CSU-Verband Oberbayern:Es kriselt im Machtzentrum

Lesezeit: 4 min

Als Politikerin sehr beliebt, im eigenen Bezirksverband gerade etwas unter Druck: Landtagspräsidentin Ilse Aigner führt die Oberbayern. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Ohne den Bezirksverband Oberbayern geht in der CSU nichts. Doch zuletzt rissen Gräben auf - und Chefin Ilse Aigner gelingt es nicht, diese zuzuschütten.

Von Wolfgang Wittl, München

Wahre Worte hat Ilse Aigner am Wochenende gesagt. Mehr Frauen müsse man für die Politik gewinnen und intensiver fördern. Der gute Umgang miteinander sei in Zeiten wie diesen besonders wichtig. Die Debattenkultur müsse besser gepflegt werden. Aigner sprach ausdrücklich in ihrer Funktion als Landtagspräsidentin, ihre Botschaft richte sich an alle Parteien, sagte sie dem Bayerischen Rundfunk. Genauso gut hätte die oberbayerische CSU-Vorsitzende auch nur ihre eigenen Leute gemeint haben können. Es rumort im Aigner-Land, der Chefin ist das nicht verborgen geblieben. Und doch hat es überrascht, mit welcher Wucht geschlossen geglaubte Gräben wieder aufgerissen sind.

Zehn Bezirksverbände zählt die CSU, Oberbayern ist mit Abstand der größte - und eigentlich der einflussreichste. Gegen den Willen der Oberbayern sollte wenig geschehen in der CSU, deren mächtigste Herrscher zwischen Alpen und Donau-Auen zu Hause waren: Franz Josef Strauß, Edmund Stoiber und Horst Seehofer haben die Gesamtpartei geprägt.

CSU
:Was vom Aufstand gegen Söder übrig blieb

Seehofer, Aigner, Herrmann, Dobrindt, Weber - fast alle CSU-Granden wollten Söders Aufstieg verhindern. Ein halbes Jahr später scharen sie sich einträchtig um den neuen Ministerpräsidenten. War was?

Von Wolfgang Wittl

Auch der Franke Markus Söder richtete seinen Landtagswahlkampf stark auf Oberbayern aus. Er weiß: Wer hier nicht punktet, hat im Freistaat schon verloren. Doch ausgerechnet Söder, dem als Ministerpräsidenten und designiertem Parteichef plötzlich so viel an Geschlossenheit liegt, hat einen Keil in diese Oberbayern-CSU getrieben, der bis heute tief in ihr steckt. "Oberbayern ist seit dem Machtkampf zwischen Söder und Seehofer immer noch gespalten", sagt einer mit freier Sicht auf das Binnenleben. Für Aigner ist das kein erfreulicher Befund.

Wie schwer es den Oberbayern fällt, ihre Interessen durchzusetzen, zeigten die Wahlen in der Landtagsfraktion. Drei von fünf Bewerbern fielen im Kampf um die 14 Chefposten in den Arbeitskreisen durch. Nur zwei Männer schafften es, keine der beiden Frauen. Eine dürftige Ausbeute, die in der Fraktion überwiegend der Verhandlungstaktik Aigners angelastet wurde. Ein Angriff, den Aigners Leute sofort zurückwiesen. Sie klagen schon länger über Ressentiments gegen ihren Bezirk, hadern mit Allianzen anderer Verbände, gegen die man nicht mehr ankomme. Richtig ist: Früher haben die Oberbayern öfter ihren Willen bekommen. Nur, woran liegt das?

Aigner warf Fraktionschef Thomas Kreuzer nicht eingehaltene Zusagen und Führungsversagen vor. Die eingeforderte Aussprache der Oberbayern mit Kreuzer brachte wenig Erhellendes. Weder Aigner noch Kreuzer gaben ihren Standpunkt auf, einig waren sie sich nur darin, man müsse wieder nach vorne blicken. Aufschlussreicher war, was nach dieser Sitzung die oberbayerischen Abgeordneten sagten. Alle seien "total geschlossen" hinter Ilse Aigner gestanden. Kleine Einschränkung: "Alle Anwesenden." Nun, nicht anwesend waren die Minister Kerstin Schreyer, Michaela Kaniber und Florian Herrmann. Sie saßen zur selben Zeit in einer Kabinettssitzung.

Vor allem Herrmann und Kaniber gehören zu Söders Vertrauten. Im Kampf um die Staatskanzlei hatten sie vor einem Jahr klar Position für Söder und gegen Seehofer bezogen. Aigner - dem Oberbayern Seehofer als Bezirkschefin zu Treue verpflichtet - geriet intern mehr und mehr unter Druck. Rund zwei Dutzend Kreisverbände hat ihr Bezirk. Sie zusammenzuhalten, ist schon in Friedenszeiten eine Aufgabe. In CSU-Umbruchzeiten könnte auch ein UN-Generalsekretär daran verzweifeln.

