CSU: Parteireform:Mehr Weiblichkeit wagen

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Bayern = CSU, diese Formel funktioniert schon lange nicht mehr. Nun wollen die Christozialen die Parteistrukturen entstauben. Das Ziel: mehr Weiblichkeit, mehr Basisdemokratie - und mehr Einnahmen.

Mike Szymanski

Im Foyer der CSU-Parteizentrale steht jetzt ein kleiner Tisch mit einer Blume drauf. Und der Mann, der auf das Franz-Josef-Strauß-Haus in München aufpasst, muss jetzt auch nicht mehr die Gegensprechanlage benutzen, wenn Besucher kommen. Das Schutzglas kann er neuerdings zur Seite schieben, und er hat auch die Anweisung, dies zu tun. Die Parteizentrale der CSU soll keine Festung mehr sein.

Als Devotionalie der CSU gibt es den weiß-blauen Rauten-Bikini schon länger. Doch Frauen sind in der Partei noch immer in der Minderheit. (Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Partei zu öffnen ist aber nicht nur Aufgabe von Handwerkern. Um das Theoretische kümmert sich seit einem Jahr Alexander Dobrindt. CSU-Chef Horst Seehofer hat seinen Generalsekretär beauftragt, bis zum Parteitag Ende Oktober die CSU mal gründlich aufzumöbeln. "Wir haben nicht mehr die Nähe zu den Menschen gehabt", hatte Seehofer nach dem verheerenden Ausgang der Landtagswahl 2008 für die CSU analysiert. Und das schlechte Abschneiden bei der Bundestagswahl war noch einmal eine bittere Erinnerung daran, dass es wirklich viel zu tun gibt.

Die Zeit ist günstig. Die nächsten Wahlen stehen erst wieder 2013 an. Auch die Bayern-SPD nutzt die Gelegenheit für einen Generalumbau, wie die Genossen das nennen, wobei Wiederaufbau das bessere Wort wäre. Bei der CSU ist es mit einigen Schönheitsreparaturen aber auch nicht getan. "Es ist, als ob leise der Putz von der Wand rieselt", sagt einer aus den oberen Etagen des Hauptquartiers.

Die letzte wirklich große Reform in der CSU liegt jetzt schon 40 Jahre zurück. Der damalige Generalsekretär Gerold Tandler hatte im Rückblick wahrlich Großes geleistet. Gemeinsam mit der Werbeagentur "Team70" machte er die CSU in den siebziger Jahren zur entpolitisierten Marke und begründete den Erfolg mit einer einfachen Marketing-Formel: Bayern = CSU. Zuletzt aber, und dafür waren die Wahlschlappen Belege, ging diese Formel nicht mehr auf. Jetzt tüftelt Dobrindt an einer neuen.

Längst nicht mehr so attraktiv wie früher

Er und seine Stellvertreterin Dorothee Bär sind in den vergangenen Monaten durch fast alle 108 Kreisverbände getingelt, haben die Mitglieder in Hinterzimmern getroffen und dort ihr Projekt unter dem Namen "Leitbild 2010plus" vorgestellt und zugehört. Im Internet erfährt man mehr darüber. Dort nennt sich die CSU schon ganz mutig die "Mitmachpartei". Dobrindt sagt: "Wir wollen Vorbild sein für andere Parteien."

Auch in der CSU spürt man, dass Volksparteien längst nicht mehr so attraktiv für die Bürger sind wie früher. Die erwarten mehr als einmal im Jahr den Rechenschaftsbericht vorgelesen zu bekommen und die Einladung zum Sommerfest.

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Mehr als 20.000 Mitglieder hat die CSU in den vergangenen 20Jahren verloren, jetzt zählt sie nach eigenen Angaben noch gut 160.000 Anhänger. Andere Parteien haben schlimmer unter Mitgliederschwund zu leiden, aber auch die CSU spürt, dass sie handeln muss. Dobrindt sagt: "Die CSU muss kampagnenfähig bleiben." Sein Fazit nach der Tour an der Basis: Wer sich heute in einer Partei engagiert, will auch etwas zu sagen haben.

