CSU nach der Wahl:Stratege des Niedergangs

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Gerade rief er die "neue CSU" aus, schon verkörpert er die alte. Mit seinem Kurs der Beliebigkeit stürzt Parteichef Horst Seehofer die CSU noch tiefer in die Krise.

A. Ramelsberger

Erst brauchte die Partei ihn - nun braucht er die Partei. In der CSU haben sich am Wahltag Machtverhältnisse und Abhängigkeiten umgekehrt. Vor einem Jahr hatte die Partei nach einer deftigen Niederlage bei der Landtagswahl den ungeliebten Außenseiter Horst Seehofer zum Partei- und Regierungschef gekürt und sich ihm bedingungslos unterworfen - auch deshalb, weil es zu Stoiber, Beckstein und Huber, die für die alte, graue CSU standen, keine Alternative mehr gab.

Jahrzehntelang gehütete konservative Inhalte wurden aufgegeben und selbst das für eine christliche Partei schwierige Privatleben des Parteivorsitzenden geduldet. Das alles in der Hoffnung, dass Seehofer die Partei wieder an jene 50 Prozent heranführe, die nach CSU-Selbstverständnis Pflicht waren.

Nun ist klar: Die Unterwerfungsgesten und die inhaltlichen Kehrtwenden haben nichts gebracht. Es gibt mit Seehofer keinen Weg zurück ins Paradies. Unter ihm hat die CSU das enttäuschende Ergebnis von 2008 noch einmal unterboten. Wie in einer synchronen Gefühlsregung erkennt die Partei nun: Seehofer ist nicht der Heilsbringer.

Bis zur Unkenntlichkeit verändert

Die Christlich Soziale Union ist bis zur Unkenntlichkeit verändert. Seehofer hat im ersten Jahr seines Vorsitzes aus einer profilierten, konservativen, an christlichen Grundwerten orientierten Partei eine politische Show-Truppe gemacht. Er hat die CSU zu einer Gag-Maschine umfunktioniert. Hat allen alles versprochen, den Beamten mehr Freizeit, den Bauern mehr Milchgeld, den Schülern mehr Lehrer und den Bürgern weniger Steuern.

Der Mann, dessen politisches Bauchgefühl einst gerühmt wurde, versteht nicht mehr, was die Bürger von Politik erwarten. Er begann einen unnötigen Streit mit dem Koalitionspartner FDP, weil er sich davon einen Stimmenvorteil erhoffte. Er wirkte aber nur unglaubwürdig. Genauso wie in der Wirtschafts- und Finanzkrise, in der er Dinge versprach, die die Kanzlerin in Berlin gar nicht einlösen konnte und wollte. Mit diesem Verhalten hat Seehofer die innerparteiliche Konkurrenz geradezu gezüchtet.

Erst im Frühjahr hatte er - für den überforderten Michael Glos - den Franken Karl-Theodor zu Guttenberg als Wirtschaftsminister nach Berlin geschickt. Er sollte dort seines Meisters Stimme sein. Doch Guttenberg setzte sich oft, wenn auch höflich verdeckt, in diametralen Gegensatz zu Seehofer - und ist damit zu seinem Gegenspieler geworden. Jeder Satz, jeder Auftritt Guttenbergs wird darauf abgeklopft, wie sehr er sich vom Parteichef absetzt. Ob er will oder nicht. Guttenberg ist die Antwort auf Seehofer. Schon scharen sich die Jungen hinter ihm.

Gerade noch hatte Seehofer die "neue CSU" ausgerufen, ein Jahr später verkörpert er schon die alte. Dem CSU-Chef bleibt jetzt nur noch die zermürbende Defensive, gerade in Berlin. Guttenberg aber kann warten, bis die Zeit für ihn gekommen ist. Seehofer wirkt plötzlich wie ein Parteichef auf Abruf.

© SZ vom 29.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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