Süddeutsche Zeitung

CSU nach Machtverlust:Der schwäbische Bazillus

Die CSU fürchtet, die grüne Krankheit könnte auch die bayerischen Wähler infizieren - und versucht es mit viel frischer Luft und einem Sündenbock: der FDP.

U. Heidenreich, A. Ramelsberger und M. Szymanski

Gerade noch ließen CSU und CDU im Süden ihre Muskeln spielen, gerade noch überboten sich Bayern und Baden-Württemberg darin, wer von ihnen besser, wohlhabender, stärker ist. Gerade noch beschworen sie die "Macht des Südens", die die beiden Länder so erfolgreich mache. Horst Seehofer und Stefan Mappus wollten eine frohe gemeinsame schwarze Zukunft.

Jetzt ist passiert, was nicht passieren durfte: Die CDU hat ihr Stammland verloren, die FDP hat nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde übersprungen. Und nebenan in Bayern fürchtet die CSU, dass der schwäbische Bazillus ansteckend sein könnte. Denn wenn ein Land wie Baden-Württemberg fällt, dann kann auch die Macht in Bayern wanken. Zumal CSU und FDP bisher keine Lösung parat haben, wie sie der grünen Gefahr Herr werden könnten. Glück für die schwarz-gelbe Regierung im Freistaat, dass hier erst in zwei Jahren gewählt wird.

Die CSU hält ihren Finger in den Wind und spürt: Er hat sich gedreht. Mit viel dieser frischen Luft will sie sich den grünen Bazillus vom Leibe halten. Parteichef Horst Seehofer und Umweltminister Markus Söder haben sich in wenigen Tagen von der Atomkraft ab- und der Ökologie zugewandt. Und wollen auch das alte Kernkraftwerk Isar 1 nicht mehr anschalten. Seehofer kündigte am Tag nach Baden-Württemberg die große Wende in Bayern an: "Ich möchte in diesem Jahrzehnt einen möglichst großen Teil der Energiewende umsetzen." Schon bis Mitte Mai sollen Wirtschaftsminister Martin Zeil und Umweltminister Markus Söder ein Konzept vorlegen. Dabei wolle man nicht die Grünen kopieren. "In allen Bereichen sind wir gut, hier nicht", sagte Seehofer. "Das geht in den Städten zu Lasten der Union." Die Basis wolle die Energiewende. Seehofer wird die CSU-Vorstandsklausur im Mai komplett unter das Motto Energiepolitik stellen. Söder sagt: "Die Bürger wollen die Kernenergie nicht mehr. Wer das nicht versteht, hat gar nichts verstanden."

Die Schwarzen werden über Nacht grün und die Liberalen wundern sich. Bayerns Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch sieht den Salto der CSU skeptisch. "Eine Annäherung der CSU an die Grünen würde nicht geglaubt", sagt er der SZ. "Der Mittelstand, der ein Reservoir der CSU ist, würde nicht einfach eine ökologische Kehrtwende der CSU mitmachen." Heubisch geht davon aus, dass Schwarze und Gelbe in Bayern nach Baden-Württemberg nun noch stärker zusammenrücken. Wenn er sich da nur nicht täuscht. Die CSU hat bereits den Schuldigen für das Wahldebakel in Baden-Württemberg ausgemacht: die FDP. Das Eingeständnis des liberalen Bundeswirtschaftsministers Rainer Brüderle vor Wirtschaftsvertretern, der Atomschwenk habe mit den Wahlen zu tun, habe der "Glaubwürdigkeit keinen Schub nach vorne gegeben", sagt Söder.

Es werden wohl harte Zeiten für die FDP in Bayern kommen. Dabei hatte man sich noch am Samstag beim Koalitionsausschuss in die Hand versprochen, sich von den Ergebnissen in Stuttgart nicht auseinanderdividieren zu lassen. Die Liberalen kennen es schon, wenn Seehofer und seine Leute versuchen, den Koalitionspartner in die Enge zu treiben - wie bei der versuchten Rettung von Quelle, der sich damals Wirtschaftsminister Martin Zeil widersetzte. Es gibt einen starken Flügel in der CSU, der darauf setzt, die FDP zu schwächen und deren Anhänger zurückzugewinnen. Es ist der gleiche Flügel, der glaubt, dass die Freien Wähler 2013 wegen erwiesener Erfolglosigkeit wieder aus dem Landtag fliegen und sich deren Anhänger notgedrungen wieder der CSU zuwenden werden. Dann, so die kühne Hoffnung mancher, könnte die CSU wieder die absolute Mehrheit erreichen.

Andere wie Innenminister Joachim Herrmann und CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sehen den Hauptgegner in den Grünen. Diese müssten klein gehalten werden, damit sie die CSU-Wählerschaft nicht infizierten. Die CSU müsse jetzt die Grünen noch "wesentlich härter" angehen, forderte Herrmann. Dobrindt schwelgt ohnehin ständig in "Wir-verhauen-die-grünen-Männchen"- Phantasien, die er in Filmchen im Internet zur Schau stellt.

Einige Liberale resignieren derweil. So sagt der FDP-Abgeordnete Georg Barfuß: "Die Leute haben recht. Warum sollten sie uns auch wählen? Der vergangene Sonntag hat uns gezeigt, dass die Beliebigkeit in der politischen Arbeit der sicherste Weg ist, zu verlieren." Barfuß mahnt mehr Effizienz und Professionalität bei Wirtschaftsminister Martin Zeil & Co. an. Den hatte die Kabarettistin Luise Kinseher auf dem Nockherberg als "ferngesteuerten Schlafanzug" verspottet - viele FDPler konnten sich da das Grinsen nicht verkneifen.

Andreas Fischer, Vize-Fraktionschef der FDP im Landtag, sagt: "Es ist uns nicht gelungen, die Wähler zu überzeugen, dass wir den Ausstieg aus der Atomenergie ernsthaft voranbringen wollen." Er garantiere, dass er seine Stimme im Landtag nicht dafür geben werde, dass Isar1 wieder ans Netz gehe. Schon prognostizieren bayerische SPD-Politiker, die FDP werde 2013 aus dem Landtag "heraus katapultiert". Fischer nennt das "leere Kraftmeierei auf Kindergartenniveau". Und gibt die Parole aus: Ruhe bewahren. "Die FDP war in Bayern auch schon bei 1,8 Prozent und hat überlebt."

Bisher stand der bayerische Landesverband der FDP treulich an der Seite von Parteichef Guido Westerwelle. Doch nun lösen sich die ersten bayerischen FDP-Politiker aus ihrer Schockstarre. "Man kommt schon ins Überlegen, wenn man sieht, dass die Grünen die jungen Leute haben - als Anhänger, aber auch als Mandatsträger", sagt Heubisch. "Wir haben jetzt viermal hintereinander Verluste eingefahren. Wir müssen uns verjüngen." Heubisch denkt dabei gewiss nicht an die Parteispitze in Bayern.

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Quelle:
SZ vom 29.03.2011
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