Wie modern die CSU nach dieser Reform sein wird, hängt davon ab, wie viel Mitsprache die Partei künftig ihren Mitgliedern zubilligt. Bei der Landesversammlung der Jungen Union hatte Parteichef Horst Seehofer schon einmal durchblicken lassen, dass er nichts dagegen habe, künftig von den Mitgliedern gewählt zu werden. Er sei ein großer Freund der Basisdemokratie.

Weil die CSU als Partei aber nicht so einfach aus ihrer Haut kann wie Seehofer aus seiner, dürfte das Mitmachen in der neuen Mitmachpartei rasch Grenzen finden. Allenfalls dürfte sich die CSU auf dem Parteitag dazu durchringen, die Mitglieder regelmäßig nach ihrer Meinung zu fragen. Die Entscheidungshoheit werden sich die Delegierten sicher nicht aus der Hand nehmen lassen. "Das ist eine reine Machtfrage", sagt einer aus der Parteizentrale. Schließlich sei man ja nicht bei den Grünen.

Zurzeit ist in der CSU erlaubt, über alles zumindest einmal nachzudenken. Bekommen Nichtmitglieder ein Rederecht auf Parteitagen? Wie lüftet man in den Vorständen mal ordentlich durch, wo oft nur Berufspolitiker sagen, wo es langgeht und man bloß um sich selbst kreist? Gibt es eine virtuelle Mitgliedschaft für jene, die nicht zu Ortsverbandstreffen kommen wollen, sondern lieber in einem Chatroom diskutieren?

Rabatt für Geringverdiener

Eine Antwort muss der Parteitag in jedem Fall zu der Frage finden, wie die CSU künftig Frauen fördern will. Nur 18 Prozent der Mitglieder sind Frauen - die CSU ist die männlichste aller deutschen Parteien, und das ist ein großes Problem. Frauen halten die CSU für einen altmodischen Herrenclub. Ob zur neuen CSU auch eine Frauenquote gehören wird, wie sie die Frauenunion als letztes Mittel fordert, ist offen. Nur eines weiß man in der Parteispitze: "Diesmal brauchen wir mehr als eine Absichtserklärung." Noch vor dem Parteitag im September will sich Seehofer daher im Vorstand einzig und allein mit dieser Frage beschäftigen.

Worauf sich schon einmal die meisten Mitglieder einstellen können: Die CSU wird teurer. Nach vier Wahlen in den vergangenen zwei Jahren ist die CSU nahezu abgebrannt. Die Kassen müssen wieder für die anstehenden Wahlen 2013 und 2014 gefüllt werden. Mit dem bestehenden Beitragssystem ist das aber nicht mehr zu machen. Die Wahlkämpfe werden immer teurer, ein einziger kostet die Partei schon mal schnell mehr als drei Millionen Euro. Und auch weil zuletzt der Erfolg ausgeblieben ist, kommt weniger Geld in die Kasse.

Bisher lag der Mindestbeitrag bei 50 Euro im Jahr. Wer mehr als 20.000 Euro netto im Jahr verdient, sollte sich einer Tabelle nach selbst einordnen und mehr zahlen. Aber damit nahmen es viele in der CSU offenbar nicht so genau, in der Regel wurden nur 50 Euro überwiesen. Künftig will Dobrindt einen Euro mehr im Monat verlangen, 62 Euro im Jahr sollen fällig werden. Nur Geringverdiener sollen 50 Euro zahlen, und die Gutverdiener können als freiwilligen "Leistungsbeitrag" mindestens 120 Euro an die Partei liefern. "Es ist Ansparzeit", sagt Dobrindt. Vor Wahlkämpfen hat auch die neue CSU nichts zu verschenken.

© SZ vom 26.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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