OB-Wahl in WürzburgDie Würzburger CSU und das Problem mit der „Vädderleswärdschaft“

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Das ging dann wohl in die Hose: Wahlwerbung der CSU für die OB-Wahl in Würzburg.
Das ging dann wohl in die Hose: Wahlwerbung der CSU für die OB-Wahl in Würzburg. (Foto: Olaf Przybilla)

Die Grünen bekommen 65, die CSU nur 35 Prozent? Das muss Gründe haben. Einer hat mit einem CSU-Wahlplakat zu tun, das falsche Assoziationen weckt. Und mit einer etwaigen Machtkonzentration in einer gewissen Würzburger Familie.

Von Olaf Przybilla, Würzburg

Die OB-Wahl in Würzburg ging für die CSU horrend verloren, da könnte man nun sagen: Verschüttete Milch, was soll’s denn, da jetzt noch nachzukarten? Aber Gründe müsste es natürlich schon geben, wenn in einer Stadt mitten im Freistaat Bayern die CSU auf 35 Prozent kommt. Und die Grünen auf 65 Prozent.

Zumal die CSU-Bewerberin Judith Roth-Jörg alles andere als eine Verlegenheitslösung war. Es dürfte kaum jemanden in der Stadt geben, der Roth-Jörg ernsthaft nachsagen würde, sich zu wenig um ihren Arbeitsbereich in der Stadtregierung, die Bildung, zu kümmern. Was etwas heißen soll in der dezidierten Uni- und Schulstadt Würzburg. Roth-Jörg gilt als argumentationsstark, steht als 49-Jährige mitten im Leben, ist bestens vernetzt, war im Wahlkampf hochengagiert und vor ihrer Bewerbung als OB-Kandidatin bereits fünf Jahre mit Repräsentationsaufgaben betraut, als hauptamtliche dritte Bürgermeisterin. Politikberater würden bei so einer Kandidatin womöglich sagen: Ideallösung. Und dann 35 Prozent?

Judith Roth-Jörg (CSU) beim Glückwunsch an den Wahlsieger der Grünen, Martin Heilig.
Judith Roth-Jörg (CSU) beim Glückwunsch an den Wahlsieger der Grünen, Martin Heilig. (Foto: Heiko Becker/dpa)

Für so ein Fiasko muss es Gründe geben – und die dürften in so einem krassen Fall zahlreich sein. Einen Grund aber sah man am Wahlsonntag bei der Anreise nach Würzburg gleich beim Schritt aus der Halle des Hauptbahnhofs. Der erste Blick fiel da auf das CSU-Plakat mit der Aufschrift: „Roth statt grün“. Und um es gleich vorwegzunehmen: Gäbe es eine goldene Ananas für den absurdesten politischen Fehlgriff des Jahres, man könnte diese getrost schon im wunderschönen Monat Mai vergeben. And the winner is: die CSU.

Die hat dieses Plakat erst nach dem ersten Wahlgang geklebt, vor der Stichwahl also der CSU-Frau Roth-Jörg gegen den Grünen Martin Heilig.  Was damit bezweckt war? Würzburgs CSU-Chef Wolfgang Roth macht daraus sympathischerweise keinen Hehl. Zu „polarisieren“ habe man versucht, nach dem bereits fast in die Hose gegangenen ersten Wahlgang, bei dem die CSU-Bewerberin um ein Haar sogar die Stichwahl verpasst hätte.

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Nun ist „polarisieren“ im politischen Geschäft gängig. Wenn es um den Job des Rathauschefs oder eben der Rathauschefin geht, aber durchaus nicht unproblematisch. Verglichen mit der Bundespolitik kommt dem Amt des Oberbürgermeisters am ehesten das Amt des Bundespräsidenten am nächsten: ein politisches Amt, natürlich, aber eben eines, in dem es ums Zusammenführen geht, nicht ums Spalten. Ja, gut, heißt es dazu in Parteikreisen, aber man sei ja nach der Klatsche im ersten Wahlgang in der Defensive gewesen. Irgendwas habe man doch tun müssen.

Risiko folglich, wohl wissend, dass es da ein zweites Gegenargument gibt, das auch sofort ins Auge fällt. Natürlich: „Roth“ wird mit „h“ geschrieben. Aber verarbeitet das immer jeder sofort, wenn er aus dem Hauptbahnhof zur Straßenbahn hastet? Die Sozialdemokraten, die Roten also, hatten sich vor der Stichwahl sehr eindeutig positioniert: für den Grünen.

Auch dieses zweite Argument wäre noch eine Abwägungsfrage. Um wiederum das dritte Argument, das Hauptargument, gegen so einen Slogan nachvollziehen zu können, muss man mit Würzburg vertraut sein. Das CSU-Problem bei der Sache: Die meisten Würzburger sind das.

Es ist so: Die CSU-Bewerberin und dritte Bürgermeisterin ist am Main ausschließlich unter ihrem vollständigen Namen geläufig, Judith Roth-Jörg. Sie von sich aus als „Frau Roth“ anzusprechen, wäre eine Respektlosigkeit. So heißt sie schlicht nicht. „Roth“ heißt jemand anderes: ihr Ehemann. Dieser Ehemann ist besagter Würzburger CSU-Chef, Wolfgang Roth. Und der ist nicht nur örtlicher Parteivorsitzender. Sondern auch Chef der CSU-Fraktion im Stadtrat.

Was wiederum Stadtgespräch im Wahlkampf war: Ist diese etwaige Machtkonzentration von CSU-Oberbürgermeisterin, CSU-Parteivorsitz und CSU-Fraktionsvorsitz am Frühstückstisch der Familie Roth(-Jörg) in Würzburg-Lengfeld nicht womöglich zum Schaden der Stadt? Die CSU, zumindest deren in Würzburg führender Teil, hat dem im Wahlkampf heftig widersprochen. Leise wurden die Bedenken dadurch nicht. Ein böses Wort machte die Runde, im gängigen Orts-Idiom klingt es nett, ist aber so nicht gemeint. Es drohe: „Vädderleswärdschaft“.

Letztlich hat da also eine Partei mit im Stadtgebiet und auf Social Media weiterverbreiteten Plakaten selbst den Fokus auf einen bestimmten Aspekt gelegt: das eigene Großproblem. „Glückwunsch dazu“, heißt es im politischen Würzburg. Und das schon vor dem CSU-Debakel.

Herr Roth? Setzt man dem Würzburger CSU-Chef die drei Argumente auseinander und fragt ihn, was er davon halte, erlebt man eine Überraschung der seltenen Art. „Ich gebe Ihnen vollständig recht“, sagt Herr Roth. Er habe ein schlechtes Gefühl gehabt bei der Sache – und das auch gesagt. Sogenannte Werbeexperten „aus den eigenen Reihen“ hätten die Partei aber vom Gegenteil überzeugt. Und also? Wurde geklebt.

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