Fraktionsvize Ingrid Heckner forderte damals indirekt Aigners Kopf, sollte sie nicht bald ein ehrlicheres Bild von der Stimmung wiedergeben - pro Söder. Als Aigner dann eine Urwahl für den Kandidaten als Regierungschef (und damit sich selbst) ins Spiel brachte, ließ der heutige Staatskanzleichef Herrmann sie wissen: "Nicht irgendwelche Möchtegerns" könnten Ministerpräsident werden, sondern nur der beste: Söder. Für die Worte entschuldigte sich Herrmann bei seiner Bezirkschefin. Inhaltlich hatte er vermutlich nichts zurückzunehmen.

Machtkämpfe
:Der brutalste Gegner der CSU ist die CSU

Die Geschichte der Streitereien zwischen den Unionsparteien ist lang. Doch nirgends werden Kämpfe erbitterter geführt als innerhalb der CSU. Das nächste Opfer scheint schon ausgemacht.

Von Peter Fahrenholz

Aigner-Freunde zeigen sich nach den Fraktionswahlen nun wieder irritiert: "Eigentlich sind alle Schlachten geschlagen. Ich verstehe nicht, warum das wieder aufbricht", sagt einer. Soll die Bezirkschefin destabilisiert werden? Soll der Weg an die Spitze der Oberbayern-CSU für einen Getreuen Söders geebnet werden? Herrmann und Kaniber wären gewiss aussichtsreiche Bewerber, sollte Aigners Stuhl frei werden. Es gibt jedoch keine Anzeichen, dass sie aktiv daran sägen. Noch sitzt Aigner sicher. Kaum ein CSU-Politiker kann sich mit ihrer Beliebtheit messen. Bei der Landtagswahl sammelte sie 470 000 Stimmen ein - die meisten im Freistaat und sogar fast 200 000 mehr als Söder im kleineren Mittelfranken. Auch Söder kann an einem Streit mit Aigner nicht gelegen sein. Er muss die ganze Partei hinter sich bringen, will er bei den nächsten Wahlen erfolgreicher abschneiden. Außerdem stand Aigner im Wahlkampf loyal an seiner Seite.

Für die Oberbayern stellten sich für die Zukunft zwei Fragen, sagt ein Vorstandsmitglied: Wollen sie wieder eine geschlossene Einheit mit eigener Stärke sein? Oder wolle man zum Appendix des baldigen Parteichefs werden? An oberbayerischen Unterstützern fehlt es Söder schon jetzt nicht, nach und nach hat er Brückenköpfe errichtet. Zur wachsenden Fangemeinde gehören neben Herrmann (Freising) und Kaniber (Berchtesgadener Land) auch die neue Landtagsfraktionsvize Tanja Schorer-Dremel (Eichstätt) und der junge Traunsteiner Landrat Siegfried Walch, 34, von dem man nicht genau weiß, was größer ist: seine Begeisterung für Söder oder sein eigener Ehrgeiz. Auch in Seehofers Lager gab es Zweifler, ob Aigner noch die Richtige sei. Manch einer hielt den Seehofer-Intimus Alexander Dobrindt für eine bessere Wahl, doch diese Gedanken dürften mangels Erfolgsaussichten vorerst ruhen.

Am Samstag trifft sich der erweiterte Vorstand der Oberbayern-CSU zur Klausur, in Altötting kommen sie alle zusammen. Markus Söder wird einen Bericht zur politischen Lage abgeben. Horst Seehofer will auf seiner Abschiedstour als Parteichef ein paar Worte in seinem Heimatverband sprechen. Und für Ilse Aigner wäre es wohl eine gute Gelegenheit, ihren Leuten mitzuteilen, dass sie im Sommer wieder als oberbayerische CSU-Chefin antreten will. Seit 2011 steht sie an der Spitze. Dass sich Landtagspräsidentin und Bezirksvorsitz nicht ausschließen müssen, hat sie mit Verweis auf ihren Vor-Vorgänger Alois Glück schnell klargestellt. Nicht dass noch jemand auf falsche Gedanken kommt.

© SZ vom 03.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Landespolitik
:Söder ist der Ober-Bayer

Um keinen anderen Regierungsbezirk kümmert sich der Ministerpräsident so wie um Oberbayern. Das soll ihm Stimmen sichern, denn die Landtagswahl wird im Süden gewonnen.

Von Wolfgang Wittl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: