Seehofer plant Kulturoffensive:Kulturgut Gießkanne

Ministerpräsident Seehofer will 50 Millionen Euro in die Kultur investieren - eine eher bescheidene Summe, von der aber alle Landesteile profitieren sollen. Statt sich zu freuen, äußern die so Bedachten allerdings eine Menge Zweifel.

Obwohl der Freistaat Bayern laut seiner Verfassung ein Kulturstaat ist, räumt die Staatsregierung der Kulturpolitik traditionell keine allzu hohe Priorität ein. Die Kulturpolitiker im Landtag lassen sich fast an einer Hand abzählen und der Anteil der Kulturausgaben am Etat des Freistaats ist seit Jahren rückläufig. In diesem Jahr liegt er bei 1,43 Prozent, was einer Summe von 631 Millionen Euro entspricht. Diese Zahl relativiert sich schon insofern, als der Freistaat in naher Zukunft bis zu 700 Millionen Euro aufwenden müsste, um allein den Sanierungsbedarf in den staatlichen Museen, Theatern und Archiven zu decken.

Mit seinem Plan, in den Doppelhaushalt 2013/14 zusätzlich 50 Millionen Euro einzustellen, um kulturelle "Leuchtturmprojekte" in allen Landesteilen zu fördern, hat Ministerpräsident Horst Seehofer nun überraschend eine Kulturoffensive gestartet. In der Fortschreibung bis 2018 soll der Freistaat für 16 Projekte 200 Millionen Euro locker machen. Profitieren sollen unter anderem: Porzellanikon Selb, Festspiele Bayreuth, Mainfränkisches Museum, Glasmuseum Frauenau, Staatsbibliothek Augsburg, Musicaltheater Füssen und Venusgrotte Linderhof.

Bei den Grünen fällt Seehofers Kulturkonzept trotzdem durch: "Abschlagszahlung" nennt der Landtagsabgeordnete Sepp Dürr die für 2013 und 2014 eingeplanten 50 Millionen Euro: "Damit kauft sich der Freistaat von seiner jahrelangen Untätigkeit frei." Im vergangenen Jahr hatte sich Dürr Auskunft geben lassen über den Zustand der kulturellen Einrichtungen.

Das Ergebnis aus seiner Sicht: Im Kulturbereich hätten sich Investitionen von bis zu zwei Milliarden Euro aufgestaut. Im ganzen Freistaat warteten Museumsleiter auf Zuschüsse, um dringend nötige Modernisierungen in Angriff nehmen zu können. Vor diesem Hintergrund nennt er die 50 Millionen Euro geradezu "lächerlich". Diese Summe kompensiere nicht einmal die Einsparungen der vergangenen Jahre.

Auch die Auswahl der Projekte, die gefördert, und Einrichtungen, die aufgewertet werden sollen, stößt bei Dürr auf Kritik. Als Beispiel nennt er das Glasmuseum in Frauenau. Eine tolle Einrichtung, wie er findet. Dennoch: "Man kann doch jetzt nicht so tun, als hätte es plötzlich das Format eines Landesmuseums." Es ging der Staatsregierung nicht darum, herausragende Kultur zu befördern, sondern Wohltaten für die Regionen zu vollbringen, sagt Dürr.

Warnung vor Schnellschuss

"Im Prinzip bin ich sehr dankbar, wenn die Staatsregierung mehr Geld für die Kultur in die Hand nehmen will", sagt Schwabens Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert (CSU). Die Breite der Kulturförderung sei in den vergangenen Jahren doch sehr zurückgeschraubt worden, vor allem in der Denkmalpflege. "Gerade Schwaben ist eine Region mit vielen Denkmälern. Wenn wir hier mehr Unterstützung bekämen, wäre das eine große Entlastung für private und öffentliche Träger von Denkmälern", betont Reichert.

