CSU in der Opposition:Die bayerische Luft ist raus

Bundestagswahl - Wahlparty CSU

Düstere Prognosen: CSU-Generalsekretär Markus Blume befürchtet offenbar schwierige Zeiten unter der neuen Ampel-Regierung in Berlin und kündigt schon mal an, dass die CSU künftig "aus Bayern heraus die notwendigen Akzente" setzen werde.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Ampel-Koalition in Berlin steht und die CSU muss sich eine neue Rolle suchen. In der Opposition - da fühlt sie sich naturgemäß fehl am Platz. Nun gibt es erste Versuche einer Positionierung.

Von Andreas Glas und Johann Osel

Mit Glückwünschen hielt sich Alexander Dobrindt gar nicht erst auf. Er habe "erhebliche Zweifel an der Richtung" des Koalitionsvertrags, sagte der CSU-Landesgruppenchef in Berlin. Wenig später sprach in München der CSU-Generalsekretär. Er sehe "echte Konfliktlinien", sagte Markus Blume. Der Koalitionsvertrag atme "wenig bayerische Luft".

Richtung. Konfliktlinien. Bayerische Luft. Das sind die Schlagworte, die man sich bei der CSU zurecht gelegt hat für den Tag, an dem SPD, Grüne und FDP ihren Koalitionsvertrag vorlegen würden. Am Mittwoch war es soweit und während der künftige Kanzler Olaf Scholz (SPD) von einer "Regierung der Mitte" sprach, platzierte Dobrindt die Ampel direkt dort, wo die CSU sie schon aus strategischen Gründen am liebsten sieht: nach links. Der Vertrag, sagte Dobrindt, sei "die Geburtsstunde einer linksgelben Koalition".

Rutscht die CSU wiederum nach rechts, um sich maximal abzugrenzen von der Ampel? Am Mittwoch griffen sich Dobrindt und Blume vor allem zwei Punkte raus, um den neuen Kontrast zwischen München und Berlin zu illustrieren: Migration und Cannabis. Er fürchte "Pull-Effekte" bei der Migration und mache sich wegen einer Cannabis-Freigabe Sorgen, "was das mit unserer jungen Gesellschaft macht", sagte Dobrindt. Beim Kiffen mag es Befürworter in der CSU-Parteijugend geben, die Parteimehrheit ist gegen die Freigabe.

Und bei der Migration steckt die CSU nicht mehr in den Zwängen der Bundesregierung, könnte selbst Migrationsbewegungen unterhalb ihrer eigenen definierten Obergrenze scharf kritisieren. Innenminister Joachim Herrmann hat kürzlich schon mal angekündigt, er werde die Vorhaben der Ampel genau verfolgen, etwa einen möglichen Zugang von Asylbewerbern zu den vollen Sozialleistungen schon per Anreise. Herrmann übernimmt demnächst den Vorsitz der Innenministerkonferenz.

Angriffsflächen biete die Ampel von alleine

Opposition, nach 16 Jahren, das ist jetzt praktisch fix für die CSU, die sich nicht nur in Bayern als natürliche Regierungspartei versteht. Und trotzdem, die CSU sieht sich mit Blick auf Ampel und Landtagswahl 2023 in einer bequemen Situation. Die Theorie der Parteioberen, die aus der CSU-Zentrale zu vernehmen ist: Wenn die Bundesregierung nach links rückt, muss die CSU gar nicht nach rechts rutschen, um einen Kontrast herzustellen. "Einfach da stehen bleiben, wo wir sind mit unserer Position", sagen strategische Stimmen in der Partei.

Angriffsflächen biete die Ampel dann quasi von alleine. Wobei die Reaktionen auf den Koalitionsvertrag schon auch ein Fingerzeig sind, dass die CSU ihre konservativen Positionen künftig noch stärker betonen wird, zum Beispiel eben bei der Sicherheit. Ein bisschen klingen die ersten Kommentare zur Ampel wie die Fortschreibung des CSU-Mottos im Bundestagswahlkampf: "Linksrutsch verhindern". Ein Motto, das ursprünglich auf eine rot-grün-rote Regierung zielte. Die Frage ist: Zieht diese Botschaft noch, trotz FDP?

Leitmotiv dürfte sein, was CSU-Chef Markus Söder skizziert hat: das Bild vom "Ampel-Norden" und dem "freien Süden". Tatsächlich ist Bayern die einzige Landesregierung, an der kein Ampel-Partner beteiligt ist. Vom "bayerischen Gegengewicht" spricht General Blume, der es als Schreckensszenario für den Freistaat und seine Bürger zeichnet, dass die CSU künftig nicht mehr mitregiert in Berlin.

Die Landesverbände von Grünen, SPD und FDP interpretieren die Ampel dagegen als Push für Bayern. "Ein echtes Fortschrittsbündnis, das auch Bayern ein ganzes Stück gerechter, moderner und nachhaltiger machen wird", teilten die SPD-Landeschefs Ronja Endres und Florian von Brunn mit. Markus Blume dagegen kündigt an, dass die CSU nun eben "aus Bayern heraus die notwendigen Akzente" im Bund setzen werde. Und damit die Ministerinnen und Minister der CSU in der Staatsregierung "noch bedeutsamer" würden - weil sie "auch einen Gegenentwurf zu Berlin zu formulieren haben".

"Typisch grüne Verbotsidee"

Fast schon übermotiviert sprang dann gleich das halbe CSU-Kabinett auf das Vertragswerk der Ampel an. Finanzminister Albert Füracker kritisierte die Pläne zur Einführung einer Zuckersteuer. Damit wolle "die Ampel schon jetzt eine weitere Steuer zu Lasten aller Verbraucher einführen". Die FDP breche ihre "vollmundigen Erklärungen", eine "typisch grüne Verbotsidee".

Gesundheitsminister Klaus Holetschek kündigte an, eine Dokumentationspflicht des Ampel-Infektionsschutzgesetzes für medizinische und pflegerische Einrichtungen vorerst nicht umzusetzen: "Bürokratie und Pandemie vertragen sich nicht", sagte er. Digitalministerin Judith Gerlach teilte mit, der Verzicht auf ein Digitalministerium im Bund sei "der erste Ampel-Ausfall" und "digitalpolitische Mutlosigkeit". Europaministerin Melanie Huml, Ärztin und Ex-Ressortchefin für Gesundheit, twitterte, Cannabis sei "kein harmloses Gewächs" und der Legalisierungsplan "eine Politik der gesellschaftlichen Verantwortungslosigkeit".

Immerhin, der CSU-General konnte sich eine kleine Freundlichkeit abringen. "Ich wünsche der Ampel-Regierung alles Gute für ihre Arbeit", sagte Blume. Den freundlichen Gesichtsausdruck musste man sich dazu denken.

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