der Mann, der sich selbst hochgearbeitet hat, bis an die Parteispitze und dann zurücktreten musste. Der seinen Platz für Horst Seehofer freimachen musste. "Wir wollen nicht der Zulieferer von Pendlern an die Zentren sein und der Rest geschützte Natur. Wir wollen Eigenständigkeit", ruft er in den Saal. "Ich hätte Dir, lieber Ministerpräsident, ein Gutachten gewünscht, das Dir hilft und nicht Ärger bereitet", fügt er listig hinzu.

Das Gutachten des Zukunftsrates liegt auf allen Tischen hier in der Höhle des Löwen. Die Passauer Neue Presse hat zum Stammtisch geladen. Jeder Landrat, jeder Abgeordnete, jeder Bürgermeister, der auf sich hält, ist gekommen. An die Wand haben sie jene Karte projiziert, die die Leistungszentren in Bayern rot markiert, darum noch die Einzugsgebiete für Pendler und weit draußen jene grünen Zonen, die wie Fremdkörper wirken: Die Gegend um Hof, das ganze Land zwischen Bayerischem Wald und Burghausen, Passau mitten drin im grünen Nichts.

Die Niederbayern, die Oberfranken, die Oberpfälzer empfinden das Gutachten als Angriff auf ihre Identität, ihre Heimat, ihre Leistung. Und sie haben in Huber den Fürsprecher gefunden. Er befeuert seit Wochen den Diskurs und die Passauer Neue Presse (PNP), das Heimatblatt, kämpft an seiner Seite.

Seehofer steht auf. "Jetzt macht mal das Bild von dieser Karte weg", sagt er leicht genervt. "Können wir endlich die Interpretation dazu beenden?" "Nein", rufen sie ihm zu. Er weiß, es ist ernst hier. "Die Diskussion findet im Allgäu und in Mittelfranken nicht statt", sagt er, "die haben auch die PNP nicht." Es ist einer dieser Späße, die Seehofer nicht spaßig meint. Allgäu und Mittelfranken haben auch keinen Erwin Huber. Der weiß, dass das hier seine Heimaterde ist, sein Vaterland. Und Seehofer der Gast.

Da greift Seehofer an. "Ich komme mir schon blöd vor, wenn ich lese, jeder JU-Ortsverband hätte das schreiben können", verteidigt er den Zukunftsrat. Es sind Hubers Worte. Der zieht spöttisch die Brauen hoch. "Man kann doch nicht sagen, der Seehofer hat kein Herz für die Niederbayern. Aber die Drehorgel wird immer wieder gedreht", redet sich Seehofer in Rage. Dann prasseln die Hiebe auf Huber nieder: "Die zweite Stammstrecke in München, die du kritisierst, die hat mein Vorgängerkabinett beschlossen", sagt Seehofer. In dem saß Huber. "Das zweite Gleis nach Plattling, das hätte ich gerne bei Amtsantritt vorgefunden, aber ich durfte den Transrapid aufarbeiten." Für den Huber und sein Kompagnon Günther Beckstein gekämpft hatten. "Und ich hätte gern auch die Anbindung des Flughafens nach Osten schon vorgefunden."

Huber ruft dazwischen: "Die habe ich in Auftrag gegeben", aber er kommt nicht durch. Seehofer legt nach: "Auch die Breitbandverkabelung, die hier alle fordern, hat die Regierung bis zu meinem Amtsantritt als Privatsache der Unternehmen betrachtet." Und dann zählt er alle Niederbayern auf, die was tun könnten für ihre Heimat: der Landwirtschaftsminister, der Vorsitzende des Hochschulausschusses im Landtag, der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, und natürlich Huber: Der ist Chef des Wirtschaftsausschusses im Landtag: "Da dürfte es gar nicht schwer fallen, jetzt der Regierung zur Seite zu stehen." Es ist vergiftetes Lob.

Seehofer und Huber, das wird in diesem Leben nichts mehr. 2007 haben sie gegeneinander kandidiert um den CSU-Vorsitz, Huber hat gewonnen. Doch die Feindschaft reicht viel weiter zurück. Immer wenn Seehofer in der CSU nicht reüssierte, machte er den Strippenzieher Huber dafür verantwortlich. Von Huber ist das Wort überliefert, er werde noch auf dem Sterbebett die Hand heben, wenn er Seehofer an der Parteispitze verhindern könne. Der Wirtschaftskonservative Huber und der Sozialliberale Seehofer sind wie Feuer und Wasser.

Der Schein trügt: Horst Seehofer (links) und Erwin Huber sind wie Feuer und Wasser. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

2008 musste Huber zurücktreten, wegen der verlorenen Wahl, vor allem aber wegen des Debakels mit der Landesbank. Dann kam Seehofer, als CSU-Chef und Ministerpräsident. Weil Huber nicht von der Politik lassen kann, sitzt er weiter im Landtag. Nun eskaliert das Verhältnis: "Ich nehme das nicht mehr hin", sagt Seehofer. "Es geht nicht um den Zukunftsrat, er kritisiert aus anderen Gründen." Soll heißen: weil Huber den Abstieg nicht verwindet.

Doch das Gutachten des Zukunftsrats ist eine Steilvorlage, ein Angriff auf den Stolz der Provinz. "Wir sind in der Seele und im Mark getroffen", sagt der Landrat von Deggendorf, Christian Bernreiter, natürlich ein CSU-ler. "Wir haben den Schirrmacher mit seinem Methusalem-Komplex gelesen. Da steht drin: Der Kampf Stadt gegen Land kommt. Und wir denken: Ja Herrgott, ist es jetzt schon soweit bei uns." Mit dem Bevölkerungswissenschaftler Herwig Birg hat Bernreiter geredet, über den deutschen Osten. "Da wird nur noch Magdeburg gefördert. Die Fläche ist aufgegeben." Soweit wollen es die Niederbayern nicht kommen lassen. "Wir haben uns eingehakt."

Da stehen sie, als Phalanx gegen den Zukunftsrat. Jürgen Dupper, der SPD-Bürgermeister von Passau, begrüßt Seehofer süffisant im "Leisungszentrum Passau". Der Grüne Eike Hallitzky wirft sich in die Bresche, der Vizepräsident der Passauer Universität spricht für die Zusammenarbeit von Uni Passau und FH Deggendorf bei neuen Techniklehrstühlen. Das mit der Universität müsse doch hinzukriegen sein. Oder wenigstens die 1,5 Millionen für die Sanierung der Sprungschanze für die bundesweit besten Skiflieger in Breitenberg. Und der Passauer OB sagt, man habe keine Berührungsängste zu Oberösterreich. "Aber Ihr Bayern habt's uns vor 200 Jahren kassiert, jetzt müsst ihr uns aushalten."

Huber sitzt stoisch am Tisch. "Was wir erleben, ist ein Aufbäumen von Passau bis Hof", sagt er. "Jetzt geht die Diskussion in die richtige Richtung." Dafür könne er ein paar Seitenhiebe von Seehofer schon verschmerzen. Der verteidigt bis spät in die Nacht seinen Zukunftsrat.

Die Passauer Feuerwehr aber weiß nun: Die Wasserspritzen werden nicht gen Österreich gerichtet, sondern Richtung München. Von dort ist jetzt alles zu erwarten. Oder auch gar nichts.

© SZ vom 19.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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