Der Bezirkstagspräsident hielte es allerdings für sinnvoll, wenn die Staatsregierung hier keinen Schnellschuss machen, sondern gemeinsam mit kreisfreien Städten und Landkreisen eine Prioritätenliste aufstellen würde. Für Reichert stünde es in diesem Fall außer Frage, dass vor allem die klamme Stadt Augsburg einen enormen Bedarf an finanzieller Kulturförderung hätte.

Ein Anliegen wäre Reichert ein nachhaltiges Konzept für das Schauspielhaus am Forggensee (einst Ludwig-Musical). "Da haben wir ein modernes, mit allen technischen Feinheiten ausgestattetes Theater, aber es wird viel zu wenig bespielt, das ist jammerschade", klagt Reichert.

"Es geht um das Gesicht Bayerns"

Der Generalkonservator des Landesamts für Denkmalpflege, Egon Johannes Greipl, sähe im Programm der Staatsregierung am liebsten, dass auch die Unterfinanzierung der Denkmalpflege berücksichtigt sei. "Es geht vor allem darum, den privaten Denkmaleigentümern unter die Arme greifen zu können und etwas gegen die sich abzeichnenden massiven Denkmalverluste insbesondere in den strukturschwächeren Regionen unseres Landes zu tun. Es geht um das Gesicht Bayerns!", sagt Greipl.

In der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen herrscht indessen Freude darüber, "dass drei verdienstvolle Häuser zu staatlichen Museen werden, die bisher leider sehr, sehr schlecht aufgestellt waren", wie es der Sprecher Wolfgang Stäbler formuliert. "Da hat es bisher ja vorne und hinten nicht gereicht." Stäbler hofft allerdings, dass die Förderung der Leuchtturmprojekte nicht zu Lasten der 1250 anderen nichtstaatlichen Museen gehe. "Die sind schließlich auch ein wichtiger Teil der bayerischen Kulturlandschaft."

Der Würzburger SPD-Landtagsabgeordnete Volkmar Halbleib hält den Plan, bis 2018 insgesamt 20 Millionen Euro in das Mainfränkische Museum zu investierten, einerseits für richtig. Andererseits müsse man sehr genau hinschauen, wie das damit verbundene Ziel, in Würzburg ein Landesmuseum zu etablieren, tatsächlich verwirklicht werde. Vorerst sei Seehofers Plan in erster Linie eine Wahlkampfidee und das "überfällige Eingeständnis", dass auch in Unterfranken investiert werden müsse.

Der Festungsbau in Würzburg gilt als ähnlich marode wie das dortige Mainfranken Theater - und übrigens auch das Festspielhaus in Bayreuth, das laut Plan ebenfalls mit einem Millionenbetrag saniert werden soll. Investitionen in diese Bauten seien also ohnehin dringend notwendig, mit oder ohne "Kulturprogramm". Die Debatte um einen neuen Konzertsaal in München dürfte die Reaktion der Staatskanzlei lediglich beschleunigt haben, sagt Halbleib. Ebenso wie die nun - für 100 000 Euro - geplante Machbarkeitsstudie für einen Konzertsaal in Nürnberg.

Weniger reserviert reagieren die Oberfranken auf den Plan, das Porzellanikon in Selb/Hohenberg zu verstaatlichen. Der Vorsitzende der Freien Wähler in Oberfranken, Klaus Förster, spricht von einem "uneingeschränkt zu begrüßenden Zug" Seehofers. Endlich werde der Bezirk "einmal nicht bei den Förderungen ausgespart". Mit Selb treffe es eine strukturschwache Region, die jeden Leuchtturm brauchen könne - mit dem Porzellanikon ein Haus, das jetzt bereits viele Voraussetzungen eines Landesmuseums erfülle. Der Freistaat will den Museumskomplex, der sich mit der Herstellung von Porzellan und Keramik in Selb und Hohenberg beschäftigt, bis 2018 mit 17 Millionen Euro unterstützen.

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