CSU-Niederlage:Eine Zahl wie eine Ohrfeige

Lesezeit: 3 Min.

  • Die CSU hat ihr schlechtes Abschneiden nicht kommen sehen.
  • Joachim Herrmann war kein dominanter Spitzenkandidat, er nutzte die Bühne, die ihm da geboten wurde, nur sehr bedingt. Für den nächsten Bundestag hat der CSU-Mann kein Mandat bekommen.
  • Und was könnte jetzt Karl-Theodor zu Guttenberg in Berlin werden?

Analyse von Roman Deininger und Wolfgang Wittl, München

Manche Besucher der CSU-Wahlparty in der Parteizentrale haben um kurz vor 19 Uhr schon aufgegeben. Sie machen gar keine Anstalten mehr, um Fassung zu ringen. Dass ihre CSU auf 39,1 Prozent abstürzt, wie es die Hochrechnungen besagen, die ringsherum über diverse Flatscreens flimmern: Das haben sie nicht kommen sehen.

Einen Mann gibt es allerdings in diesen riesigen Knäuel der Niedergeschlagenheit, der muss das mit der Fassung irgendwie hinbekommen. Das ist sein Job als CSU-Generalsekretär. Kaum lässt ein Kamerateam von Andreas Scheuer ab, steht schon das nächste parat.

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"Natürlich tut's weh", sagt Scheuer, die Stimme ist so fest wie seine gelintensive Frisur. "Aber wir müssen jetzt in die Zukunft schauen. Der Auftrag der Wähler ist klar: Es kann bei Sicherheit und Zuwanderung und Integration so nicht weitergehen. Das werden wir künftig noch stärker von unserer Schwesterpartei einfordern." Das ist die Losung, die dann auch Parteichef Horst Seehofer wenig später in seiner Rede ans erschütterte Parteivolk ausgeben wird: Härte - gegen die AfD, aber auch gegen die CDU.

Herrmann war kein dominanter Spitzenkandidat

Keine Kompromisse mehr. Der eine CSU-Mann, der die Kompetenz in diesem Bereich verkörpern soll, ist auf der Münchner Wahlparty nicht anzutreffen: Joachim Herrmann, bayerischer Innenminister und Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl, muss seine Partei an diesem Abend in Berlin vertreten. Herrmann ist dafür bekannt, in sich zu ruhen, aber auch ihm dürfte das angesichts dieses Ergebnisses schwerer fallen als sonst. Unter dem Segeldach im Innenhof der Parteizentrale ist von den Parteifreunden kein böses Wort über Herrmann zu hören. Nur einer sagt ganz nüchtern: "Natürlich geht dieses Ergebnis auch mit ihm heim."

Herrmann war kein dominanter Spitzenkandidat, er nutzte die Bühne, die ihm da geboten wurde, nur sehr bedingt. Im Wahlkampf absolvierte er zwar ein strammes Programm und nahm für die Bunte sogar einen Cowboyhut in die Hand, um das Bild vom gutmütig-strengen "Sheriff" zu stärken. Als jedoch Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg aus dem amerikanischen Exil für eine dreiwöchige Auftrittstour einflog, fand sich Herrmann schnell im medialen Schatten wieder. Einige in der CSU motzten, dass Seehofer da Guttenberg auf Kosten Herrmanns profiliere. Von Herrmann selbst, dem treuen Parteisoldaten, hörte man solche Beschwerden nicht. Auf der Wahlparty, die keine ist, analysieren zwei CSU-Herren, dass Herrmann offenbar der Wille zur Macht fehle.

Der Spitzenkandidat hat es nicht in den Bundestag geschafft

Nach einem guten Ergebnis bei der Bundestagswahl, hatte es immer geheißen, könnte Herrmann der CSU-Vorsitz ja immer noch zufallen. Das dürfte sich jetzt erledigt haben. In allen Rechnungen gab es noch eine weitere Unbekannte, die im Laufe des Wahlabends Konturen annahm. Herrmann hat nicht direkt für den Bundestag kandidiert, er führte nur die Landesliste an. Aber selbst dieser Platz eins garantierte ihm keineswegs den Einzug ins Parlament: Die CSU hätte ein starkes Ergebnis gebraucht, damit neben den angestrebten Direktmandaten in allen 46 Wahlkreisen auch noch die Liste zieht. Das hat sie nicht. Die letzte Hoffnung für Herrmann wären eventuell fällige Ausgleichsmandate gewesen, doch nun ist klar: Joachim Herrmann sitzt nicht als Abgeordneter im nächsten Bundestag sitzt. Manche bezweifeln, dass er sich ohne diesen Sicherheitsanker auf den angepeilten Innenministerjob in Berlin einlassen wird.

Ohne Mandat, sagte bereits auf der Wahlparty ein CSU-Mann mit Berlin-Erfahrung, "wäre er der Merkel doch ausgeliefert". Seehofers Möglichkeiten, bei der Personalauswahl fürs Bundeskabinett Akzente zu setzen, sind damit noch stärker eingeschränkt. Es ist schwer vorstellbar, dass die CSU in einer Jamaika-Koalition mehr als drei Ministerposten erhält. Sollte Seehofer seiner Partei das Innenministerium sichern können, wäre Herrmann natürlich gesetzt. Gleiches gilt für Entwicklungsminister Gerd Müller, das Vorzeige-Kabinettsmitglied der CSU.

Was könnte Guttenberg werden?

Für den glücklosen Agrarminister Christian Schmidt dagegen war der Wahlkampf schon die Abschiedstour aus den vorderen Reihen der Politik. Als ausgemacht gilt, dass Verkehrsminister Alexander Dobrindt Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag werden soll. Favorit für eine dritte Planstelle im Kabinett: Generalsekretär und Fassungs-Experte Scheuer, der bereits Staatssekretär im Verkehrsministerium war und dem Seehofer bei seiner Rede demonstrativ für den "heroischen Wahlkampf" dankt. Ein solches CSU-Minister-Trio für Berlin wäre nicht nur frei von Überraschungen, sondern dummerweise auch frei von Frauen. Noch gar nicht berücksichtigt ist da die eine Spielfigur, die Seehofer als seinen Joker betrachtet: Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, um dessen Rückkehr Seehofer im Wahlkampf offensiv geworben hat.

Auch die Basis nahm Guttenberg bei neun Auftritten freundlich bis euphorisch auf - wie weit weg wirken diese Jubelszenen, wenn man sie sich am Sonntagabend in Erinnerung ruft. Bei Guttenbergs persönlicher Entscheidung über ein Comeback dürfte neben der Familie auch die Wiedereinstiegshöhe ein Faktor sein. Landwirtschaftsminister Guttenberg? Schwer vorstellbar für einen, der bevorzugt internationale Fragen behandelt.

Manche in der CSU träumen vom Außenamt; beim Träumen wird es auch bleiben. Realistischer wäre eine Art Neben-Außenminister Guttenberg im Entwicklungsressort; Müller müsste dann ein weniger attraktives Portfolio übernehmen. Spekuliert wird auch über ein Digitalisierungsministerium, mit diesem Thema hat sich Guttenberg im US-Exil ja auseinandergesetzt. Auf jeden Fall wird Seehofer - oder wer immer dann CSU-Chef sein wird - bei der Kabinettsbildung 2017 besser verhandeln müssen als 2013.

© SZ vom 25.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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