Süddeutsche Zeitung

CSU-Parteitag in München:Die CSU beschwört den starken Staat

Lesezeit: 3 min

Von Lisa Schnell, München

"Kapriziös" seien die CSU-Mitglieder, sagt eine Delegierte auf dem Parteitag der CSU. In launiger Weise eigensinnig also. Eigensinnig sind die, die sich fragen, ob der Ton der CSU in der Flüchtlingspolitik noch angemessen ist. Genauso eigensinnig wie die, denen die Kritik an der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel noch viel zu subtil ausfällt.

Für was steht die CSU eigentlich? Was ist tagesaktuelles Geschrei und was ihr Markenkern? Ein Mann muss es wissen: Markus Blume, dessen Karriere in der CSU gerade erst begonnen hat. Diesen Samstag wird der Landtagsabgeordnete der Basis das neue Grundsatzprogramm vorstellen. Zwei Jahre lang hat er sich als Vorsitzender der Grundsatzkommission damit beschäftigt, welchem Kompass die CSU in Zukunft folgen wird.

Etwa alle zehn Jahre bestimmt die CSU ihre Grundausrichtung neu. Das letzte Programm stammt von 2007 - noch vor dem Erstarken der Rechten in Europa und der großen Zuwanderung. "Chancen für alle" schrieb die CSU damals über ihr Programm. "Die Ordnung" heißt das jetzige. Manche erinnert es an Star Wars. Nicht weniger monumental will es sein, eine Antwort auf "die Unordnung in der Welt", die "Veränderungsbrutalität unserer Zeit", sagt Blume. 2007 wurde eine aktive Bürgergesellschaft angepriesen, jetzt ist es der starke Staat. Dazu gehört für die CSU etwa der Bundeswehreinsatz im Inneren.

Im den Grundsätzen finde sich auch einiges "Kantiges", sagt Markus Blume

Das neue Programm soll den konservativen Markenkern der CSU stärken und den rechten Rand abdichten. Die CSU sei nicht die Partei der "smarten Mitte", sondern wolle auch die ansprechen, die sich "abgehängt" fühlen, sagt Blume. Die Botschaft an die Wähler: Wer sich jetzt überlegt, AfD zu wählen, sollte vorher doch noch mal einen Blick ins Grundsatzprogramm der CSU werfen. Dort findet sich allerlei "Kantiges", wie Blume es nennt.

Das beginnt mit der fast inflationären Verwendung des Begriffs "Leitkultur". "Wer bei uns leben will, muss die Leitkultur unseres Landes akzeptieren", heißt es im Programm. "Klar ist, hier gelten unsere Regeln", lautet die Botschaft. Keinen Platz sieht die CSU für Leute, die der deutschen Werteordnung nicht folgen und "die christliche Prägung unseres Landes" ablehnen. Ein Bekenntnis zur Leitkultur sei nötig, um die Staatsbürgerschaft zu bekommen. Auch müssten Integrationsfortschritte regelmäßig überprüft werden, etwa die Teilnahme an Integrationskursen. Wer das nicht nachweisen könne, solle wieder gehen.

Die von der CSU immer wieder geforderte Obergrenze für Asylbewerber hat es ebenfalls ins Grundsatzprogramm geschafft. Bei Zuwanderern solle "die Nähe des Kulturkreises" beachtet werden. Auch eine gewisse Skepsis gegenüber dem Islam und die scharfe Kritik am politischen Islam schreibt sich die CSU in ihre DNA. Der Islam müsse sich in "unsere Ordnung einfügen", heißt es im Grundsatzprogramm. Die Vollverschleierung im öffentlichen Raum lehnt die Partei ab, akzeptiert sie aber. Verboten sollen Burka und Niqab für Vertreter der Staatsgewalt sein.

Beim Thema Integration besinnt sich die CSU auf einen strikten, konservativen Ton, in anderen Bereichen hingegen ist sie offener. Sie will jetzt nicht nur Paare fördern, die verheiratet sind. Mit einem Kindersplitting sollen auch Eltern ohne Ehering einen steuerlichen Vorteil haben. Außerdem spricht sie sich gegen jede Form der Diskriminierung von homosexuellen Partnerschaften aus. Sie sollen nun auch sagen können, dass sie verheiratet sind.

Ist der Ton zu scharf oder bringt er die gewünschte Orientierung?

Das bedeutet eine Öffnung gegenüber dem letzten Grundsatzprogramm, in dem jede rechtliche Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften abgelehnt wurde. Der Ton aber gegenüber Fremden war damals noch anders. Nur einmal, nicht zehnmal, tauchte 2007 die "Leitkultur" auf. Dafür war von "Respekt für andere Kulturen und deren Werte" die Rede. Auch der Hinweis "Angst vor Fremden" beruhe nur auf Unwissenheit über die eigenen Wurzeln, ist dort zu finden.

Manche in der Partei meinen, mit der Betonung der Leitkultur sei das Grundsatzprogramm zu tagesaktuell geraten. Andere sind sich nicht sicher: Ist der Ton zu scharf oder bringt er die gewünschte Orientierung? Doch selbst der ehemalige CSU-Chef Theo Waigel, der die Partei gerne an ihre christliche Prägung erinnert, sagt: "Gute Arbeit." "Sensationell", lobt CSU-Chef Seehofer.

Anders als manche munkelten, habe er in die Arbeit nicht eingegriffen. Ganz von alleine sei "der Geist der Führung" in das Programm gekommen. Für ihn ist das Grundsatzprogramm ein inhaltliches Vermächtnis. Besonders wird ihn freuen, dass darin jetzt auch bundesweite Volksentscheide stehen. Der Ministerpräsident, der immer sagt, er bilde eine Koalition mit dem Volk, ließ dazu die Basis befragen. Sie stimmte in seinem Sinne, bei den Mandatsträgern in der Partei gab es eine größere Skepsis. Generalsekretär Andreas Scheuer hatte auf ein anderes Ergebnis gewettet.

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Quelle:
SZ vom 05.11.2016
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