Unionsstreit:Seehofer bringt die CSU-Elite in Schwierigkeiten

Christian Democratic Union (CDU) and Christian Social Union (CSU) meeting in Berlin

Horst Seehofer hat eine Entscheidung gefällt, die Alexander Dobrindt (im Bild) "so nicht akzeptieren kann".

(Foto: REUTERS)
  • Geht er oder geht er nicht? Platzt die Regierung oder nicht? Mit seiner Rücktrittsandrohung hat CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer den Asylstreit mit der CDU weiter verschärft.
  • In der CSU gibt es zwei Lager: den kompromissbereiten liberalen Flügel und die Hardliner, die keinesfalls nachgeben wollen.
  • Sollte Seehofer wirklich zurücktreten, müssen in der CSU zwei Posten neu besetzt werden - offen ist, wer das Format dazu hat.

Von Ingrid Fuchs

Horst Seehofer hat eine Entscheidung gefällt, die Alexander Dobrindt "so nicht akzeptieren kann". Uneinigkeit zwischen diesen beiden? Das ist ungewöhnlich in der CSU, aber der ganze Tag war schließlich mehr als ungewöhnlich. Wegen der Eskalation im Asylstreit mit der CDU und den nicht aufzulösenden Differenzen mit der Kanzlerin bot CSU-Chef und Bundesinnenminister Seehofer am Sonntag seinen Rücktritt von allen Ämtern an. Was dann folgte, ist inzwischen bei allen Wirren hinlänglich bekannt: Versammlung der engsten Parteispitze zu stundenlangen Gesprächen und der Vorerst-Rückzug vom Vielleicht-Rücktritt. Ein neues Spitzengespräch mit der CDU soll die endgültige Klärung bringen.

Aber ist Dobrindt wirklich so dringend daran gelegen, Seehofer als CSU-Chef zu halten? Der Landesgruppenchef gilt als Hardliner in der Partei - und als Stratege, der mit einem kleinen Kreis enger Vertrauter an seiner ganz eigenen Agenda feilt. Überhaupt ist nach diesem Krawallabend in der CSU unklar, wer welche Pläne verfolgt.

Seehoferianer gegen Söderisten, so verlief die Front noch vor ein paar Monaten. Entschieden wurde der Machtkampf dieser Gruppen Anfang Dezember, als die CSU-Landtagsfraktion Markus Söder den Weg zum Amt des Ministerpräsidenten ebnete. Darauf folgte die umfassend zelebrierte Harmonisierung der CSU, aus den Gegnern war zumindest nach außen ein meist funktionierendes Gespann geworden. Seehofer als Bundesinnenminister in Berlin, Söder als neuer Landesvater in Bayern.

Wie steht es heute um das Innere der CSU? Die Frage ist nicht mehr: Seehofer oder Söder. Sondern Kompromiss oder Konfrontration? Mitte oder rechts? Liberaler oder Hardliner? Die Partei ist gespalten, der Sonntagabend hat das wieder deutlich gezeigt.

Zu den moderaten Vertretern zählen CSU-Vize Manfred Weber ("Man muss kompromissfähig sein!") und viele CSU-Granden wie Erwin Huber ("Wir dürfen die Koalition nicht gefährden!"), Günther Beckstein ("CDU und CSU gehören zusammen"), Alois Glück (Der Preis für einen Koalitionsbruch sei "unermesslich hoch") oder Theo Waigel ("Eskalation ist zerstörerisch"). Viele aus dieser alten Garde haben selbst schon äußerst stürmische Zeiten in der CSU erlebt. Auch Max Straubinger sollte an dieser Stelle erwähnt werden. Der Abgeordnete aus Niederbayern ist als früherer Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag nicht zu unterschätzen - er hat am Sonntagabend als Einziger gegen Seehofers sogenannten Masterplan Migration gestimmt. Dieser liberale Flügel macht im Parteivorstand etwa 30 Prozent aus.

Die Hardliner sind derzeit jedoch deutlich in der Mehrheit. Sie fürchten einen Glaubwürdigkeitsverlust, wenn die CSU auch nur ein Stückchen nachgibt und sehen alle Schuld an so gut wie allem, was seit 2015 schiefgelaufen ist - so ähnlich hat das auch Seehofer in seiner persönlichen Erklärung durchblicken lassen - bei Kanzlerin Angela Merkel. Zu ihnen gehörte am Sonntag Edmund Stoiber, der sich nie so richtig einem Lager zuordnen lässt, weil er stets seinen ganz eigenen Kurs fährt. Diesmal stand der CSU-Ehrenvorsitzende zu 100 Prozent hinter Seehofer. CSU-Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer gilt als Hardliner, genauso wie Ministerpräsident Markus Söder und eben Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Söder und Dobrindt dürften sich mit ihrem Zündeln in den vergangenen Wochen verkalkuliert haben.

Tritt Seehofer wirklich zurück und hält die Regierung das aus, so werden gleich zwei Posten frei, die es zu besetzen gilt. Auf den CSU-Vorsitz hofft Dobrindt, nur ist er noch nicht bereit für diesen Schritt, auch wenn er als enger Vertrauter Seehofers gilt und als Generalsekretär und Wahlkampf-Manager einst einen guten Job gemacht hat. Ihm fehlt die Hausmacht in der CSU. Den Vorsitz des mächtigen Oberbayern-Bezirks hat nach wie vor Ilse Aigner inne. Als Landesgruppenchef arbeitet Dobrindt zwar auch nach innen an seinem Image, aber er wird von den Mitgliedern maximal geschätzt, nicht geliebt. Für ihn käme Seehofers Rücktritt zu früh. Dobrindts Ausruf "Das ist eine Entscheidung, die ich so nicht akzeptieren kann", ist also mehr als ernst gemeint. Die Entscheidung gefährdet seine Karrierepläne.

Auch für Markus Söder käme ein Rücktritt Seehofers zur Unzeit. Denn er wird kaum zulassen können, dass Dobrindt nun den Parteivorsitz anstrebt. Manfred Weber hätte noch das Format für das Amt, er gilt als liberaler Anti-Söder und überzeugter Europäer, ihm fehlt aber der unbedingte Wille zur Macht, der Söder auszeichnet. Für Söder ist der CSU-Vorsitz eine Aufgabe, die er sich gern noch eine Weile vom Hals gehalten hätte, aber nun bleibt ihm womöglich nichts anderes übrig, als Stärke zu zeigen und Verantwortung für die nicht immer leicht zu beherrschende CSU zu übernehmen.

Der bayerische Ministerpräsident scheint in den vergangenen Tagen zudem verstanden zu haben, dass ihm die Koalitionskrise mehr schadet als nützt. Wenn der Union die Stimmen in der Mitte wegbrechen, fehlen sie auch ihm. Womöglich haben die schlechten Umfragewerte und die Kritik von vielen verschiedenen Seiten auch Wirkung gezeigt. Nun schlägt Söder versöhnlichere Töne an. Er hoffe, dass es noch zu einer Lösung im Asylstreit komme, "die Stabilität der Regierung steht für uns nicht infrage".

Zwischen all dem Krach und den Scherben wurde nun ausgerechnet einer als potentieller neuer Innenminister gehandelt, dem seine Partei schon vieles abverlangt hat: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann wurde bereits vergangenes Jahr als Kandidat ins Spiel gebracht, wegen der schlechten Wahlergebnisse ging der Plan nicht auf. Im Herbst musste Herrmann für Seehofers Machtspielchen mit Söder herhalten, auch das hat der unaufgeregte und gemütliche Franke überstanden. Und jetzt Berlin? Vorbei. Herrmann will nicht in die Hauptstadt, erfährt man Montagnachmittag, diese Entscheidung hat er für sich getroffen. Er kandidiere in Erlangen wieder für den Landtag, sagt Herrmann "ich fühle mich in Bayern sehr wohl".

Wer sonst noch infrage kommt? Der Name von Stephan Mayer, bisher Staatssekretär im Innenministerium, dürfte auf einer CSU-Kandidatenliste auftauchen. Der 44-Jährige ist Innenexperte, Jurist und kommt wie Seehofer aus Oberbayern - was der Sache durchaus hilft, weil man in der CSU stets genau auf den Proporz achtet. Allerdings hat Mayer im Bamf-Skandal nicht gerade geglänzt - eine Einschränkung, aber bei der derzeitigen Lage in der CSU wohl auch kein Hindernis.

Anmerkung: In einer früheren Version wurde Herrmann noch als potentieller Innenminister beschrieben, das hat sich durch seine eigenen Ausagen überholt.

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