Süddeutsche Zeitung

AKK und Söder auf CSU-Parteitag:Traumpaar auf Zeit

Lesezeit: 4 min

Von Nico Fried

Annegret Kramp-Karrenbauer braucht Geduld. Es ist ausgerechnet der Streit um die Frauenquote in der CSU, der dafür sorgt, dass sich die Frau an der Spitze der Schwesterpartei ein wenig die Zeit vertreiben muss. Die CSU-Führung verliert ihren Kampf am Ende, und die CDU-Vorsitzende erlebt irgendwo in den Katakomben der Münchener Olympiahalle im Livestream mit, wie CSU-Chef Markus Söder gerade noch einen Kompromissantrag über die Ziellinie rettet. Vielleicht tröstet es Kramp-Karrenbauer, dass dem Kollegen in der CSU, der ja vereinzelt sogar schon als Kanzlerkandidat der Union gehandelt wird, auch nicht alles gelingt.

Besuch bei der Schwesterpartei. Es ist das zweite Mal, dass Kramp-Karrenbauer der CSU ihre Aufwartung als CDU-Chefin macht. Der Empfang ist freundlich, Markus Söder sagt auf der Bühne neben Kramp-Karrenbauer, man habe "keine guten Erfahrungen gemacht mit zu langen Vor- oder Nachworten", deshalb fasse er sich kurz. Das ist die spitze Erinnerung an den Auftritt 2015, als Söders Vorgänger Horst Seehofer nach Angela Merkels Rede wegen der Flüchtlingspolitik minutenlang an der Kanzlerin rummoserte. Es war der Beginn des Zerwürfnisses, dass Söder und Kramp-Karrenbauer um fast jeden Preis vergessen machen wollen.

Natürlich hat auch Söder die Fehler Kramp-Karrenbauers in ihren ersten Monaten zur Kenntnis genommen. Und die Verunsicherung, die daraus in der CDU entstanden ist, das Anschwellen einer neuen Personaldebatte. Aber er sagt dazu nichts. Er hat kein Interesse daran, Kramp-Karrenbauer zu schwächen. Jedenfalls derzeit nicht. Wo immer er kann, lobt Söder die Zusammenarbeit, auch auf dem Parteitag in München. Die CDU-Vorsitzende bedankt sich mit einem Glückwunsch zu seinem Wahlsieg am Vortag mit 91 Prozent der gültigen Stimmen. Es sei immer gut, wenn eine Partei ihrem Vorsitzenden so einen Rückhalt gebe, sagt sie. Man könnte da eine leise Sehnsucht der CDU-Chefin heraushören: Kramp-Karrenbauer erhielt bei ihrer Wahl vor einem Jahr nur knapp 52 Prozent, wenn auch in einer Kampfabstimmung. Allerdings deutet seither nichts darauf hin, dass es inzwischen mehr geworden wäre.

An der CSU soll es nicht liegen. Das hat sich Söder vorgenommen, zumindest so lange, wie er nichts davon hat, wenn die CDU strauchelt. "CDU und CSU haben schwierige Zeiten hinter sich gebracht", sagt er in München. "Die waren nicht von Vorteil für uns." Mittlerweile habe man wieder klargemacht, dass der Gegner nicht in den eigenen Reihen stehe. Nur einmal - am Vortag - hat der CSU-Chef in seiner Rede ein ganz klein bisschen damit kokettiert, dass die CSU sich unter seiner Führung besser von der Krise zu erholen scheint als die Schwesterpartei: Nach dem schwachen Ergebnis bei der Landtagswahl sei die CSU inzwischen immerhin wieder "so gut in Schuss, dass manche uns zutrauen, nicht nur in Bayern erfolgreich zu sein". Ihm vor allem, aber das sagt er natürlich nicht.

Kramp-Karrenbauer absolviert in München einen schnellen Ritt durch die aktuellen Themen. Sie spricht über die großen Entscheidungen in der Geschichte der Bundesrepublik in denen immer die Union die großen Linien gezogen habe, von der Westbindung bis zur deutschen Einheit. Deshalb komme es auch jetzt wieder auf CDU und CSU an. Söder hat in seiner Rede am Vortag Horst Seehofer, der sich in München nicht blicken lässt, genau einmal namentlich erwähnt: in seiner Aufzählung der CSU-Ehrenvorsitzenden. Kramp-Karrenbauer nennt den Namen Angela Merkel gar nicht.

Man merkt der CDU-Vorsitzenden in München den Druck nicht an, unter dem sie steht. Sie verteidigt das Klimaschutzpaket der Koalition, sie kritisiert die Mängel bei der Digitalisierung. Sie spricht teilweise in Schlangensätzen, verhaspelt sich aber kaum und setzt ihre Pointen, zum Beispiel zur mangelhaften Infrastruktur in Deutschland, routiniert: "Wenn das, was wir nach außen transportieren, nur noch ist, dass bei uns nichts fliegt, nichts funktioniert und nichts mehr pünktlich ist, dann ist das eine Blamage." Und sie weiß, wie sie bei solchen Themen in der CSU gleich noch ein paar billige Punkte einsammeln kann: "An der Stelle wäre es gut, wenn der bayerische Standard Bundesstandard wäre."

Söder hat am Freitag verhindert, dass der rote Teppich für Kramp-Karrenbauer befleckt werden könnte

Auffallend lange hält sich Kramp-Karrenbauer mit der Außen- und Sicherheitspolitik auf. Syrien, Auslandseinsätze der Bundeswehr, Islamismus in der Sahel-Zone, die zögerliche Rolle Deutschlands in der Welt - es macht sich bemerkbar, dass hier mittlerweile auch die Verteidigungsministerin redet. Auch in diesem Amt steht sie unter Legitimationsdruck, weil sie lange Zeit gesagt hatte, sie werde nicht ins Kabinett gehen. Bei der Jungen Union musste sie sich dafür jüngst noch rechtfertigen. In der CSU räumt Markus Söder das Thema ab: Dass sie ein so schwieriges Amt übernommen habe - "und ich meine damit nicht den CDU-Vorsitz" - verdiene Respekt, sagt der CSU-Chef.

Und die Kandidatenfrage? Söder hat schon am Freitag verhindert, dass der rote Teppich für Kramp-Karrenbauer politisch befleckt werden konnte, noch bevor die CDU-Vorsitzende München überhaupt erreichte. Die Junge Union hatte auf ihrem Deutschland-Tag am vergangenen Wochenende die Forderung nach einer Urwahl des Kanzlerkandidaten der Union beschlossen. Es war ein Affront gegen Kramp-Karrenbauer, weil ihr damit das erste Zugriffsrecht entzogen würde. Die bayerische JU trug diesen Antrag am Freitag vor die Delegierten des CSU-Parteitags. Und ein Redner der Antragsteller erhielt durchaus bemerkenswerten Applaus für seine Frage, warum ein Kandidat, der die Wähler gewinnen wolle, nicht vorher auch die Union überzeugen solle.

Söder sah sich veranlasst, selbst ans Rednerpult zu gehen, was für einen Parteivorsitzenden bei Anträgen nicht ohne Risiko ist, wenn die Abstimmung am Ende schiefgeht. Neben den Fragen nach der Praktikabilität einer Urwahl in zwei Parteien lautete ein Argument des Parteichefs am Freitagabend: "Wie wirkt diese Diskussion auf unseren Gast morgen?". Seine Fürsorge für die CDU-Chefin kennt einstweilen keine Grenze. Die Delegierten lehnten den Antrag der JU schließlich ab.

Kramp-Karrenbauer erwähnt die Debatte um die Kanzlerkandidatur am nächsten Tag nur, um sie als falsch zu geißeln. Die Union dürfe nicht den Fehler machen, sich nur mit sich selbst zu beschäftigen wie die SPD, findet Kramp-Karrenbauer. Auch am Samstag habe sich ja manche Schlagzeile wieder mit der Frage beschäftigt: "Wer wird was und wie wird er was?". Die Union "sollte dieses Spiel nicht mitspielen", sagt Kramp-Karrenbauer.

Das ist auch ganz im Sinne des Gastgebers. Markus Söder überbringt gelbe Rosen und sagt in den freundlichen, aber nicht überschwänglichen Applaus hinein: "Du hast uns heute begeistert." Er sagt "heute". Was morgen sein wird, wird man sehen.

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